Das Bett, Frankfurt, 23.01.2015
„Endlich wieder Live-Musik!“ Das war in etwa mein Empfinden nach knapp fünfwöchiger Abstinenz, hauptsächlich hervorgerufen durch diese Jahresend-Feiertage und das Erholen von denselben, Ihr kennt das ja. Nachdem ich auf den Stopp der Persistance-Tour in Wiesbaden verzichten musste, sollte der erste „Sky High“-Abend im Frankfurter Club „Das Bett“ meine 2015er-Premiere darstellen: Mit drei Bands, die ich kaum bis gar nicht kannte; die aber, wie eigentlich alles von diesen Veranstaltern, extrem interessant wirkten.
Vom Headliner HARSH TOKE konnte ich mir vorab auch schon ein Album anhören („Light Up and Live“), sehr überzeugend, könnte ein schöner Psych- Abend werden. Aber letztlich wurde es fast schon ein „Psycho-Abend“, bei dem ich mich manchmal doch auf dem Wiesbadener Hardcore- Event wähnte, doch der Reihe nach: Ich war wie üblich zu früh und fror mir erst mal nen Wolf. Beim ersten Weizenbier des Abends kam zwar der erste Kontakt meines Lebens mit einer Person zustande, die es ebenso wie ich vorzieht, eben dieses aus der Pulle zu trinken. Da dieses Getränk jedoch kurz vorm Zerplatzen aus der Tiefkühltruhe gezogen zu sein schien, trug es nicht wirklich zur Entspannung bei und war noch nicht vollständig vernichtet, als die erste Formation die Bühne betrat.
Daniel Cuberos, Sänger und Gitarrist der anfangs aufspielenden BORGENINE aus Offenbach, steckte mir als Dank für mein frühes Erscheinen vorher die CD seiner Formation in die weizenbierfreie Hand, eine mehr als nette Geste. Auf der Bühne wurde überraschend erstmal Englisch parliert und das Fehlen des Bassisten entschuldigt: „Bass becomes Papa“ war, so glaube ich, der Originalwortlaut. Glückwunsch. Powerduo statt -trio also, mir auch recht – da gibt es ja gerade in jüngster Zeit sehr schöne Beispiele für: WHITE STRIPES, BLACK KEYS, usw. fallen einem da ein und nicht zuletzt die vor KADAVAR an gleicher Stelle begeisternden THE PICTUREBOOKS vor ein paar Wochen. Die waren sowas von genial, besonders, einzigartig, originell (seht den Clip bitte hier) – innerhalb von Minuten war das Podest getränkt vom Schweiß der beiden Akteure, echter Hingabe, etc. Mal sehen, was die Combo aus Offenbach dem entgegenzusetzen hat; immerhin bezeichnet sie ihre Musik auf ihrer Reverbnation-Seite als „No Easy Listening“. Und das war keine Übertreibung.
Nachdem Cuberos die erste Ansage in Englisch machte, kam die nächste dann auf Deutsch. Begleitet von einem Witz, den kaum einer verstand und der mächtig in die Buxe ging, was der Stimmung auf der Bühne vor spärlichem Publikum sicher nicht besonders zuträglich war. Hochkonzentriert spielten die beiden und vor allem Cuberos ihre bass- und brotlose Kunst, die für ungeübte Ohren wohl eher befremdlich wirkte. Grandioses Freispiel wechselte sich ab mit schwer nachzuvollziehenden Tempowechseln, neben eingängigem Hau-drauf-Spiel wurde zu Ungunsten eines wie auch immer gearteten Wiedererkennungswerts kompliziert drauflos geproggt, so dass sich Höflichkeitsapplaus paarte mit der Unterstützung einiger Buddies von daheim und nervösem Auf-die-Uhr-Schauen in der Hoffnung, dass dies hier bald enden möge.
Cuberos schien es teilweise ähnlich zu gehen, seine Frage „Wie lang noch?“ wirkte ein wenig verzweifelt auf mich, die Antwort „Noch zehn Minuten“ wenig inspirierend. Und doch funkelte immer etwas wie große Klasse auf, wenn es ihm mal gelang, völlig selbstvergessen drauflos zu rocken. Sein Abgang, nach einer halben Stunde und in die Menge gerauntem „Kommen ja noch zwei Bands“, zeigte nochmal, dass er sich auf dieser Veranstaltung selber am unwohlsten fühlte. Was sich durchaus mit meinem Unwohlsein decken dürfte, als ich zuhause die CD in den Player schob. „Uneasy Listening“? Ja, so kann man das auch nennen. Trotzdem Danke.
Bei COMET CONTROL aus Kanada standen ein paar Leute mehr auf der Bühne, nämlich vier. Die Band spielt einen eher gediegeneren Psychrock mit heftigen Ausreißern des hyperaktiven Gitarristen Andrew Moszynski, der wie Sänger und Gitarrist Chad Ross von den mir nicht bekannten QUEST FOR FIRE stammt. Ergänzt wird das Quartett von Drummer Jay Anderson und der fast schon stoischen Bassistin Nicole Howell, die so gut wie nie vom Scheinwerfer bestrahlt wurde, nach dem Auftritt im Gespräch mit den Fans jedoch sehr offen und kommunikativ wirkte. Im Gegensatz zu Fronter Ross, der mit meist verschlossenen Augen seine Sphären beschrieb und auf mich so mitreißend wirkte wie ein Testbild, falls sowas noch jemand kennt.
Nicht falsch verstehen, das war schon eine Band, die perfekt passte zum psychedelischen Sky High- Geschwurbel und in der Tradition von Formationen wie THE SEEDS stand, aber meine Tasse Tee ist das anscheinend weniger, zumindest bleibt bei mir kein Song als besonders beeindruckend hängen, trotz angenehmen Einlullens. Der eine oder andere Besucher sah das aber wohl anders: Vor allem eine Gestalt mit rotem Käppi lebte seine Tourette-Gestik für mich wenig nachvollziehbar (noch) punktuell bei der Musik des Quartetts aus, den verwunderten Blicken der Band sowie der steigenden Genervtheit des nicht mehr ganz so spärlichen Publikums zum Trotz. Nach 45 Minuten war Ende und das war für mich dann auch gut so.
HARSH TOKE schließlich waren dann durchaus pogotauglich, was mich als Krachfetischisten extrem erfreute. Nicht nur wegen der Körperhaltung vorm Mikro wirkte der Sänger/ Gitarrist sehr Lemmy-like, die gesamte Band spielte einen Heavy-Psych, der, trotz Songs an der Zehn-Minuten-Grenze und darüber, einfach nur richtig abging. Vielleicht hat das was mit dem Skaten zu tun, dem einige oder gar alle in der Truppe frönen, keine Ahnung.
Für Tourette-Käppi war das so anregend, dass er teilweise sogar rückwärts auf die Monitorboxen sprang und sich überhaupt wenig Freunde machte: Selbst „Das Bett“- Boss Frank Diedrich sah sich genötigt, den Schwerstalkoholisierten an den Rand zu drängen und ihm die Leviten zu lesen. Rausschmiss fiel aber aus, weil Diedrich eben ein Netter ist und die Kappe zwar extrem nervte, aber augenscheinlich nicht auf Randale aus war. Mich lenkte das Ganze aber so sehr ab, dass ich mehr auf meine Umgebung schaute, um nicht umgerannt zu werden als auf die Bühne, und das vermieste mir den Abend mittelschwer. In der Zugabe gegen Mitternacht war dann für mich Schicht; unterm Strich war ich jetzt doch hauptsächlich genervt von diesem Event. HARSH TOKE können dafür aber nix und werden hiermit ausdrücklich empfohlen.
Links: http://www.backstagepro.de/borgenine1, https://www.reverbnation.com/borgenine, http://www.lastfm.de/music/Borgenine, http://borgenine.bandcamp.com/, https://www.facebook.com/CometControl, https://myspace.com/comet.control, http://www.lastfm.de/music/Comet+Control, http://cometcontrol.bandcamp.com/, https://www.facebook.com/theHARSHTOKEgoons, http://www.lastfm.de/music/Harsh+Toke, http://harshtoke.bandcamp.com/
Text, Fotos & Clips: Micha
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