Café Central, Weinheim, 24.01.2020
Mit HELRUNAR, IMPERIUM DEKADENZ (links), FIRTAN und VARGSHEIM präsentierte New Evil Music mal wieder Black Metal aus deutschen Landen im Café Central in Weinheim – die meisten Derb-Metal-Feste werden inzwischen ja im Mannheimer MS Connexion Complex gefeiert. Weinheim punktet jedoch nicht nur mit der (für mich) etwas näheren Anreise, sondern auch mit Gemütlichkeit und großartiger Getränkeauswahl – allein das in einer Parallelstraße des Cafés gebraute Woinemer Bier lohnt den Aufenthalt. Das Licht ist für Fotografen ein Traum und die Kneipenatmosphäre vor dem Konzertsaal lässt weniger geschätzte Formationen gut verschwafeln. Und geschwafelt wurde recht viel bei dem gut besuchten Black Metal-Event – scheinbar war nicht jede aufspielende Truppe für alle Besucher gleichermaßen bedeutsam. Für mich letztlich auch nicht, das war im Vorfeld jedoch nicht zu erahnen. Von den ersten beiden Akteuren kannte ich vor dem Auftritt gar nichts, die letzten beiden erlebte ich live zum ersten Mal. Reichlich unbedarft also ließ ich mich auf die Gigs ein, gleich der erste war zumindest schonmal ein ziemliches Fest.
VARGSHEIM aus Würzburg eröffneten für eine gute halbe Stunde mit einem imposanten Brüderpaar an den Mikros sowie Saiteninstrumenten: Kaelt (Gitarre) und Harvst (Bass). Komplettiert wird das Trio von Schlagzeuger Naavl. Alle drei sollten später noch IMPERIUM DEKADENZ unterstützen.
Ihre 30 Minuten fanden noch mit einigem Platz vor der Bühne statt – vielleicht, weil sich noch nicht alle Besucher eingefunden hatten, vielleicht aber auch aus Respekt vor diesen Kraft- und Energiepaketen, die mörderaggro und mit vielen BM-untypischen Sounds auftrumpften. Neben dem unverständlichen wie genretypischen Gekeife (in welchem sich, wie späteres Tonträgerstudium belegte, durchaus interessante Lyrik verbarg) offenbarten sich räudige Classic Rock-Referenzen der böseren Art sowie eine Straßenpunk-affine Haltung, die den Opener soundtechnisch vom folgenden Rest abhob. Ein eindeutiger Pluspunkt meiner Meinung nach, die allerdings nicht von allen Gästen geteilt wurde. Für mich persönlich ging das jedoch sogar soweit, dass VARGSHEIM am Ende des Abends trotz der stinkerfreien Restbeschallung am meisten Eindruck hinterließen.
Wir kennen das ja alle, vielleicht von unseren Lebenspartnern, vielleicht auch von uns selber: Schnell noch eine kleine Aufhübschung vor dem Event – ein Lidstrich hier, eine Schlammlinie dort. Schlammlinie? Pagan Black Metal stand als nächstes auf dem Programm in Form der Youngster FIRTAN aus Lörrach am Schwarzwald. Bassist Oliver König perfektionierte sein Outfit noch rasch vor den sanitären Anlagen des Hauses, bevor er mit seinen drei Mitstreitern für erstes kollektives Ausrasten am Bühnenrand sorgte. Anscheinend war das Quartett für einige der Headliner der Herzen.
Etliche bewegungsfreudige Enthusiasten sorgten von nun an zwar bei jeder Formation für Stimmung vor dem Podest, bei FIRTAN waren es aber nicht unbedingt die gleichen wie bei den Bands später. Der Cut zwischen Umbau sowie Probe vor dem Gig und der Raserei währenddessen war erstaunlich – zumindest für mich, der ich die Herren noch nicht kannte. Live wurde 45 Minuten lang der Wald entlaubt, mit dezent hörbaren Annäherungen an die Welt des Prog-Metals. Beeindruckend und interessant – im Pit war die Stimmung bei FIRTAN jedoch die mit Abstand unangenehmste für die Fotografen, weswegen ich nicht über die volle Distanz vor Ort blieb. Gab ja auch noch ein paar Woinemer Sorten zu probieren.
Wir bleiben bei Musik aus dem Schwarzwald: IMPERIUM DEKADENZ, gegründet 2004, besteht aus dem Duo Vespasian und Horaz. Live werden die beiden seit zehn Jahren unterstützt von dem kompletten Trio VARGSHEIM, mit dem ID eine Split-EP aufnahmen und mit dem sie passenderweise häufig touren. Sowohl der Schlammstrich als auch die Jagdgewandung waren nun passé, IMPERIUM DEKADENZ treten sehr „basic“ (Legacy) vor ihre Fans – nämlich ohne „Schminke, Koks, Selbstverstümmelung und dicke Fresse“ (metal.de). Umrahmt von den beiden inzwischen barbusigen wie immer noch arschtretenden Brüdern Kaelt und Harvst sowie Naavl, der nun eine weitere Gitarre bediente, agierte Frontmann Horaz ebenso wie Schlagzeuger Vespasian erfrischend unprätentiös und trotzdem gewaltig. Kein Firlefanz, aber ordentlich Druck.
Drei Stücke vom aktuellen Tonträger „When We Are Forgotten“ wurden geliefert, eingerahmt von älterem Material und intoniert in Deutsch oder Englisch. „Wir sind IMPERIUM DEKADENZ aus dem Schwarzwald“ stellte Horaz die Band vor und erntete enthusiastische „SCHWARZWALD!!“-Rufe – „Schwarze Wälder“ vom Debüt-Album „…und die Welt ward kalt und leer“ (2006) folgte. Ansonsten spielte der Wald jedoch keine wahrnehmbare Rolle mehr bei dem Hybrid aus traditionsbewusster Genrekost mit zunehmendem Einfluss post-metallischer Klangkunst, welcher keine Sekunde langweilte und für einen vollen, ausgelassenen Pit sorgte. Geiler Scheiß, auch auf Platte.
HELRUNAR zum Abschluss sind ebenso weniger Menschen im Studio wie auf der Bühne – Erzähler, Sänger und Zeremonienmeister Skald Draugir sowie Multiinstrumentalist Alsvartr, der live das Schlagzeug bedient, bilden den Kern der Truppe. Draugirs Mitstreiter bei ÁRSTIDIR LIFSINS, die Gitarristen Stefán Drechsler und Árni Bergur Zoëga sowie Bassist Samiel (ABROGATION) vervollständigen das Line-Up. HELRUNARs Black Metal ist dem norwegischen Ursprung und seiner Mythologie verpflichtet, gleichwohl die Band aus Münster stammt. Die klirrende, leicht folkige Raserei kann durchaus als Pagan Black Metal subsummiert werden, vor allem inhaltlich.
Von dem ganzen versoffenen Kaspertheater, das man sonst mit dieser Begrifflichkeit assoziiert, sind HELRUNAR jedoch meilenweit entfernt – wie Skald Draugir in Weinheim (sowie in jedem zweiten Interview) klarmachte, als er als fünftes Stück „Raune mit der Tiefe“ vom 2003 erschienendem Demo ansagte. BATHORY, nicht HEIDEVOLK. Ebenso klischeefrei die Darbietung wie auch die Ansagen. Inhaltlich wird die deutsche Historie bemüht („Magdeburg brennt“ über den Angriff der kaiserlichen Truppen 1631) wie nordische Mythologie abgearbeitet.
Vier aktuelle Stücke von „Vanitas Vanitatvm“ reihten sich um die dargebrachten Oldies, differenzierter im Sound durch die in den vergangenen Jahren zunehmend verarbeiteten Einflüsse aus Death- oder Doom-Metal. Abgefeiert wurde alles, der aktuelle „Blutmond“ ebenso wie die Zugabe „Älter als das Kreuz“ von 2005. Nach insgesamt knapp vier Stunden war schließlich die Messe gelesen und die Menschen beglückt. Weinheim hat mal wieder ordentlich, derbe sowie abwechslungsreich gerockt. Chapeau.
Links: http://www.vargsheim.de/, https://www.facebook.com/vargsheimofficial, https://www.last.fm/de/music/Vargsheim/, https://www.facebook.com/Firtanofficial, https://firtan.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/Firtan, https://www.imperium-dekadenz.de/, https://www.facebook.com/ImperiumDekadenz/, https://www.last.fm/de/music/Imperium+Dekadenz, https://www.facebook.com/helrunar, https://helrunar.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/Helrunar
Text & Fotos: Micha
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