Zoom, Frankfurt, 26.04.2016
Mit dem Namen Holly Golightly werden die meisten Menschen eher eine Romanfigur assoziieren, nämlich die der Protagonistin in „Frühstück bei Tiffany“ von Truman Capote. Noch wesentlich wahrscheinlicher ist ihnen der gleichnamige Film von 1961 bekannt, in dem die Hauptrolle des Partygirls Holly von einer reizenden Audrey Hepburn verkörpert wird. Doch es gibt auch eine Sängerin, geboren fünf Jahre nach der Entstehung des Streifens als Holly Golighty Smith in London. Und die ist hier zumindest so bekannt, dass der Frankfurter Club Zoom gestern annähernd seine Kapazitätsgrenze erreichte, weil so viele Musikfreunde eine der besten Singer/Songwriterinnen des Vereinigten Königreichs sehen wollten.
Diese steht seit nunmehr 25 Jahren auf der Bühne und veröffentlicht seit 1995 Soloalben. 15 LPs und noch mehr Singles und EPs stehen inzwischen auf der Habenseite zu Buche, die Liste der Kollaborationen mit anderen Musikern (u. a. Billy Childish, Dan Melchior, The Greenhornes) ist lang. Zum Gig im Zoom hatte sie neben vielen älteren Tracks auch die Songs ihres aktuellen, Ende 2015 erschienenen Werks „Slowtown Now!“ mitgebracht. Ich kenne davon bisher nur die Stücke, die während des Konzerts präsentiert wurden (u. a. „Fool Fool Fool“, Clip dazu weiter unten), aber eines kann ich sicher sagen: Noch immer zieht die „Queen des englischen Twang“ mit ihrer Melange aus Blues-, Folk-, Country- und Garage-Rock das Publikum in ihren Bann.
Lange war Holly Golightly nicht mehr in unserer Region aufgetreten, sie selbst erzählte während der Show etwas von zehn Jahren. Das allerdings können wir nicht bestätigen, haben wir sie doch im Mai 2009 mit ihrem kongenialen Partner Lawyer Dave (alias „The Brokeoffs“) in der Brotfabrik gesehen. Aber vielleicht meinte die Britin auch, dass sie mit einer anderen Besetzung seit einer Dekade nicht mehr hierzulande getourt sei. Gestern hatte sie einmal mehr hervorragende Musiker an Bord, und zwar mit Bradley Burgess an der Leadgitarre, Matt Radford am Kontrabaß und Bruce Brand (als dessen Freundin sie 1991 bei den HEADCOATS ihre Karriere begann) am Schlagzeug gleich deren drei.
Nur um mal zu verdeutlichen, welche Kaliber da auf dem Podest standen: Brand arbeitete u. a. schon für Link Wray, MUNGO JERRY und Steve Turner (MUDHONEY); Radford war zum Beispiel für Tanita Tikaram, Nick Lowe und Pete Molinari aktiv und Burgess bei MORCHEEBA, den GOLDEN RETRIEVERS und diversen mehr. Alle drei Künstler begleiten Holly Golightly in unregelmäßigen Abständen bei Plattenaufnahmen und Touren seit vielen Jahren, teilweise zwei Jahrzehnten.
Umso skurriler, dass sich die Sängerin im Verlauf des Auftritts immer wieder bei ihren Mitstreitern abstimmen musste, welches Lied denn als nächstes gespielt werden sollte, da sie eine andere Setlist bekommen habe als der Rest der Truppe. Anfangs glaubten wir noch, dass das Teil des Unterhaltungs-Programms sei, weil es ja kaum sein könne, dass Profis wie diesen ein solcher Lapsus unterlaufe. Doch später konnten wir anhand von mehreren abfotografierten Setlists sehen, dass es tatsächlich stimmte. Nun ja, nobody is perfect. Und so mutierte das muntere Fragequiz zwischen den Songs zum sympathischen Running Gag für das Publikum.
In den kurzen Pausen erzählte Holly außerdem die eine oder andere kleine Geschichte, zum Beispiel, dass sie nun in den USA in einem Dorf mit ein paar hundert Einwohnern lebe und es genieße, in einer Großstadt wie Frankfurt zu sein (hm). Als schlagfertig erwies sich die 49-Jährige, als ein Fan forderte, sie möge doch mehr „fast songs“ spielen. Sie antwortete, dass „die Kraft doch nicht in der Schnelligkeit liege“ und fügte mit Augenzwinkern hinzu, dass diese Aussage eigentlich von einem Gentleman stammen müsste. Anschließend kündigte sie einen „fast song“ für den Zwischenrufer an – und performte vor der schmunzelnden Gästeschar das vermutlich langsamste Stück der gesamten Show…!
Alles in allem war es ein launiger Abend mit einer charismatischen Sängerin, unterstützt von einer ausgezeichneten Band, vielen tollen, abwechslungsreichen Stücken und perfektem Sound. Was hätte man sich noch mehr von dem Auftritt versprechen können? Die Antwort ist einfach: Nichts.
Links: http://www.hollygolightly.com/, https://www.facebook.com/hollygolightlymusic/, https://myspace.com/hollygolightlymusic, http://holly-golightly.bandcamp.com/, http://www.last.fm/de/music/Holly+Golightly, http://www.bradleyburgess.com/, http://www.starnow.com/brucebrand/, http://www.allmusic.com/artist/matt-radford
Text: Stefan / Fotos: Kai
Clips: am Konzertabend aufgenommen von SpacyTVshowS
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