Dreikönigskeller, Frankfurt, 10.02.2018
Man kann nicht behaupten, dass in Frankfurt eine große Szene von Fans der Musikrichtung Surf ansässig wäre. Und ebenso wenig, dass zahlenmäßig viele Gigs jenes Genres in der Mainmetropole oder ihrer Umgebung stattfinden würden. Natürlich bedingt auch der erste Umstand den zweiten und umgekehrt. So war es dann wenig verwunderlich, dass sich am gestrigen Faschingssamstag, an dem diverse weitere Veranstaltungen um die Gunst des ausgehfreudigen Volks buhlten, nur etwa 20 Gäste im wie meist schummrig rot beleuchteten Dreikönigskeller einfanden, um die französische Combo THE IRRADIATES („to irradiate“ = bestrahlen) im Rahmen ihrer aktuellen „Lost Transmissions“-Tour live zu erleben.
Und diese knapp zwei Dutzend Augenzeugen können fortan Kunde davon ablegen, dass das Quartett aus Besançon und Bordeaux inmitten der fünften Jahreszeit keine olle Kamelle(n) anzubieten hatte. Für Fastnachtsfreunde war durch die uniforme, schwarze Bandbekleidung mit den orangenen Abzeichen des „Scientific Surf Rock Research Department“ zudem für ein Minimum an Kostümierung gesorgt und die Jungs versprühten ein Feuerwerk an guter Laune, das altbackene Karnevalsveranstaltungen jeglicher Art locker in den Schatten stellte.
Sobald die Band realisiert hatte, dass sich aufgrund der eher überschaubaren Besucherresonanz der ein oder andere Freiraum im Zuschauerbereich ergeben würde, wurde flugs das Mikrofon samt dem Bassisten und Sänger Macst vor die Bühne gestellt. Auch dessen Mitstreiter an den zwei Gitarrren, Dick Den’s und Arno De Cea, sprangen eifrig neben ihm herum, sodass der Gig mehr vor als auf der Bühne stattfand. Nur Schlagzeuger Buanax konnte seinen angestammten Posten an der rückwärtigen Wand des Podiums natürlich nicht verlassen.
Surf kann ja unglaublich eintönig dargeboten werden – bei den IRRADIATES war genau das Gegenteil der Fall. Durch das Tohuwabohu direkt vor oder sogar inmitten der Gäste war für ständige Abwechslung gesorgt. Einzelne Lieder mit Gesang (beim Surf eher die Ausnahme als die Regel) sowie launige Ansagen über kosmische Strahlung oder Jungfrauen in der glühenden Lava eines Vulkans (so habe ichs zumindest verstanden) taten ein Übriges, die Show zu einer äußerst kurzweiligen Angelegenheit werden zu lassen. Kurze, knackige Songs, mehr dem Surf Rock (wenn nicht gar Surf Punk) als dem originären Genre zuzuordnen, animierten zwar zum Tanze, doch die meisten Anwesenden wollten lieber dem Treiben der sich exaltiert bewegenden Musiker zuschauen als sich selbst in Schwung zu bringen. Ich kann das verstehen, eine dermaßen agile Surf-Combo ist mir bisher auch noch nie untergekommen.
Mit im Gepäck hatte die Truppe ihr neues Album „Lost Transmissions from the Remote Outpost“, das am 7. Februar, also just drei Tage vor der gestrigen Show und somit pünktlich zur aktuellen Konzert-Rundreise in den Verkauf und auf den reich gedeckten Merchtisch gelangte (wundervoll, häufig ist es ja eher so, dass die Tonträger zum Tour-Start nicht fertig geworden sind). An der Entstehung des Werks, das zehn bisher unveröffentlichte Tracks aus der ersten Dekade des Schaffens der 2007 gegründeten Band vereint, waren keine Geringeren als die Musikproduzenten Steve Albini (u.a. NIRVANA, BREEDERS, BARB WIRE DOLLS) und Jim Monroe (ADOLESCENTS, C. J. RAMONE, u.v.m.) sowie Mike Palm, seines Zeichens Sänger der US-Punkrocker AGENT ORANGE, beteiligt.
Ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, welche Stücke die Band innerhalb ihres knapp eine Stunde währenden Gigs im Dreikönigskeller präsentierte und ob die Songs mit klingenden Namen wie „All You Need Is… Transmutation!“, „Satellite Race“ oder „Too Weird To Live, Too Rare To Die“ auf der Setlist standen. An Material mangelt es den Franzosen, die früher unter anderem auch den Formationen HAWAII SAMURAÏ, STEF & ARNO, ANTENNA TRES und LOST BOYS angehörten, aber sicher nicht. Vor dem brandneuen Release haben sie mit „Revenge of the Plants“ (2014), „Audio Mental Manipulation Device“ (2010) und dem Debüt „First Radiation“ (2008) noch drei weitere, beim Independent-Label „Productions Impossible Records“ veröffentlichte Alben eingespielt.
Bliebe abschließend noch die Frage zu klären, ob das auf den Konzert-Plakaten ausgerufene „Signal Recovery Program“ während des zweiten Stopps der „Lost Transmissions“-Tour in Frankfurt funktioniert hat. Und ich denke, da waren sich alle Beteiligten, die Band genau wie das Publikum, die Bestrahler ebenso wie die Bestrahlten, einig: Signale angekommen, Mission erfüllt. Oder um es mit den Worten von THE IRRADIATES auf deren Bandcamp-Seite zu sagen: Scientific Surf Rock Will Never Die!
Links: http://theirradiates.org/, https://www.facebook.com/theirradiates/, https://myspace.com/theirradiates, https://theirradiates.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/The+Irradiates
Text, Fotos & Clip: Stefan
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