Frankfurt, 3.01.2012
Und wieder ist ein Konzertjahrgang zuende gegangen. Schade drum, denn eins steht fest: 2011 war ein großer. Mehr als 70 Shows an über 40 Abenden durften wir miterleben. Nicht alle haben uns gefallen, aber unter dem Strich gab es so viele hervorragende und außergewöhnliche Konzerte, dass man direkt ins Schwärmen geraten muss. Ob in einer kleiner Kellerkaschemme vor zwölf Gästen oder auf der großen Open Air-Bühne mit 1200 Zuhörern, ob Punk, Hardcore, Rockabilly, Surf oder Garage – alles, was das Herz begehrt, wurde irgendwann und irgendwo in den vergangenen zwölf Monaten in Frankfurt oder der näheren Umgebung geboten.
Manch skurille Show wie die der TIKI KINGS (Foto oben) weckte Vorfreude auf die fünfte Jahreszeit und manch nur dürftig bekleideter Musiker – wie zum Beispiel der Schlagzeuger der US-Band DWARVES (Foto rechts) – verwechselte seinen Arbeitsplatz zur Freude des Publikums mit dem (Nackt-)Badestrand. Außerdem immer wieder gern gesehen: Strangulieren mit dem Mikrokabel (IRRITONES), Beschießen der eigenen Bandkollegen mit Klopapierstreifen (PHENOMENAUTS), Reiten auf dem Kontrabass (SLIM JIM PHANTOM) oder Stemmen von Keyboards – wieviel wiegen die Dinger eigentlich? – wie bei LORDS OF ALTAMONT und WILD EVEL & THE TRASHBONES.
Manchmal kamen wir uns alt, ab und zu jedoch noch jung vor. Wie etwa beim Auftritt der legendären DICKIES (Foto unten) im Nachtleben, als im Zuschauerraum angegrautes Haupthaar, Stirnglatzen und Geheimratsecken Hochkonjunktur hatten und wir den Altersschnitt erheblich senkten. Allerdings wurde an diesem
Abend eindrucksvoll nachgewiesen, dass im fortgeschrittenen Alter noch ordentlich gemosht wird, sowohl auf als auch vor der Bühne. Alter schützt eben vor Punkrock nicht. Hoffen wir, dass es noch lange so bleibt, die Bands aus unserer Jugend weiterhin so vital bleiben wie die Dickies, sich durch Besetzungswechsel einer Frischzellenkur unterziehen oder sich rechtzeitig unters Sauerstoffzelt begeben.A prospos Sauerstoff (oder doch eher Stickstoff?): Das Konzert mit dem dünnsten O2-Gehalt 2011 war wahrscheinlich das der MONSTERS im Ponyhof: Die Hütte voll bis unters Dach, tanzende, dicht gedrängte Leiber allerorten, die Klamotten klebten am Körper und der Schweiß tropfte von der Decke (kam mir zumindest so vor, bei gefühlten 45 Grad Innentemperatur). Aber man gönnt sich ja sonst nichts. Wer was erleben will – wie zum Beispiel die famose Show von Reverend Beat-Man und Co. – muss manchmal da sein, wo’s wehtut. Betrüblich höchstens, dass unser Haus- und Hoffotograf just an diesem Datum im Urlaub unter der Palme weilte, so dass von diesem Gig leider keine Fotos vorliegen. Falls jemand diese Zeilen liest und die ein oder andere brauchbare Aufnahme gemacht hat, bitte bei uns melden!
Nochmal Thema Ponyhof: Das kleine Venue in Sachsenhausen war zweifelsohne unser Club des Jahres: Mit den PIERCED ARROWS, den FUZZTONES (Foto unten), den schon erwähnten MONSTERS, CURLEE WURLEE, KID CONGO, SHEETAH & LES WEISSMUELLER, den METEORS, den MEZCALEROS, den
RAZORBLADES, und, und, und waren hier beinahe jeden Monat herausragende Bands für Ohr (und Auge) zu Gast. Zu meinen Highlights zählten außerdem die Auftritte der (mir) bis dato unbekannten Combos WILD EVEL & THE TRASHBONES aus Österreich, THE ORPHANS aus England und den Iren THE URGES. Die nette Tresencrew, die akzeptablen Preise und die Raucherlaubnis taten ein übriges, um sich wohl zu fühlen. Bitte weitermachen wie bisher.Auch in der Rödelheimer Au waren wir wie jedes Jahr überdurchschnittlich häufig anzutreffen: Die Favoriten 2011 dort waren einmal mehr die UK SUBS, diesmal mit den VIBRATORS als Support (letztere spielen übrigens am 17.1. im
Elfer), sowie SWINGIN’ UTTERS und die TURBO A.C.’s. Das traditionelle Sommerfest, das heuer zum 28. Mal stattfand, wartete mit toller internationaler Besetzung auf: KIEMSA (Foto links) aus Frankreich, CUTE LEPERS (USA), GEWAPEND BETON (Niederlande), DRONGOS FOR EUROPE (UK) und DANGER!MAN (Norwegen) sorgten dafür, dass es uns so gut gefiel wie schon lange nicht mehr.Immer wieder gern sind wir außerdem im Eschersheimer Elfer Music Club: Familiäre Atmosphäre, umgängliches Thekenteam und bezahlbare Preise, das gilt auch hier. Mit den ASTRO ZOMBIES, TOTAL CHAOS (Foto unten), FREEZE und den MESSER CHUPS gab es einige Bands in unseren favorisierten Musikrichtungen,
die das Kommen lohnten. Leider war es fast immer recht leer. Ich hoffe, die Publikumsresonanz verbessert sich künftig.Das Bett im Gallus hatte in diesem Jahr ebenfalls ein tolles Booking, die exponierte Lage hielt uns jedoch zuweilen vom Kommen ab. Dennoch habe ich eines der besten Konzerte des Jahres dort gesehen: die LORDS OF ALTAMONT. Junge, was gingen die ab – Schmidt’s Katze ist dagegen ein handzahmer Kater. Aber nur ein gutes Dutzend Freunde des Rock’n Roll waren Zeugen. Das gleiche gilt für die phänomenalen PHENOMENAUTS, die uns im Orange Peel in der Kaiserstraße erfreuten. Auch EDDIE SPAGHETTI war dort klasse, glücklicherweise etwas besser besucht. Ebenso erwähnen möchte ich die KAMIKAZE QUEENS (Foto unten), die im Dreikönigskeller eine Wahnsinnsshow ablieferten.
Eher selten trieb es uns dagegen ins Exzess. Binnen zwölf Monaten fanden wir uns lediglich zu den unverwüstlichen NOMEANSNO ein, aber die Kanadier waren wie immer den Gang nach Bockenheim wert. Die gute alte Batschkapp, früher ein Garant für vier, fünf brauchbare Shows pro Jahr in unseren Genres, kam diesmal auf Null Besuche. Hat wohl die Zielgruppe geändert, oder wir kennen das neue Zeugs einfach nicht mehr…
Seine Pforten geschlossen hat inzwischen leider der insolvente Sinkkasten Arts Club in der Stadtmitte. Wir haben dort 2011 die MEKONS gesehen, ansonsten war das Programm nicht so ganz unsere Kragenweite. Trotzdem wäre es schön, wenn diese Institution in der Frankfurter Livemusikszene seine Pforten alsbald wieder öffnen würde – Interessenten für die Übernahme gibt es wohl einige; mal sehen, wie die Sache ausgeht.
Sich weiter großer Beliebtheit erfreuen wird sich dagegen das Museumsuferfest. Auf der Feinstaub-Bühne traten die BLUTJUNGS auf, die wir ob ihrer spaßigen Show immer wieder gern sehen. Ebenfalls einen umwerfend lustigen Gig
absolvierten die mit Frankfurter Szenegrößen besetzten BORNHEIM BOMBS. Auch die heimischen WESTEND DESASTER und VOODOO GODZ gefielen, hatten aber aufgrund der Witterung und den frühen Anfangszeiten leider nur ein sehr überschaubares Publikum.Bestes Wetter hingegen gab’s zuweilen bei der Konzertreihe am Mainufer anlässlich der Frauen-Fußball-WM. Auf die Open Air-Bühne unter das UFO kamen unter anderem TITO & TARANTULA (Foto oben). Sie zeigten, dass ihr Desert-Rock auch vor einer Wolkenkratzer-Kulisse exzellent ankommt. Gänsehautatmosphäre.
Zu den meisten angesprochenen Shows (und noch vielen mehr) gibt es auf dieser Website inzwischen Berichte. Einige konnten wir aus Zeitgründen bisher nicht veröffentlichen, werden aber hoffentlich bald folgen. Wir freuen uns auf die kommenden Wochen und Monate, angekündigt sind wieder zahlreiche spannende Acts (siehe unter Ausgehtipps).
Habt ein gutes neues Jahr, bleibt uns auch 2012 gewogen und bis demnächst auf dieser Welle!
Text: Stefan / Fotos: Kai (7), Jan (1)