Jahres-Roundup 2012 – Teil #1

Frankfurt, 15.12.2012

Das Jahr dröppelt so langsam aus, die Konzertankündigungen der Clubs lichten sich beträchtlich und bei deren Betreibern, den Bookern und vielen Besuchern scheint eine kurze Phase des kollektiven Durchschnaufens eingetreten zu sein. Es gilt, frische Kräfte für 2013 zu sammeln. Doch bevor wir das tun, wollen wir die vergangenen zwölf Monate Revue passieren lassen. War es ein gutes (Konzert-)Jahr? Was waren unsere Tops und Flops 2012? Was tat sich in der Clubszene? Wenn Euch die – natürlich rein subjektive – Sichtweise der Rockstage-Riot-Crew zu diesen Fragen interessiert, dann lest den folgenden Beitrag; weitere Mitglieder des Teams werden in den nächsten Tagen zu Wort kommen.

Bild oben: Dead Elvis & His One Man Grave, aufgenommen am 29. September 2012 in der Bessunger Knabenschule in Darmstadt, bearbeitet 12/2012 (Klick zum Vergrößern)

Konzerte

Auf dem Adventskranz glimmen morgen schon drei Kerzen und es wird Zeit, ein Résumé zu ziehen über den Konzertjahrgang 2012, den, das nehme ich schonmal vorweg, ich als sehr gut empfunden habe. Mehr als 80 Bands habe ich zwischen Anfang Januar und Mitte Dezember gesehen und gehört.  Wer fiel auf und wer fiel durch? Die allermeisten gefielen, mal mehr, mal weniger. Einige waren herausragend, von denen soll im folgenden vornehmlich die Rede sein. Von einigen hatte ich mir mehr versprochen, auch darauf werde ich später noch eingehen.

Die kurzweiligste Show des Jahres sah ich im Oktober im Bockenheimer Exzess: ATTACK OF THE MAD AXEMAN heißen die aus Hamburg stammenden vier Jungs, die es uns nicht nur wegen ihrer schicken pyrotechnischen Effekte warm ums Herz werden ließen. Die als Eule, Biene, Schnecke und Schildkröte verkleideten Grindcore-Jünger machten dermaßen Alarm, dass man gar nicht mehr wusste, wo man mit seinem Blick verharren sollte. Was für ein Spektakel! Musikalisch war das zwar nicht so mein Ding, aber vom Unterhaltungswert wohl nicht zu toppen.

Sowohl vom Geschehen auf der Bühne als auch vom guten Sound hervorzuheben ist der Auftritt von BIG JOHN BATES im Ponyhof – der Verzicht auf die Burlesque-Girls hat der Show allen Unkenrufen zum Trotz nicht geschadet, im Gegenteil. Allein, was das neue Bandmitglied Brandy Bones (links) am und mit ihrem Kontrabass anstellt, war Entertainment genug. Ein weiteres Konzert mit Wohlfühlfaktor war für mich das der LOMBEGO SURFERS im DKK, denn das sind nicht nur hervorragende Musiker, die ihr Handwerk verstehen, sondern auch grandios nette Jungs, mit denen man nach dem Gig noch gemütlich plauschen kann.

Gleiches gilt für Dick Lucas, der beim Au-Sommerfest mit seinen SUBHUMANS vielen jüngeren Kollegen vormachte, was einen guten Frontmann

auszeichnet: die Stimme, die Leidenschaft und die unbändige Energie, gelebten Punkrock zu jeder einzelnen Sekunde  authentisch rüberzubringen. In dieselbe Kerbe schlagen die aus New York City stammenden STAR FUCKING HIPSTERS (rechts oben), die mit ihrem intensiven HC/Punk/Ska- Crossover und Stücken wie „Until We’re Dead“ den Au-Keller im August zum Erzittern brachten und bei mir ebenso für erhöhte Endorphinausschüttung sorgten wie an gleicher Stelle einen Monat zuvor die ADOLESCENTS.

Auch für die Freunde des Psychobilly hatte 2012 das Rhein/Main-Gebiet viel zu bieten: Meine Favoriten waren die SICK SICK SINNERS, die ich bis zu deren Auftritt im DKK nicht kannte, aber nun weiterverfolgen werde. Größere Namen gaben sich ebenfalls ein Stelldichein: GUANA BATZ, die METEORS (links) und DEMENTED ARE GO mit der frisch veröffentlichten Hammerscheibe „Welcome Back to Insanity Hall“ waren allesamt im Bett zu Gast, die PEACOCKS und CREEPSHOW (mit neuer Sängerin) überzeugten im Nachtleben, die ASTRO ZOMBIES im Ponyhof. Nicht zu vergessen DEAD ELVIS & HIS ONE MAN GRAVE, der in der Bessunger Knabenschule (DA) abging wie das vielbeschworene Zäpfchen.

Verabschieden musste sich die Fangemeinde von BLITZKID, die sich auflösen werden und noch einmal – bei den Hellnights im Nachtleben – auf der Bühne richtig die Sau rausließen. Ein (denk-)würdiger Abschiedsgig, den man in guter Erinnerung behalten wird. Gerne wiedersehen werden wir dagegen die BLOODSUCKING ZOMBIES FROM OUTER SPACE (rechts), die wir 2012 gleich zweimal erlebten, denn sie gastierten sowohl bei den Hellnights im Oktober als auch im April im Elfer Music Club.

Dass unsere lokalen Bands sich nicht zu verstecken brauchen, zeigten unter anderem Abende mit BLACK ANGUS im Backstage und mit den BORNHEIM BOMBS beim Backstage Jubiläums-Open Air. Bei dieser liebevoll organisierten Veranstaltung spielte auch meine Neuentdeckung der heimischen Region, die

NEW YORK WANNABES aus Darmstadt. Das Duo (Gitarre/ Gesang und Schlagzeug) vermag mit seinem ebenso brachialen wie intelligenten Sound und dem manischen Gesang das Publikum in seinen Bann zu ziehen.

Zuletzt erwähnen möchte ich noch ein paar ältere Semester, die den Spirit des Rock’n Roll wohl mit ins Grab nehmen werden: Da waren zum einen die Rock-Dinosaurier THIN LIZZY, die im Juli gleich mehreren Generationen von Fans in der prall gefüllten Batschkapp viel Freude machten. Zum anderen WANDA JACKSON, die im Orange Peel eindrucksvoll Zeugnis ihrer 60-jährigen Bühnenerfahrung ablegte. Beide tollen Konzerte verbuchen wir in der Kategorie LLL – Lebende Legenden Live.

Echte Enttäuschungen waren im fast abgelaufenen Jahr rar. Klar, manche Band hat man auch schon mal besser gesehen. Von JONATHAN RICHMAN im Zoom hatte ich mehr erwartet; ebenso von den AVENGERS, die mich nicht mitreißen konnten. Die Mädels von AS DIABATZ wirkten im DKK zum Ende der Tour etwas ausgepowert und UK SUBS hätten (nach prima Support von T.V. SMITH) quantitativ noch eine Schippe drauflegen können. Ebenso THE OTHER bei den Hellnights, allerdings etwas ausgebremst von technischen Problemen.

Aber beide letztgenannten haben ja schon im Januar und Februar wieder eine Gelegenheit, diese Scharten auszuwetzen. Womit sich der Bogen schließt: Machen wir nun einen Haken ans alte Jahr, und blicken wir nach vorn. Auch 2013 wird wieder spannend, erste vielversprechende Termine stehen schon fest. Wer mag, begleite diesen Blog durch die kommende Zeit – wir werden weiter versuchen, die interessantesten Gigs in Wort und Bild festzuhalten.

Clubs

Hier fange ich mal mit dem Negativen an: Die Enttäuschung des abgelaufenen Jahres war für mich zweifelsohne das Zoom, Nachfolger des Sinkkastens. Für mich hat der Laden nach Umbau und Besitzerwechsel an Identität und Charme verloren, sieht jetzt rein optisch aus wie ein Club von der Stange. Dazu kamen die Probleme mit dem Sound. Beim Konzert von NICK WATERHOUSE, einem der ersten Gigs in der „neuen“ Location, funktionierte die Anlage noch fehlerhaft. Inzwischen sind die Probleme wohl gelöst, aber man scheint dazu übergegangen zu sein, den Besuchern zu demonstrieren, wie gut nun alles funzt, indem man die Regler unverhältnismäßig nach oben schiebt. Beim Auftritt von WOVEN HAND war es so laut, dass sich nicht nur in verschiedenen Internet-Foren die Kritik häufte. Ich war selbst vor Ort und kann das bestätigen; ich sah Leute im Publikum, die sich – über die gesamte Dauer des Konzerts – die Finger in die Ohren steckten. Dem Rest lugten verschiedenfarbige Stöpsel aus den Ohrmuscheln, ohne die man sich gleich einen HNO-Termin hätte geben lassen können. Kann das der Sinn der Sache sein? Rockmusik darf, ja muss sogar laut sein, aber sie sollte dem Publikum nicht gleich das Gehör wegblasen.

Außerdem machte ich im Zoom die unerquickliche Erfahrung,  dass unserer Gruppe nach dem Gig von JONATHAN RICHMAN zwar gern noch eine Runde Getränke an der Theke verkauft wurde (und die Preise sind ja auch nicht gerade drollig), wir aber unmittelbar danach aufgefordert wurden, das Etablissement umgehend zu verlassen, weil man schließen wollte. Ich meine, wenn der Tresen bis zur letzten Minute offen gehalten wird, sollte den Gästen wenigstens Gelegenheit gegeben werden, die Getränke auch halbwegs in Ruhe zu leeren. Wir wurden dann nach einem kurzen mündlichen Zwist mit dem genervten Manager tatsächlich rausgekehrt und mussten auf der Zeil austrinken. Wohl gemerkt, das ganze spielte sich nicht um drei Uhr morgens ab, sondern noch weit vor Mitternacht. Hier kam ich mir nicht wie ein Gast, sondern wie ein – Hauptsache: zahlender – Kunde vor. Wenn das Zoom der neue Stern an Frankfurts Clubhimmel sein soll, dann Gute Nacht Marie.

Meine – leider undotierte – „Goldene Ananas“ für die Location mit dem höchsten Wohlfühl-Faktor geht 2012 an den Sachsenhäuser Dreikönigskeller: In dem Gewölbe an der Färberstraße, wo King Elvis noch immer mit einem kleinen Altar gehuldigt wird, spielten in diesem Jahr wieder zahlreiche interessante Acts. Sowohl aus dem Rockabilly-Bereich (u. a. die SICK SICK SINNERS, AS DIABATZ, THE WOLFGANGS) als auch aus anderen Genres, stellvertretend seien hier die LOMBEGO SURFERS, THE OMENS oder HEINRICH XIII & THE DEVILGRASS PICKERS genannt, dürfte da für jeden was dabei gewesen sein. Dazu die heimelige Atmosphäre, Sitzgelegenheiten und Raucherlaubnis, für mich passte im DKK alles.

Als persönlich beste Neuentdeckung würde ich die Bessunger Knabenschule in Darmstadt bezeichnen. Ich hatte den Weg dorthin bisher entweder aufgrund von nicht allzu günstiger öffentlicher Verkehrsanbindung gescheut oder gar nicht erst mitbekommen, wer dort gastierte. In den vergangenen Monaten hatten wir u. a. bei den Gigs von DEAD ELVIS und von BOB WAYNE dort eine prima Zeit: Ein kleiner Club, in dem der berühmte Funke sofort überspringt, ein nettes Thekenteam und mehr als faire Preise runden das Ganze ab.

Auch in Au und Exzess, den unkommerziellen Dauerbrennern des musikalischen Undergrounds in Frankfurt, war wieder viel los: Wie gewohnt bestes Programm zum günstigen Kurs für alle Punk- und Hardcore-Liebhaber/innen. Danke sehr. Liebgewonnene Traditionsveranstaltungen, wie zu Beispiel das Au-Sommerfest oder die Flohmärkte für Vinyl und „All the Trash you need“ im Exzess, sind das i-Tüpfelchen im Angebot der beiden alternativen Venues und erhielten auch anno 2012 erfreulicherweise die gebührende Resonanz des Publikums.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich einige weitere Clubs, in denen wir häufiger zu Gast waren und die feine Konzerte ausrichteten: Das Bett, der Ponyhof, der Elfer und das Orange Peel. Manchmal nur mäßig besucht, erlaubt doch eine Mischkalkulation den Betreibern, auch mal die ein oder andere kaum bekannte Band auftreten zu lassen. Das Geld kommt dann eben an anderen Abenden mit den zugkräftigeren Namen rein. Ich hoffe, dass dieses Konzept auch weiter beibehalten wird, denn nicht zuletzt von den jungen, frischen und noch nicht arrivierten Acts lebt ja diese Szene, die uns soviel Spaß macht. Wir sehen uns wieder, in 2013…

Text & Fotos (5): Stefan / Fotos (9): Kai

Wie fällt Euer Fazit zum Konzertjahr 2012 aus? In welchen Clubs habt Ihr Euch gern aufgehalten? Was waren Eure positiven oder negativen Erlebnisse? Postet Kommentare, wenn Ihr mögt…

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