Frankfurt, 18.12.2012
Hier kommt der zweite Teil unseres Jahresrückblicks 2012, diesmal haben Micha und Jan vom Rockstage-Riot- Team ihre Gedanken zur abgelaufenen Konzertsaison zusammengetragen. Kollege Jan berichtet über das halbe Jahr, das er in Frankfurt zubrachte, inzwischen hat er sich ins Ausland abgesetzt und beobachtet das bunte musikalische Treiben im Rhein/Main-Gebiet aus sicherer Entfernung, genauer gesagt aus Manchester im Norden Englands. Wie schon bei Teil #1 gibt es zu (fast) jedem erwähnten Konzert einen Bericht in diesem Blog – zu finden über die Seite Liste, die Suchfunktion oder die Tags in der rechten Sidebar – und die meisten Bilder lassen sich wie gewohnt per Klick vergrößern.
Bild oben: Slim Cessna’s Auto Club, aufgenommen am 19. Januar 2012 in Das Bett, Frankfurt, bearbeitet 12/2012
Konzerte
36 Konzerte werden es am Ende des Jahres bei mir wohl gewesen sein. Das ist ein ganz guter Schnitt, mehr waren es bei mir nur in den Neunzigern, als ich als Musikjournalist öfter mal auf der Gästeliste stand. Dass ich mir dieses Jahr soviel leisten konnte lag auch daran, dass ich ein halbes Jahr lang mehr arbeiten und dadurch mehr Kohle empfangen durfte (was mich jedoch streckenweise auch so sehr erschöpfte, dass ich mindestens fünf Konzertbesuche kurzfristig ausfallen ließ). Highlights dabei? So einige. So war der Auftritt von SLIM CESSNA’S AUTO CLUB im Januar im Bett ein schweißtreibender Abend der Extraklasse, der einige CD-Bestellungen nach sich zog.
Ein wenig ruhiger, aber ebenso begeisternd die Folk-Ladies FIRST AID KIT, die einen Monat später die Brotfabrik füllten und durch eine Tour im Vorprogramm von Jack White demnächst wohl größere Hallen ansteuern. Ein Highlight im März war der Duo-Auftritt von
YOUN SUN NAH & ULF WAKENIUS in der Darmstädter Centralstation. Die südkoreanische Vokalvirtuosin und der schwedische Jazz-Gitarrist mit der ausgeprägten Metalvorliebe bezauberten das Publikum mit so nie gehörten Versionen von „Enter Sandman“ (Metallica) oder „Same Girl“ (Randy Newman) und hatten für jeden Gast noch ein Schwätzchen am Merchstand parat (der in diesem Fall „nur“ Tonträger feilbot – von Jazzern gibt es nicht unbedingt Leibchen wie von Metalmusikanten).Im Metalbereich war, was meine körperliche Ertüchtigung angeht, AURA NOIR (oben & unten) im Oktober in der Räucherkammer des Schlachthofs Wiesbaden das Highlight. Viel Platz und damit das Gegenteil der Freitagsveranstaltungen
in der Batschkapp (dazu später mehr). Sonstige Tops: SOLSTAFIR und PRIMORDIAL auf dem Paganfest in Gießen (März), das „Sky High“- Festival im Bett (Oktober) sowie das „Hammer of Doom“- Festival in Würzburg (November). Flops: THE GASLIGHT ANTHEM in der Frankfurter Jahrhunderthalle, die sich von einem äußerst inspirierten DAVE HAUSE im Vorprogramm an die Wand spielen lassen mussten. Ruht euch mal aus Jungs, so bringt das nichts.Das großartigste Event aber (und da hat der Mann scheinbar ein Abo drauf): BRUCE SPRINGSTEEN & THE E-STREET BAND im Mai in der Commerzbank-Arena. Oh ja, Veranstaltungen dieser Größe saugen, aber wenn irgend jemand Eintrittspreise um die 80 Euro rechtfertigt, dann der Boss, der mit seiner Kombo fast vier Stunden amtlichst die Sau rauslässt, teilweise auf Zuruf spielt und von seinen Mitmusikern deswegen ein Höchstmaß an Flexibilität voraussetzt (und damit auch den Besuch mehrerer Konzerte wünschenswert macht, so man es sich leisten kann). Nächstes Jahr unter anderem in Mönchengladbach, ich bin dabei 🙂
Clubs
Wenn dort mehr gescheiter Metal stattfinden würde, dann wäre Das Bett in Frankfurt mein absoluter Lieblingsclub. Americana, Neo-Psych, Psychobilly, Electrokram: Alles da, alles toll. Aber Metal? Da gab es außer CREMATORY noch nicht viel, und die mag ich nicht. Aber Metal mögen die Bett-Betreiber
vielleicht ja auch nicht. Dabei gibt es gerade im Black Metal so viele großartige Bands, die aber entweder im für mich (mangels Auto) unerreichbaren Steinbruch-Theater in Darmstadt spielen oder ganz selten mal in der Räucherkammer (oben) in Wiesbaden, auch ein großartiger Laden, nebenbei. Aber jetzt wird der umgebaut und ist erst mal dicht, mal sehen, was uns da nächstes Jahr erwartet.Fertig ist die neue Haupthalle des Schlachthofs, die harrt aber noch meines Besuches (meine Premiere: HATEBREED & AGNOSTIC FRONT im Januar 2013). Ebenso geschätzt von mir wird die Centralstation in Darmstadt, die aber nicht öfter als fünf Mal im Jahr von mir besucht wird. Einige großartige Bands wie zum Beispiel MOTORPSYCHO wechseln immer zwischen CS und Mousonturm, sind auf dieser Tour hier, auf der nächsten dort. In der CS gibt es auf jeden Fall das bessere Bier, technisch aufgerüstet ist nun auch der Mousonturm und begegnet der CS, was Licht, Sicht und Sound angeht, auf jeden Fall auf Augenhöhe.
Die größte Schnittmenge zwischen Angebot und meinem Geschmack gibt es mit der Batschkapp (unten); das ist seit 30 Jahren so und wird sich wohl nie ändern. Allerdings ist hier der Ärger auch am größten, denn wenn die Kapp ausverkauft ist, dann ist sie zu voll. Punkt. Vielleicht läuft das ja alles noch legal ab, was weiß
denn ich, aber die Unmöglichkeit, bei ausverkauften Veranstaltungen Toiletten oder die Bar zu erreichen ist eine Zumutung, dass sich alles vor dem Eingang versammelt und einige manchmal gar nicht mehr reinkommen können ist eine Frechheit. Klar, direkt vor der linken Box ist immer ein wenig Platz. Aber entweder man bleibt da den ganzen Abend und verzichtet aufs Pinkeln oder man schaut nur der Vorgruppe tief in die Augen. Naja, bei einigen Konzerten reicht das ja. Und die Unsitte, an Discotagen Konzerte extrem früh anzusetzen, evtl. eine Vorgruppe zu canceln und das Volk um 22 Uhr auf rabiateste Weise rauszukehren, saugt. Beträchtlich.Getoppt wird das gesundheitsgefährdende Gequetsche nur noch von einer Spielstätte: Der ausverkauften Stadthalle Offenbach. Dieses Jahr musste ich das zum Glück nur einmal ertragen (bei MOTÖRHEAD). Ein Bierstand auf der anderen Hallenseite ist vorhanden, Toiletten dagegen nicht. Vor einigen Jahren war ein separater Zugang zur Garderobe hinter dem Mischpult geöffnet, was den Weg zum Klo um etwa eine halbe Stunde verkürzte. Wieso ist der jetzt eigentlich immer zu? Die Stadthalle bedeutet bei ausverkauften Konzerten: Entweder, man bleibt am Eingang und sieht nichts, oder man verzichtet auf eine Vorband weil der Weg zum Klo eine Eventreise darstellt. Nervt.
Ansonsten freute ich mich über den soliden Colos-Saal (sensationell gutes Bier, gutes Old-School-Programm), das ebensolche Nachtleben und der von mir selten, aber gern aufgesuchte Elfer (unten). Im Ponyhof treten auch ständig Bands auf, die ich mag, aber da war ich noch nicht, wohl der Raucherlaubnis wegen. Obwohl
das Rauchverbot in anderen Läden auch kaum noch durchgesetzt wird, was mir schwer auf den Zeiger geht, da ich nach jedem Konzert wieder genauso stinke wie zu meinen Raucherzeiten. Löbliche Ausnahme hier wieder: die Centralstation. Und zum Abschluss ein Laden, der mich richtig schärft: St. Peter in Frankfurt, die Kulturkirche. Dieses Jahr bei OPETH von mir erstmals besucht, habe ich nicht mit so einem technischen Wunderwerk in diesem alten Gemäuer gerechnet. Teufelsbild an der Wand & Kreuz auf dem Becher, sehr skurril, das Ganze. Es bleibt spannend.Text: Micha / Fotos: Micha (3), Kai (5), Marcus (1)
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Konzerte
Ich lege mich ja ungern fest, aber wenn ich es müsste, würde ich sagen, dass mein bestes Konzerterlebnis 2012 in Frankfurt der Auftritt der PEACOCKS im Mai im Nachtleben war. Es war (mal wieder) so richtig schön heiß und laut, und gut gefüllt noch dazu. Die Schweizer sind live genial, und das vor allem halt in kleineren Läden wie dem Club an der Konsti. Super auch, dass ich trotz meiner Bemühungen, nicht als Backstagehure angesehen zu werden, diesmal sogar auf der Gästeliste stand. Weniger super allerdings, dass ich davon nichts wusste und mir die Jungs das erst nach dem Gig verklickerten, als ich die 15 Euro schon berappt hatte. Wie gesagt, keine Hure.
Und wo wir gerade beim Thema sind, beziehungsweise dem Sohn einer solchen, kann ich auch mein persönliches Gig- Negativerlebnis (neben der Absage der SONICS sowie der BRAINS) in diesem Jahr anbringen: DEMENTED ARE GO (links) im Bett, das war im März. Nur können die braven DAG-Leute gar nichts dafür, sondern vielmehr besagter Hurensohn, der meinte, mit einer Bierflasche in der Hand ‚wrecken‘ zu müssen. Die ging dann natürlich zu Bruch, und die Scherben feuerte der Depp in die Menge. Genauer gesagt auf meine Hand. Somit habe ich etwa 20 Minuten des Konzerts damit verbracht, in der Ecke zu sitzen, meine Blutung zu stillen und zu versuchen, nicht ohnmächtig zu werden. Na ja, immerhin habe ich ein paar Songs noch mitbekommen, und außerdem Demented letztens hier in Manchester noch mal mit komplettem Set gesehen. War prima, und es gab Dosenbier.
Mittlerweile bin ich halt wieder auf der Insel, aber in dem guten halben Jahr in Frankfurt habe ich doch einige besagter rockender Gigs mitnehmen können. Besonders in Erinnerung sind mir dabei außer den PEACOCKS unter anderem BLUE ROCKIN‘, A PONY NAMED OLGA (oben), die PUTA MADRE BROTHERS, die MESSER CHUPS, die NEW YORK WANNABES und THE CREEPSHOW geblieben. Muss mal wieder rüberkommen…
Clubs
Unter den Clubs bekommt der Ponyhof von mir den Feelgood-Factor-Preis 2012. Da habe ich mich einfach immer am wohlsten gefühlt: schön eng, schön rauchig und sehr entspannt. OK, man muss aufpassen, dass man nicht die Stufen vor der Bühne übersieht und runterknallt, aber dafür ist das Herrenklo super gelegen, zum Pinkeln und als Abkürzung. Dass die auch schon mal von Damen eingeschlagen wird, finde ich auch prima. Und ansonsten meine ich halt, dass im Ponyhofclub recht viel Interessantes angeboten wurde. Die DJs vor und zwischen den Bands waren immer bestens (was nicht überall der Fall ist!). Und den Flaschenpfand, diese urdeutsche Abart, kann ich dann ebenfalls verkraften.
Ähnlich positiv fällt mein Resümee zum Dreikönigskeller aus, halt auch sehr klein, ziemlich verraucht und gemütlich mit rutschigen Treppen. Bier ist auch gut, vorausgesetzt man kriegt eins und der Barkeeper ist nicht gerade mal unauffindbar. Dann wären da noch Elfer und Nachtleben, wo die Vibe meistens gut war. Den Elfer habe ich allerdings nur selten mal gut gefüllt erlebt. Das Nachtleben schon, und dort ist die Bühne natürlich schon einen Hau größer und besser einsehbar. Was ich am Nachtleben auszusetzen habe, ist die Informationspolitik und diese seltsame Batschkappwebsite. Verwirrend!
Dann fallen mir noch zwei Läden ein, wo ich zwar gute Acts gesehen habe, die ich aber als weniger gemütlich als zuvor genannte empfinde: Das Bett ist leicht ‚hallig‘ (im Sinne von Halle, nicht Hall, obwohl das manchmal auch zutrifft), und im Sommer ist das Bier zu warm! Orange Peel ist mir zu geleckt, Stimmung kommt da nicht so schnell auf. Also, Glückwunsch meinerseits in die Klappergass!
Text: Jan / Fotos: Jan (2), Kai (3), Stefan (1)
Wie fällt Euer Fazit zum Konzertjahr 2012 aus? In welchen Clubs habt Ihr Euch gern aufgehalten? Was waren Eure positiven oder negativen Erlebnisse? Postet Kommentare, wenn Ihr mögt…