Frankfurt, 28.12.2018
Und hier geht es schon weiter mit unseren Jahresrückblicken. Den zweiten Teil verfasste Stefan.
Wenn die lärmerprobten (oder genauer: -geschädigten) Ohren so klingeln wie die Weihnachtsglocken wird es höchste Zeit, das abgelaufene Konzertjahr nochmal abschließend zusammenzufassen, ein wenig zur Ruhe zu kommen und für die kommenden zwölf Monate im Hinblick auf die Quantität der besuchten Events Mäßigung zu geloben. Es waren mal wieder a hell of a lot Shows, die ich mir 2018 angesehen habe: insgesamt 120 Bands an 70 Abenden (okay, eine von rund tausend Menschen besuchte Lesung eines Rockstars habe ich dazu gezählt, auch dazu später mehr). Zuviele? Manches war sicherlich verzichtbar, aber das meiste musste man einfach miterleben, wenn man begeisterter Konzertgänger und Musikfan ist. Wer an jeweils kurzen Abrissen über die spannendsten Gigs von Januar bis Dezember und einer anschließenden kleinen, subjektiven „Hitliste“ meiner Favoriten des Jahres interessiert ist, sei herzlich eingeladen, die folgenden Zeilen zu lesen und die eingefügten Fotos und Videoclips anzuschauen.
Bild oben: Doug Kane von THE GENERATORS, aufgenommen am 11. Mai in „Das Bett“, bearbeitet 12/2018 (Klick zum Vergrößern)
Das neue Jahr begann mit einem Schock: Jonny P. Jewels, Sänger der US-amerikanischen Punkrocker P.R.O.B.L.E.M.S., wurde am Neujahrstag tot aufgefunden. Ende Oktober 2017 hatte ich die Band noch gesehen (Bericht hier), es war die erste Tour des Quintetts mit Jewels. Er wurde nur 33 Jahre alt. Über die Todesursache ist bis heute nichts Verlässliches herauszufinden. R.I.P. Highlight des Auftaktmonats 2018 war das Gastspiel der Garage-Rocker THE SONICS im ausverkauften Kesselhaus des Wiesbadener Schlachthofs. Gegründet 1960, also heute bereits seit 58 Jahren bestehend (!), befindet sich noch immer ein
Rob Lind von The Sonics im Schlachthof, Wiesbaden, 31. Januar
Gründungsmitglied in der Combo: Rob Lind am Saxophon. Unglaublich. Darüber hinaus war am Keyboard ein alter Bekannter zu erleben: Jake „The Preacher“ Cavaliere, Sänger und Organist der LORDS OF ALTAMONT – jener Band, die im Mai 2011 im Frankfurter Club „Das Bett“ aufschlug, nur ein Dutzend Besucher vorfand und sich seitdem leider nie wieder hier sehen ließ.
Der Februar sollte einer der besten Konzertmonate des Jahres werden: Den Anfang machten die Berliner Psychedelic-Rocker WEDGE, die ihrem ausgezeichneten Ruf – diesmal im Feinstaub – alle Ehre machten. Power-Trio. Ebenfalls gut gefielen die Franzosen THE IRRADIATES, die im Dreikönigskeller bewiesen, dass Surf durchaus keine langweilige,
Henhouse Prowlers im Feinstaub, Frankfurt, 23. Februar
sondern (mit einem Schuss Punk) eine extrem schweißtreibende Angelegenheit sein kann. Danach folgten zwei Gigs, auf die ich später bei meinen „Top Ten“ noch näher eingehen möchte. Und zu guter Letzt gaben sich noch die unfassbar virtuosen Bluegrass-Picker HENHOUSE PROWLERS aus Chicago ein Stelldichein in Frankfurt, wiederum im Feinstaub. Große Klasse – wie die Finger dieser Jungs über die Saiten flitzen, ist immer wieder ein Schmaus für Augen und Ohren.
Gypsy Ska Orquesta im Orange Peel, Frankfurt, 9. März
Im März sah ich zwar quantitativ viele Bands (zehn an der Zahl), erwähnen möchte ich jedoch nur drei (und eine weitere unten bei den „Best of“). Erstens: PANIKRAUM. Deutscher Punk jenseits tumben Gebrülls, intelligent von Text und Melodie. Das wussten die Gäste im Exzess ebenso zu schätzen wie ich. Zweitens: Das GYPSY SKA ORQUESTA. Das Musikerkollektiv aus Venezuela ist verhältnismäßig häufig im Rhein/Main-Gebiet zu sehen, aber was die vielköpfige Formation da mit ihrem „Balkan Ska Jazz Cumbia Swing“ stets an Party abfeiert, ist immer wieder ein Erlebnis der Güteklasse A. Diesmal rockten die Jungs aus Südamerika das Orange Peel (im September dann noch einmal „Das Bett“). Die letzten Stücke des Sets fanden inmitten des Publikums statt, und das war in dem gut besuchten Club im Bahnhofsviertel ein Bohei sondergleichen. Drittens: THE DEAD BROTHERS. Die Genfer Combo hat sich ebenfalls einer Melange unterschiedlichster Musikstile verschrieben, namentlich Country, Blues,
The Dead Brothers im Zoom, Frankfurt, 20. März
Rockabilly, Chanson und Folk. Das Ganze wird dann noch durch den Einsatz von Licht und skurrilen Kostümen zu einem besonderen Genuss. Auch die Show im Zoom fand – Duplizität der Ereignisse – ihren Abschluss vor der Bühne und inmitten der Fans, wie im folgenden Videoclip zu sehen:
Anfang April galt es in “Das Bett” erst einmal den Schreck zu überwinden, dass die russischen Horror-Surfer MESSER CHUPS nun ohne die allseits geschätzte Bassistin Zombierella auftreten und das brünette gegen ein blondes Gift namens Draculina ausgetauscht haben. Letztere kann ihrer Vorgängerin aber (noch?) nicht das Wasser reichen. In den folgenden Tagen präsentierten sich
Neighborhood Brats im DKK, Frankfurt, 12. April
zwei absolute Powerfrauen auf Frankfurter Bühnen: Jenny Angelillo von den NEIGHBORHOOD BRATS ließ im Dreikönigskeller ebenso die Sau raus wie Olga von den SVETLANAS in der Au. Zwei großartige Konzerte mit Schwitzfaktor Zehn. Am Ende des Monats gaben sich wieder einmal die FLESHTONES die Ehre, diesmal im Yachtklub. Wer die Amerikaner schon einmal gesehen hat, weiß, dass es einem durch
Fleshtones im Yachtklub, Frankfurt, 25. April
ständiges Um-sich-selbst-drehen ganz schön schwindelig werden kann… Prima Entertainment in schönem Ambiente. Auch der Support von LISA MELISSA & THE MESS beeindruckte, vor allem durch die tolle Stimme der Sängerin. Eine Stimme der besonderen Art ist auch TODD DAY WAIT eigen, der nach einem Solo-Auftritt im Feinstaub 2017 im Folgejahr den DKK samt Begleitband PIGPEN und seinem Jodel-Country besuchte. Bizarr.
Todd Day Wait’s Pigpen im DKK, Frankfurt, 28. April
Im Mai konnten mich nicht viele Konzerte anlocken. Allerdings sah ich mein erstes (und bisher einziges) Konzert in der neuen Batschkapp. Mit THE DAMNED hatte ich sicherlich keine schlechte Wahl getroffen. Auch fand erneut die Rödelheimer Musiknacht statt, bei der ich mir jedoch in diesem Jahr die ganz große Rumrennerei ersparte und es bei Besuchen der
The Damned in der Batschkapp, Frankfurt, 17. Mai
Irish-Folk-Band BLUE BLISTERING BARNACLES und der Ska-Combo FRIENDLY FIRE bewenden ließ. Immer wieder eine nette Veranstaltung, bei schönem Wetter und unter freiem Himmel kaum zu toppen. Von einem weiteren Gig im Wonnemonat Mai wird weiter unten im Countdown der besten Zehn noch die Rede sein.
Reich an guten Shows war dagegen der Juni. Er begann mit den brasilianischen Rockabillies LUIZ FIREBALL & THE GOOD LOOKIN’ BOYS im Dreikönigskeller. Die Jungs sahen zwar – was auch die anwesenden Damen bestätigten – nicht ganz so gut aus wie gedacht, spielten dafür aber umso besser.
Luiz Fireball im DKK, Frankfurt, 1. Juni
Das Line-Up des Sommerfestes in der Au hatte für mich von sechs Bands immerhin zwei Volltreffer zu bieten: THE BELLRAYS überzeugten auf ganzer Linie (manche Besucher waren nur für den Auftritt der Kalifornier auf dem kleinen Festival erschienen), noch mehr Spaß machte mir der Auftritt von… Ach, lest das am besten weiter unten bei den Top Ten des Jahres nach. Außerdem im Juni: Die reformierten L7 rockten das Frankfurter Zoom, und das war überaus sehens- und hörenswert.
Der Juli hielt eines der schwächsten Konzerte des Jahres bereit: Den Blues-Folk-RnR-Soul-RnB der MEMPHIS HELLCATS im Yachtklub musste sich schön trinken, wer immer dazu an einem Mittwochabend in der Lage war. Ebenfalls partiell enttäuschend war der Auftritt der Hardcore-Altmeister SLAPSHOT im Nachtleben. Der Gig war über weite Strecken in Ordnung, aber wie kann man denn den Titelsong des gerade betourten neuen Albums („Make America Hate Again“) nicht spielen? Noch dazu, wenn das ein absoluter Hammer und der beste Track jener Scheibe ist? Gehts noch?
Slapshot Europe Tour 2018
Immerhin präsentierten sich die Bostoner um Frontmann Jack Kelly in guter Form und mit gewohnter Aggro-Attitüde. Das gleiche gilt, allerdings mit Abstrichen, auch für THE DWARVES, die im Kesselhaus des Wiesbadener Schlachthofs andockten. Schade, dass Gitarrist Hewhocannotbenamed nicht mit von der Partie war, irgendwie fehlt (mir) dann was. Immerhin wartete das Line-up unserer Lieblingszwerge mit Nick Oliveri am Bass auf. Den Deckel machten im Juli schließlich M.D.C. mit Dave Dictor in der Au drauf. Ein Monat mit klingenden Namen aus dem Genre HC/Punk, die sich da in unserem Einzugsgebiet die Klinke in die Hand gaben.
August – die heißeste Zeit im ohnehin glühenden Supersommer 2018. Da sollte man ja in einem unterirdischen Club wie dem Dreikönigskeller gut aufgehoben sein, sollte man meinen. Dem ist bestimmt auch so – wenn nicht gerade ein gut besuchtes Konzert jener Band ansteht, auf die ich später bei den Top Ten näher eingehen möchte. Ebenfalls heiß, aber wenigstens
Revolte Tanzbein beim Feinstaub-Sommerfest, Frankfurt, 4. August
an der frischen Luft wars beim Sommerfest im Hinterhof der beliebten Kneipe Feinstaub. Die Ska-Combo REVOLTE TANZBEIN lud zum Verweilen, und das war eine feucht-fröhliche Angelegenheit. Auch die Weseler Werft hatte im Zelt am Mainufer musikalisch wieder das ein oder andere Highlight zu bieten. EMBRYO begeisterte das Publikum mit ihrem Jazz-Rock-Ethno-Crossover. Mein Ding ist das nicht unbedingt, aber spannend sind die Auftritte des Kollektivs allemal. Neben
Mad Sin in „Das Bett“, Frankfurt, 31. August
Highspeed-Punkrock von DITCHES und FRIDAYS PROPHETS im DKK hatte der abwechslungsreiche Monat auch noch Psychobilly zu bieten: MAD SIN um Frontmann Köfte de Ville schauten in „Das Bett“ vorbei. Und wer die Berliner mal erlebt hat, der weiß, dass die Band ein Garant für tolle Live-Shows ist.
Der September begann verheißungsvoll und auch im Verlauf des Monats waren keinerlei Ausfälle zu verzeichnen: Gleich zu Beginn spielte das „Doombilly“- Quartett DARK BOTTLE aus Finnland nicht nur unter freiem Himmel, sondern sogar unter Apfelbäumen auf. Schon seit einiger Zeit werden feine Acts im Bereich
Dark Bottle auf dem Obsthof, Frankfurt, 2. September
Country/Bluegrass und Artverwandtem ein paar Mal im Jahr auf den Obsthof am Steinberg in Frankfurt eingeladen, um sich nachmittags zu präsentieren. Lohnt immer wieder die Anfahrt. DARK BOTTLE konnten dann am Abend noch einmal erlebt werden, nämlich im Dreikönigskeller. Genau dort wohnte ich wenige Tage später dem nunmehr dritten Besuch des vielreisenden Amerikaners ABSTRACT ARTIMUS bei, der diesmal statt als Solist gemeinsam mit Band rockte (mindestens genauso gut) und außerdem den inoffiziellen Preis für das originellste T-Shirt gewann: Rambo machts möglich.
Abstract Artimus im DKK, Frankfurt, 8. September
Weniger spaßig fand ich den doch recht tumben Humor der britischen Oi-Combo HARD SKIN, die in der fast ausverkauften Au das Publikum bespaßte. Musikalisch war das zwar okay, doch irgendwann wurde ich der zotigen Witze des Trios müde („Do you like sausages in you?“) und verzog mich nach draußen. Sehr gut gefiel mir hingegen der Support der Engländer: JOSEPH BOYS aus Düsseldorf. Die Jungs spielen einen arty Punk mit deutschen Texten, durchdacht und originell präsentiert. Würde ich gern mal als Headliner oder mit ähnlichen Bands wie FRONT sehen. Außerdem erwähnenswert im September: Die US-amerikanische Songwriterin KATE VARGAS, die mit Unterstützung zweier „RECKLESS SISTERS“ den Hafen 2 in Offenbach
Kate Vargas & the Reckless Sisters im Hafen 2, Offenbach, 16. September
beschallte. Etwas Besseres habe ich lange nicht dort gehört. Tolle Stimme, düstere Folk- und Americana-Songs, und das alles bei schönstem Sommerwetter für „Eintritt frei mit Hut“. Man hätte keine bessere Wahl treffen können. Auch „Das Bett“ hatte noch eine Perle im Angebot: THE MORLOCKS aus Kalifornien zelebrierten mit Frontmann Leighton Koizumi ihren Garage-Rock zwar vor nicht allzu viel Publikum, aber dennoch mit maximaler Spielfreude.
Im Oktober lieh ich 13 Bands meine Ohren. Einige Shows davon hätte ich mir in der Tat schenken können, daher gehe ich nur auf die drei besten ein: Die FEHLFARBEN spielten in „Das Bett“ ihr Debüt-Album „Monarchie und Alltag“ komplett durch. Auch wenn der Aggro-Faktor der frühen Achtziger inzwischen fehlt, war das bei toller Stimmung in einem fast ausverkauften, großen Club ein prima Erlebnis. In der Au feierte das Publikum mit der in Kostüme gehüllten, britischen Punkrock-Combo DIRT BOX DISCO einen verfrühten Karnevalsauftakt. Schrill! Wer mag, lese zu beiden genannten Acts unsere Konzertberichte.
Elius Inferno & The Magic Octagram im Yachtklub, Frankfurt, 23. Oktober
Ebenfalls einen herausragenden Abend bescherte die junge italienische Psychedelic-Rock-Formation ELIUS INFERNO & THE MAGIC OCTAGRAM den Besuchern des Yachtklubs. Es war einer jener Gigs, von denen man sich nach dem Ende wünscht, er beginne sofort noch einmal von vorn.
Der konzertreichste Monat des Jahres 2018 war für mich der November. Die Garage-Rocker THE LOMBEGO SURFERS erfreuten zum wiederholten Male im Dreikönigskeller und die SATANIC SURFERS aus Schweden sorgten für ein prall gefülltes „Bett“. Außerdem feierte die Frankfurter Combo LAVA 303 ihr 20-jähriges Bestehen im Club HoRsT mit viel Talk und Musik, darunter auch eine schöne Performance von Tanzlicht K zu einem LAVA 303-Song, zu sehen hier:
Des weiteren verzauberte die Londoner Sängerin und Songwriterin HOLLY GOLIGHTLY einmal mehr das Zoom mit ihren Liedern und ihrem Charme. Ebendort rockten auch ein paar Tage später MUDHONEY ein extralanges Set, nachdem die Support-Band PLEASE THE TREES aufgrund eines Unfalls bei der Anreise ausgefallen war. Der Grunge-Vierer von der
Mudhoney im Zoom, Frankfurt, 19. November
US-Westküste präsentierte ein ausgewogenes Programm mit altem und neuem Material, das (zumindest bei mir) keine Wünsche offen ließ. Mit insgesamt 50 Minuten Spielzeit deutlich kürzer, aber doch lang und laut genug, fraßen sich die US-Punkrocker ZEKE im Club The Cave wie die Raupe Nimmersatt in die Gehörgänge ihrer Fans, fortgeschrittener Tinnitus inklusive. Zudem trat mit INTERROBANG?! eine sehr interessante britische Formation mit Personal der verblichenen Alternative-Rockband
Interrobang?! in der Au, Frankfurt, 23. November
CHUMBAWAMBA erstmals in der Au auf. In musikalischer Hinsicht war der November der spannendste und abwechslungsreichste Monat seit langem. Und das war noch nicht alles: Auch das Exzess hatte noch ein Ass im Ärmel, von dem später noch die Rede sein wird.
Ich komme zum Ende meiner kleinen Rundreise durch die Konzertsäle und Clubs des Rhein/Main-Gebiets, denn wir befinden uns schon im Dezember. Auch dieser hatte eine Show für meine persönlichen Jahres-Highlights zu bieten. Gleich mehr dazu. Außerdem stand ein Besuch der großen Halle des Wiesbadener Schlachthofes an. Allerdings nicht um ein Konzert zu erleben, sondern um dem Vortrag eines bekannten Sängers der HC/Punk-Szene zu lauschen: Henry Rollins. Vor mehreren hundert Gästen im bestuhlten Saal zeigte der ehemalige Frontmann von BLACK FLAG und ROLLINS BAND im Rahmen seiner „Travel Slideshow“ eine Auswahl von etwa 40 Fotografien, die mittels Beamer auf einer riesigen Leinwand hinter ihm zu sehen waren. Die Motive stammten von seinen Reisen unter anderem in die Slums Asiens und Lateinamerikas, die Krisengebiete im Nahen Osten, die Weiten Sibiriens und die Antarktis. Dazu schilderte Rollins seine Sicht der Dinge über Kriege und bewaffnete Konflikte, Armut und Verelendung, die amerikanische Politik unter Präsident Trump, Umweltzerstörung und vieles mehr. Dazwischen platzierte er kleine Anekdoten aus der Musikszene, um das Publikum auch in dieser Hinsicht zufriedenzustellen. Gut zwei Stunden, die wie im Flug vergingen, mit vielen interessanten Stories und Rollins‘ Meinung zum Weltgeschehen, alles dargebracht ohne erhobenen Zeigefinger. Außerdem noch im Dezember: Die großartigen PRIMABOY im Dreikönigskeller und die Virus-Musiknacht im Frankfurter HoRsT-Club, während der man bei freiem Eintritt acht lokale Bands in Augenschein nehmen konnte. Eine liebevoll organisierte Veranstaltung, bei der THE BLACK ME hervorstach.
Soweit zur Dokumentation meines Konzertjahres mit Erwähnung der wichtigsten Bands und Ereignisse. Im Folgenden nun noch ein paar Worte zu den zehn Shows, die mir 2018 am meisten Spaß gemacht haben:
10. THE ESTABLISHMENT im Exzess, 30. November
Die verhältnismäßig neue Band aus dem niederländischen Nijmegen speist sich unter anderem aus Musikern von ANTIDOTE, BORN FROM PAIN, BRAT PACK und CITIZENS PATROL (über die letzteren beiden haben wir in diesem Blog schon berichtet) und hat 2018 ihr erstes Album „Vicious Rumours“ vorgelegt. Und dieses ist ein absoluter Knaller und meine Lieblingsplatte des Jahres. Ende November schlug die Truppe erstmals im Frankfurter Exzess auf. Leider war der Auftritt mit knapp 40 Minuten recht kurz, allzu viel Material haben die Jungs halt noch nicht. Trotzdem hat das massiv gekickt und – mit ein paar Vorschusslorbeeren – ist das mein Platz Zehn.
9. PUERTO HURRACO SISTERS in der Raumstation, 8. Dezember
Ska geht bei mir immer. Und Ska-Jazz, wie ihn die sieben Kerle der lokalen Band PUERTO HURRACO SISTERS spielen, auch. Die Combo, bei der Mitglieder der renommierten FRAU DOKTOR und WALTER ELF am Start sind, verwandelte die proppenvolle Raumstation im Frankfurter Stadtteil Rödelheim in eine Schwitzbude und animierte die Gästeschar zu einer wunderbaren Tanzparty. Ich habe die Truppe schon mehrfach gesehen und bin immer wieder begeistert, welche positive Energie die Jungs auf die Bühne bringen und binnen Sekunden auf das Publikum übertragen können. Platz Neun.
8. SENSA YUMA beim Au-Sommerfest, 9. Juni
Der beste Auftritt beim diesjährigen Sommerfest in der Frankfurter Au findet sich auch in dieser Auflistung der Jahres-Highlights wieder. Die britisch-spanische Formation SENSA YUMA um Frontmann (Stu)Pid feuerte bei der Open Air-Veranstaltung ein Hitfeuerwerk ab, das alle Besucher sofort mitriss. Obwohl Pid während der Show des Öfteren betonte, dass er ganz schön nervös sei, merkte man doch sofort: Hier ist ein alter Fahrensmann am Werk, der weiß, was zu tun ist, wenn etwa eintausend punkrock-affine Fans feiern wollen. Wer mehr über den Gig erfahren will, sei auf unseren Bericht hier verwiesen. Mein Platz Acht.
7. THE SCHIZOPHONICS im Dreikönigskeller, 1. August
Das Fuzz-Rock-Trio aus dem kalifornischen San Diego ließ den DKK zur Sauna mutieren, allen voran Bandboss Pat Beers, der auf der Bühne und im Zuschauerraum Bewegungen darbot, wie ich sie im Rahmen eines Gigs noch nie gesehen habe. Bei gefühlten 50 Grad Celsius vollführte der Kerl Purzelbäume (mit Gitarre!) und Spagat, dass Turnvater Jahn stolz auf ihn niedergeblickt haben dürfte. Dazu rannte das Konditionswunder fast eine Stunde lang zwischen den schwitzenden Leibern im Publikum herum – ein Konzert, spannender als ein Action-Film. Und manchmal sagen Film(chen) ja mehr als tausend Bilder, deshalb bitteschön: Hier dazu ein Videoclip, lohnt sich bis zum Ende anzusehen. Platz Sieben.
6. PESTPOCKEN auf der „Wir sind mehr”-Demo, 13. Oktober
Konzertvergnügen einmal anders, nämlich zum Hinterherlaufen: Im Rahmen der von tausenden Teilnehmern besuchten Demonstration “Wir sind mehr” gegen Rassismus und für Toleranz spielten Mitte Oktober einige Live-Acts und DJs auf der Ladefläche von mehreren Lastwagen, manche bei geplanten Stopps am Rande von Reden und manche in voller (natürlich langsamer) Fahrt. Die Gießener Punks PESTPOCKEN traten auf der Strecke von der Frankfurter Messe durch das Bahnhofsviertel bis hin zum Willy-Brandt-Platz auf. Toller Gig für eine gute Sache und mein Platz Sechs.
5. UK SUBS in der Au, 14. Februar
Altmeister und Legende, die Erste. Charlie Harper war mit seinen UK SUBS mal wieder in der Frankfurter Au zu Gast. Ich muss zugeben, dass ich mich im Vorfeld fragte, ob man die Show erneut mitnehmen musste. Meine Bedenken wurden allerdings schnell zerstreut: Der zum Zeitpunkt des Konzerts 73-Jährige (im Mai feierte er seinen 74. Geburtstag) präsentierte sich nämlich sowohl gesundheitlich als auch stimm(ungs)technisch voll auf der Höhe und ließ den Abend durch ein langes Set mit allen Klassikern wie schon so oft zu einem echten Höhepunkt des Jahres werden. Danke dafür. Long live Charlie. Platz Fünf.
4. SUBHUMANS in der Au, 31. März
Altmeister und Legende, die Zweite. Dick Lucas und die SUBHUMANS gaben sich, ebenfalls in der Frankfurter Au, ein Stelldichein. Der Sänger gehört – wie Charlie Harper von den UK SUBS – zu den Ältesten und Arriviertesten in der Szene. Und er ist mit seinen etwa 60 Jahren noch immer der Albtraum aller Fotografen: Wie ein Wirbelwind fegt er über die Bühne und wer ein gutes, scharfes Foto von ihm macht, kann sich glücklich schätzen. Die Anarcho-Punks aus England lieferten, wie auch schon beim letzten Auftritt an gleicher Stelle 2015, ein tolles Set, das der Pogo-Fraktion alles abverlangte. Mein Platz Vier.
3. THE GENERATORS in Das Bett, 11. Mai
Die aus Los Angeles stammenden Punkrocker THE GENERATORS machen mir immer wieder Freude: Sie haben fantastische Songs mit der nötigen Aggressivität, schönen Melodien und catchy Refrains und verpacken das Ganze in eine tolle Bühnenshow, die in diesem Jahr im Frankfurter Club „Das Bett“ zu erleben war. Ich habe darüber einen Bericht verfasst (hier), der das hoffentlich widerspiegelt. Nach dem Gig erzählte mir Sänger Doug Kane, dass die Jungs auch 2019 gerne in Europa touren wollen und ich drücke (nicht ganz selbstlos) die Daumen, dass das klappen wird. Platz Drei.
2. PRIMABOY im Waggon, 2. Juni
Den geilsten Beat der Stadt, den spielt ohne Zweifel PRIMABOY. 2018 trat das Trio mit seinem „Psycho Bump“ gleich zweimal in Frankfurt und Umgebung auf, einmal Anfang Juni im Offenbacher Waggon (Foto) und einmal Ende Dezember im Frankfurter Dreikönigskeller (Videoclip dazu weiter unten). Unmöglich zu sagen, welcher Gig der bessere war. Fest steht jedoch, dass die selbsternannten „Blutsbrüder aus der Wetterau“ beide gut besuchten Etablissements zum Kochen gebracht und wie immer all diejenigen, die sie das erste Mal sahen, mit offenen Mündern zurückgelassen haben. Mein Platz Zwei.
1. TV SMITH & THE BORED TEENAGERS in der Au, 20. Februar
Altmeister und Legende, die Dritte: Der Brite TV SMITH ist in meinen alljährlichen Bestenlisten ein immer wiederkehrender, „alter“ Bekannter. Bisher hatte ich den inzwischen 62-Jährigen immer als Solokünstler in diversen Locations im Rhein/Main-Gebiet gesehen (darunter auch der unglaubliche Gig, als er 2010 im Frankfurter Backstage in sage und schreibe drei Stunden ohne Pause insgesamt 53 Songs spielte). In diesem Jahr brachte er seine (neu besetzte) Band, die BORED TEENAGERS, mit in die Rödelheimer Au. Für mich wars ein denkwürdiger Abend, denn die ohnehin schon eindringlichen Songs entwickeln mit zusätzlicher Instrumentierung natürlich noch mehr Power. Das gilt sowohl für die langsameren Stücke wie „The Day We Caught the Big Fish“ als auch für die schnelleren Tracks wie „Ready for the Axe to Drop“, wovon man sich im folgenden Videoclip überzeugen kann. Mein Konzert des Jahres 2018!
Danke…
Wie immer möchte ich meine Rückschau dazu nutzen, ein paar Menschen Dank zu sagen. Das sind zum einen alle Besucherinnen und Besucher dieses Blogs, es werden stetig mehr. Wir haben uns gefreut über Eure Beteiligung, zum Beispiel an unserem Sommer-Preisrätsel. Dieses wird es deshalb so oder in ähnlicher Form bestimmt wieder geben. Auch die Teilnahme an den Konzertkarten-Verlosungen (acht Aktionen in 2018) war rege. Dafür Dank auch ans Zoom, das uns die Tickets zur Verfügung gestellt hat!
Einige Berichte dieses Blogs stammen von unserem in Nordhessen ansässigen, aber auch für uns im Rhein/Main-Gebiet tätigen Korrespondenten und Freund Todde Sindel. Musik kennt eben keine Grenzen. Danke für die vielen geschrubbten Autobahn-Kilometer und die schönen Reviews! Außerdem Merci an den Fotografen Boris Schöppner, der klasse Bilder bei mehreren Posts beisteuerte.
Und zu guter letzt möchte ich all jenen danken, die es überhaupt ermöglichen, dass wir über Konzerte in dieser Region berichten können. Diejenigen, die die Bands in die Stadt holen und die Betreiber der Clubs, die manchmal auch defizitäre Gigs ausrichten, weil nicht genug Gäste kommen. Die allermeisten Shows, über die wir hier schreiben, machen weder die Bands noch die Veranstalter reich – aber all jene eint die Begeisterung für Live-Musik, die wir teilen. Deshalb: Unterstützt die Szene und besucht die Konzerte. Es lohnt sich.
Ich wünsche Euch allen ein tolles neues Jahr 2019.
Stefan / Rockstage-Riot-Team
Fotos (21) & Clips (6): Stefan / Fotos (4): Kai / Foto (1): Micha
Foto (1): Eric, https://www.flickr.com/photos/vanreem
Fotos (UK Subs, Subhumans): Boris, http://www.borisschoeppner.de/
Foto (Mudhoney): Uli Wagner
Clip (Primaboy): am Konzertabend aufgenommen von chainrelease
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