Jahres-Roundup 2020 – Teil #1

Frankfurt, 13.11.2020

Monster Magnet ArtJa, ist denn schon wieder Weihnachten? Nein, nicht ganz. Zeit, zurückzublicken, aber allemal. Was für ein Jahr. Ihr habt es am eigenen Leib mitbekommen. Corona hat alles auf Links gedreht, das öffentliche Leben, die Kulturszene und nicht zuletzt die Existenzgrundlage von Musikerinnen und Musikern, Bookern, Clubbetreibern und Kneipiers – rund um den Erdball, überall in Deutschland und natürlich auch in unserer Heimatstadt Frankfurt. Einige Läden im Rhein/Main-Gebiet, die sich frühzeitig zu einem Fundraising im Internet entschlossen, konnten sich – Stand jetzt – durch Spenden ihrer Stammgäste das Fortbestehen sichern. Für Andere, die zu spät um Hilfe warben oder vielleicht weniger beliebt sind, sieht es düster aus und wir müssen befürchten, dass es sie bald nicht mehr geben wird. Bei mehreren Tanz- und Konzertschuppen wie etwa dem HorsT und dem Clubkeller (beide Frankfurt) wurden die Türen im Verlauf des Jahres für immer zugesperrt.

Auch für diesen Blog waren die Auswirkungen von Corona katastrophal. Die Anzahl der Aufrufe unserer Beiträge durch die Besucher*innen ist im Verlauf der Pandemie um rund die Hälfte eingebrochen. Wir haben zwar versucht, dem entgegenzuwirken, u. a. mit dem Sommergewinnspiel und diversen Extra-Posts wie dem Konzertkarten-Special und den Foto-Best ofs – mit mäßigem Erfolg. Nach Jahren stetigen Wachstums stehen wir – zumindest was die nackten Zahlen betrifft – wieder da wie in den Anfangstagen. Aber gut, wir machen das „nur“ als leidenschaftliches Hobby und bei uns hängen keine Existenzen daran. Wir hoffen, Ihr habt die Krise bisher gesundheitlich gut überstanden, denn das steht über allem.

Bild ganz oben: Dave Wyndorf von MONSTER MAGNET, aufgenommen am 13.02.2020 im Schlachthof Wiesbaden, bearbeitet 10/2020 (Klick zum Vergrößern)

Eigentlich hätte ich diesen Jahresrückblick schon im April schreiben können. Am 7. März sah ich mit BONSAI KITTEN im Frankfurter Dreikönigskeller das letzte Indoor-Konzert, danach ging alles ganz schnell: Versammlungsverbote, Reisebeschränkungen, Lockdown. Alle anstehenden Touren und Shows wurden The Brains im Feinstaubentweder abgesagt oder verschoben. Zu diesem Zeitpunkt war bereits klar, 2020 würde nicht mehr viel kommen. 

The Brains im Feinstaub, Januar 2020

Bis zu besagtem 7. März habe ich an 13 Abenden lediglich 20 Bands gesehen (bis heute sind es 34). Immerhin boten der Januar, Februar und März mit Acts wie den Psychobillys THE BRAINS (im Feinstaub), dem Highspeed-Hardcore von SNIFFING GLUE (im Klapperfeld) und den Rock-Veteranen von ROSE TATTOO (Batschkapp) einige feine Auftritte. Und außerdem noch drei, die ich als Höhepunkte dieses kastrierten Konzertjahres bezeichnen würde; Näheres dazu am Ende dieses Rückblicks. Die Club- und Hallenkonzerte waren damit für 2020 Geschichte (und sind es bis zum heutigen Tag, sieht man von bestuhlten Events ab).

Konzert im Hof des DreikönigskellersAb Juli kamen dann noch ein paar Auftritte „umsonst und draußen“ dazu, vornehmlich von lokalen Acts und bei gedrosselter Lautstärke. Und das alles mit Eintragung von Kontaktdaten in Listen, Einhalten von Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen; Ihr habt es selbst erlebt. Machen solche Konzerterlebnisse Spaß? Bedingt. Es war schön, draußen Live-Musik zu lauschen und dabei (fast) zu vergessen, was diese Krise alles zerstört hat. Aber eigentlich geht Konzerterlebnis anders.

oben: Konzert im Hof des Dreikönigskellers, Juli 2020
unten: Helbing-Hoch-Fischer-Trio ebenda, Juli 2020

Ich bin dennoch allen Veranstaltern dankbar, die im Sommer und Herbst solcherlei Events organisiert haben. Allen voran der Dreikönigskeller, der bei schönem Wetter Nachmittagskonzerte im Hof präsentierte, bei denen wegen der Abstandsgebote die Anzahl von 20 Gästen nicht überschritten werden durfte (die Helbing-Hoch-Fischer-Trio im Hof des DreikönigskellersPlätze reichten aber meistens). Geboten wurde fast die komplette musikalische Palette zwischen dem Jazz des HELBING-HOCH-FISCHER-TRIOS über Singer/ Songwriter wie Kenneth Minor, Alleinunterhalter mit Keyboard wie The Bluesman und Soundfrickler wie Patrick 9000 bis hin zum Akustik-Rock, -Folk oder -Punk von heimischen Bands wie FROM 7 To 7, den DOUBLEDYLANS, THE SLAGS oder VIVA PUNK!.

Viva Punk! im Hof des DreikönigskellersLetztgenannte amüsierten das Publikum mit ihrer Ansage, dass die erste Frage, die ihnen bei ihrer Buchung seitens des DKK gestellt wurde, lautete: „Könnt Ihr auch leise spielen?“ Denn die Lautstärke durfte 80 Dezibel nicht überschreiten, um die Anwohner im ebenso schmalen wie hallenden Hof nicht über Gebühr zu belasten. Die Mainzer konnte auch „leise“, und es wurde ein gelungener Abend. Erwähnen möchte ich außerdem stellvertretend den Singer/Songwriter Lazy Nic III, der nicht nur auf Patrick 9000 im Hof des Dreikönigskellersseine Gage verzichtete, sondern die Anwesenden aufforderte, großzügig Geld in den kreisenden Hut zu werfen, um dieses später dem DKK-Betreiber als Spende zu überreichen. Dies haben auch viele weitere der Auftretenden so gehandhabt – sympathisch und nachahmenswert, sofern man sich das als Künstler*in in diesen harten Zeiten erlauben kann.

oben: VIVA PUNK! im Hof des Dreikönigskellers, Juli 2020; rechts: Patrick 9000 ebenda, September 2020

Auch der Hafen 2 und der Waggon in Offenbach, die Frankfurter Batschkapp mit ihrem Biergarten und „Das Bett“ mit seinem Kultursommergarten sowie einige weitere Clubs richteten „corona-konforme“ Konzerte draußen aus. Besonders zu gefallen wusste das Singer/Songwriter-Duo Mirja Klippel (Finnland) und Alex Mirja Klippel und Alex Jønsson im Hafen 2Jønsson (Dänemark) im Hafen 2. Wie immer tat das Flair der Spielstätte am Mainufer das Seine dazu – und natürlich das Getier, mit dem die Besucher dort unweigerlich konfrontiert werden, seien es Hühner, Gänse oder Schafe.

links: Mirja Klippel und Alex Jønsson im Hafen 2, September 2020

Ab dem Spätherbst, da es draußen ungemütlich geworden ist und Open Air-Shows passé sind, versuchen die Clubs mit Indoor-Gigs über die Runden zu kommen, die einem strengen Hygienekonzept folgen müssen. In der Regel heißt das, dass ausschließlich gesessen werden darf, mit Abstand zu den nächstgelegenen Plätzen. Da deswegen wesentlich weniger Gäste eingelassen werden dürfen, ist fraglich, ob Konzertschuppen oder Kneipen 375 CEG im Hof des Dreikönigskellerswirtschaftlich betrieben werden können. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

rechts: 375 CEG beim Halloween-Special im Hof des DKK, Oktober 2020

Das gilt auch für all diejenigen, die ihre Etablissements in diesem November während des zweiten Lockdowns erneut schließen mussten. Ein Albtraum mit ungewissem Ausgang.

Soviel zum Konzertgeschehen 2020, mein Jahresrückblick fällt diesmal mangels Masse entsprechend kurz aus. Im Folgenden führe ich noch die drei Auftritte auf, die mir im zu Ende gehenden Jahr die schönsten Eindrücke beschert haben:

Toxoplasma, 14. Februar in der Au, Frankfurt

Toxoplasma

Die vier Jungs aus Neuwied lieferten das beste Konzert des Jahres – wild und ungezügelt, Stage-Diving und Bierduschen inklusive, so wie eine Punk-Show rüberkommen muss. Das empfand wohl auch Sänger Wally so, der angesichts des pausenlosen Pogo-Massakers im Pit zwischen zwei Songs mit verschmitztem Lächeln die Worte „Macht doch immer wieder Spaß, hier zu spielen“ verlauten ließ. Dieser Auftritt hätte auch in einem „vollen“ Konzertjahr sicher zu meinen Favoriten gezählt.

Freunde der italienischen Oper, 24. Januar in „Das Bett“, Frankfurt

Freunde der italienischen Oper

Die FDIO mal live erleben zu können, war ein ganz besonderes Vergnügen. Die Truppe spielt nicht besonders häufig, und in unseren Breiten war sie noch nie zu sehen. Das Frankfurter Publikum hatte den Auftritt einem hier lebenden Fan zu verdanken, der die Show in Eigeninitiative mit Kontakten seines Netzwerks realisieren konnte. Leider fanden sich nicht genügend Gäste ein, um die Kosten zu decken. Das war der einzige Wermutstropfen eines tollen Konzertabends (Review in diesem Blog).

Monster Magnet, 13. Februar im Schlachthof, Wiesbaden

Monster Magnet im Schlachthof

Die Altmeister des Stoner- und Space-Rocks lieferten eine Show ab, die für mich keine Wünsche offen ließ. Fetter Sound und ein frenetisches Publikum ließen die Halle des Schlachthofs ein ums andere Mal beben. Abgerundet wurde der Abend durch den Support des Darmstädter Duos NEW YORK WANNABES, das der Herausforderung, mal vor mehr als tausend Rock-Fans zu spielen, problemlos gerecht wurde. Kompliment an beide Bands für dieses nachhaltige Erlebnis (auch dazu haben wir eine Review verfasst).

Bleibt gesund und kommt gut in das neue Jahr, in dem wir alle hoffentlich bald wieder tanzend, mitsingend oder einfach nur zuhörend im Kreise unserer Freund*innen Live-Musik genießen können.

Stefan / Rockstage-Riot-Team

Fotos (8): Stefan
Fotos (3): Kai
Foto (Toxoplasma): Boris, http://www.borisschoeppner.de/

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