Dreikönigskeller, Frankfurt, 12.03.2017
Es war eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter, die mich am gestrigen Abend in den Frankfurter Dreikönigskeller lockte: „Schwing Deinen Arsch in den DKK, ich hab James Leg vor ein paar Tagen in Stuttgart gesehen und es war das Konzert des Jahres!“ Da der Anrufer nicht nur ein guter Kumpel, sondern auch ein ausgewiesener Musik-Kenner ist und somit mein Vertrauen genießt, war Erscheinen beim Konzert für mich Pflicht – und ich sollte es nicht bereuen. An vielen anderen Musikfans ging der Gig leider vorbei, denn bei meiner Ankunft im Club fand ich mich im Kreis von lediglich 20 Besuchern wieder, zu Beginn der Show waren es immerhin 30. Okay, Sonntage sind immer problematisch, hinzu kam, dass sich die Werbung für den Auftritt in Grenzen hielt und dass der Name James Leg niemandem etwas sagte.
Leg, Jahrgang 1983, ist Texaner und musiziert bereits seit seiner Kindheit. Banderfahrung sammelte er in Acts wie den IMMORTAL LEE COUNTY KILLERS aus Lee County, Alabama, und den BLACK DIAMOND HEAVIES aus Nashville. Seit 2010 wandelt er nun auf Solo-Pfaden und hat mit „Solitary Pleasure“ (2011), „Below the Belt“ (2015) und „Blood on the Keys“ (2016) bereits drei Alben veröffentlicht. Bei seinen Solo-Auftritten wird Leg stets von einem Drummer begleitet, der direkt gegenüber seines E-Pianos sitzt und stets Blickkontakt mit ihm hält. Im Prinzip ist dies eine ähnliche Konstellation wie im Falle von MANTAR, die allerdings ein
gänzlich anderes Ergebnis hervorbringt. In den begeisterten Kritiken zur neuen Scheibe des Keyboarders wird dieser meist mit Künstlern wie Tom Waits, Nick Cave, Dr. John oder Howlin‘ Wolf verglichen. All dies mag in gewisser Weise zutreffen, doch ein Kritiker des Roots-Music-Blogs No Depression brachte es auf den Punkt: „Leg sounds like no one, and writes like no one. That‘s his beauty.“
James Leg ist einer, der Musik lebt und zum Besessenen wird, sobald er an seinem E-Piano Platz nimmt und die ersten Tasten berührt. Allein dies machte schon Spaß beim Zuschauen. Leg saß, stand oder kniete hinter dem Instrument, krallte seine Hände in die Tasten, als ob er jemanden erwürgen wolle, bewegte seinen Kopf in bester Headbanger-Manier zum Sound des Schlagzeugs und wirkte in ruhigeren Passagen wie in Trance. Ihm gegenüber saß der junge Franzose Maurice, der mal schnelle, fast schon punkige Takte vorgab, aber auch ein Gespür für Percussion in den Gefilden des Blues und Garage-Rocks bewies. Das Zusammenspiel der beiden war bereits ein Spektakel für sich, als Leg dann aber noch mit seiner Reibeisenstimme, die irgendwo zwischen Lemmy und Waits angesiedelt ist, ins Mikro röchelte, verbanden sich Musik und Stimme zu einer unheiligen Allianz, die alle Anwesenden in ihren Bann zog.
Und wie auch immer man das, was der Texaner an seinem Piano musikalisch veranstaltete, nennen mochte, es war großartig. In langsamen Passagen wurde er dabei vom Geiste eines Tom Waits begleitet, wenngleich die Bösartigkeit der BEASTS OF BOURBON dabei durchschimmerte. Die schnelleren Songs – und davon hatte Leg eine Menge im Gepäck – weckten durchaus Erinnerungen an die GODDAM GALLOWS und wenn‘s in Gefilde des Louisiana-Blues abdriftete, erinnerte mich dies an Tracks von Dr. Johns Frühwerk „Gris Gris“. Was Legs Spiel betrifft, so muss ich gestehen, dass mir bisher nicht bewusst war, dass man dem Instrument Töne dieser Art entlocken kann. Tatsächlich klang das Piano oftmals wie eine verzerrte Gitarre und in Verbindung mit dem wilden Stage-Acting hatte das Ganze auch etwas von den frühen DEEP PURPLE mit Mastermind Jon Lord an den Keyboards.
Neben einem Querschnitt seines bisherigen Schaffens lieferte der Amerikaner mit dem Cover des THE CURE-Songs „A Forest“ noch ein besonderes Schmankerl, das dem einschläfernden Original eine höllische Renaissance bescherte. Chapeau! Wer mit den oben genannten Acts etwas anzufangen weiß, der darf sich nun gehörig in den Hintern beißen, diesen Gig verpasst zu haben. Die Stimme auf meinem Anrufbeantworter hatte nicht gelogen, die Show ist in der Tat ein heißer Anwärter auf das Konzert des Jahres. In Zeiten, da die Musiklandschaft wieder von langweiligen Mainstream-Rock-Acts dominiert wird, ist Musik wie die von James Leg eine Wohltat. Halleluja, ich habe das Licht gesehen.
Links: https://www.facebook.com/James-Leg/, https://www.reverbnation.com/jamesleg, https://www.last.fm/de/music/James+Leg
Text & Fotos: Marcus
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