JAYE JAYLE & MUTE SWIMMER

Privatclub, Berlin, 14.04.2019

Jaye JayleDas Roadburn ist rum. Das Internet eskaliert – wieder und wieder wird auf allen möglichen, mehr oder weniger sozialen Diensten gepriesen und gefeiert. Zu den absoluten Gewinnern in diversen Foren wie Diskussionen über das kultige Festival wurden unter anderem MOLASSES (das THE DEVIL’S BLOOD-Nachfolgeprojekt) und Lingua Ignota auserkoren – neben THOU, die mehrmals mit Emma Ruth Rundle aufspielten und mit einem MISFITS-Cover-Set wohl verbrannte Erde hinterließen. Der Roadburn-Veranstalter Walter Hoeijmakers bekam dieses Jahr sogar die silbernen Medaille der Stadt Tilburg wegen der Verdienste um die Kommune durch seinen Einsatz mit dem Festival. Mehr dazu im Mai in den Musikmagazinen Eures Vertrauens. Wenig bis gar nicht jedoch wurden (in meiner Wahrnehmung) bisher die Auftritte von Evan Patterson gewürdigt, der gleich mit drei Bands auf dem Festival gastierte: Mit YOUNG WIDOWS (Bericht zur Show in Würzburg hier), mit der Formation seiner Gattin Emma Ruth Rundle sowie mit seinem musikalischen Unikat JAYE JAYLE, welches uns immerhin eine Reise nach Berlin wert war.

Jaye JayleMir ist ein bisschen schleierhaft, warum das so ist. Gut, auf dem Roadburn gibt es viel Konkurrenz durch gleichzeitig auftretende Künstler. Allerdings platzen die ohnehin ziemlich winzig anmutenden Spielstätten der folgenden Tour auch nicht gerade aus allen Nähten – zumindest die in Deutschland nicht. Kein Wunder: Kaum jemand kennt JAYE JAYLE, der sie nicht im Vorprogramm von Emma Ruth Rundle 2017 (Bericht hier) sowie 2018 gesehen hat. Was auch daran liegen könnte, dass die Combo aus Louisville, Kentucky in den hiesigen Magazinen trotz zwei hervorragender Alben kaum stattfindet. Eigentlich gar nicht, wären da nicht die äußerst angetanen Plattenbesprechungen in Ox und Visions.

Jaye JayleMüssen wir halt wieder ran. Das Besondere am Sound von JAYE JAYLE ist ein intensives Noir-Feeling, welches so zwischen den musikalischen Schubladen wohnt, dass es zwischen ihnen hindurchpurzeln kann. Ist es Blues, Americana, Psychedelic? Von allem etwas. Spürt man Krautrock, Hardcore und Oldschool-Goth? Aber hallo. Der düstere, mitunter ausufernde Sound mit elektronischen Elementen, die man so mit Gitarren-Rock eigentlich nie zu hören bekommt, wurde schon mit Kollegen wie Tom Waits sowie Nick Cave verglichen, was mir nachvollziehbar erscheint, trotzdem jedoch anders klingt. Brüder im Geiste von Patterson könnten auch die GUTTER TWINS Mark Lanegan und Greg Dulli sein, wobei Letzterer von allen der Soulfullste ist. Auch eine Jaye JayleÄhnlichkeit mit der Wirkung eines Johnny Cash könnte man attestieren. Allen gemein ist der häufige bis ausschließliche Gebrauch einer bestimmten Textilfarbe: Schwarz.

Berlin war die erste Anlaufstation nach dem Festival in Tilburg, genauer Berlin-Kreuzberg. Ein Bezirk, in dem ich mich letztmals vor der Maueröffnung aufgehalten habe. Viel Prägnantes wirkte auf mich noch ähnlich wie vor 30 Jahren, plus herausragender Vielfalt im gastronomischen Bereich sowie der Jaye JayleSchwierigkeit, Menschen auf der Straße nach dem Weg zu fragen: Acht von zehn Fußgängern waren Touristen, so schien es. Des Weiteren herausragend: Das RAMONES-Museum sowie die Möglichkeit, in Richtung Friedrichshain weiter latschen zu können. Ein fulminanter Fortschritt, fürwahr.

Auftrittsort war der Privatclub in der Skalitzer Straße, unweit des Schlesischen Tores in einem alten Postgebäude, der offiziell 200 Gästen Platz bietet. Ein gemütlicher Laden mit extrem freundlichen Mitarbeitern sowie einer Rauchernische, von der man keine Sicht auf das Bühnengeschehen hat. Zu Beginn des Programms waren die meisten Anwesenden noch in eben dieser oder an der Theke sitzend, als ein Mann begann in das Mikrofon zu murmeln und einen ersten Song anstimmte.

MUTE SWIMMER nennt sich der Herr, welcher eigentlich Guy Dale heißt, aus Stoke-on-Trent in England stammt und seit einigen Jahren in Berlin lebt. Ein Singer/Songwriter, Maler, Fotograf, Lehrer, Lyriker und was weiß ich noch – Mute Swimmerkreativer Mensch jedenfalls, über den man vor allem, neben seinen eigenen Seiten, im Blog African Paper so einiges erfahren kann (mehr dazu hier). Als „schwer zu begreifen“ wird die Musik Dales dort in einem Interview bezeichnet, was mich ein wenig tröstet, gleichermaßen fasziniert und irritiert, wie ich nach den knapp 30 Minuten seines Vortrags war. Ein Mann, eine Gitarre – ist das Folk? Eher nicht.

Mute SwimmerDale erzählte viel in seinen Lyrics nebst seinen Ansagen. Verstanden habe ich davon wenig, aber wenn, dann war es witzig – zynisch auch, mitunter. Die Vortragsweise sowie die Art, wie er dem Publikum entgegentrat war komisch im Sinne von merkwürdig wie auch interessant, auf eine sehr gute Weise. Jeder Song wurde irgendwas, nicht irgendwem, gewidmet; eine Widmung war für Nichts – und ja, das machte schon neugierig auf mehr. Berliner haben es da gut, die können MUTE SWIMMER häufiger erleben, aber auch in Darmstadt oder Wiesbaden trat der Mann in der Vergangenheit bereits in Läden auf, von denen ich noch nie gehört habe. Mal im Auge behalten, lohnt sich. Fand vielleicht auch Todd Cook von JAYE JAYLE, der den Auftritt aufmerksam aus der letzten Reihe verfolgte.

Zur vollen Stunde enterte dann das Quartett aus Louisville die nicht allzu tiefe Bühne – die gelben Funzeln, die auch die Tour der YOUNG WIDOWS spärlich illuminierten, waren wieder im Einsatz und ersetzten die bei MUTE SWIMMER noch vorherrschenden Blautöne der Saalbeleuchtung. Der Andrang war luftig, Jaye Jaylefüllte aber den Raum bis zum DJ-Pult genug um ihn voll wirken zu lassen, als JAYE JAYLE mit dem Eröffnungs-Doppel ihres zweiten Albums starteten, „No Trail Pt.1 & 2“. Emma Ruth Rundles Backing-Vocals fehlten natürlich, Keyboarder Corey Smith übernahm das stattdessen.

Im Gegensatz zu den Auftritten im Vorprogramm von Pattersons Frau wurden mehr Songs aus der ersten Scheibe „House Cricks And Other Excuses To Get Out“ (2016) eingefügt, was hervorragend funktionierte, obwohl die Stücke des Zweitlings „No Trail And Other Unholy Paths“ (2018) mehr als Album konzipiert sind als die des Vorgängers, der eher als Sammlung bisheriger Werke fungiert. Der Klangteppich riss mit, das selige Jaye JayleGrinsen schien bei allen Anwesenden ins Gesicht gemeißelt. „Come back to Berlin!“ wurde schon während des Gigs gerufen, „As soon as possible!“ geantwortet. Jubelndes, frenetisches Pfeifen anerkennend als „strong whizzle“ wahrgenommen. Knapp eine Stunde die totale Ekstase, meiner Meinung nach. Das edel gezwirnte Quartett verließ danach schweißdurchtränkt das Podest um in Richtung Tschechien weiter zu reisen, Props gingen via Instagram ans Berliner Publikum. Schön, dass JAYE JAYLE wiederkommen werden. Das Rhein/Main-Gebiet wäre auch mal wieder dran, finde ich. Nächste Woche geht es aber erst nochmal nach Köln.

Links: http://www.guydale.com/, https://www.facebook.com/muteswimmer/, https://muteswimmer.bandcamp.com/, http://muteswimmer.blogspot.com/, https://www.reverbnation.com/muteswimmer, https://www.last.fm/music/Mute+Swimmer, https://sargenthouse.com/jaye-jayle, https://de-de.facebook.com/jayejayle/, https://jayejayle.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/Jaye+Jayle

Text, Fotos (15) & Clips: Micha / Fotos (5): Nicole

Alle Bilder:

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