JEX THOTH

Schlachthof, Wiesbaden, 29.09.2014

Jex ThothDie Begeisterung für das Unheimliche, Mysteriöse und Okkulte ist so alt wie die Menschheit selbst. Und spätestens seit dem frühen 20. Jahrhundert sind die Themen auch Teil von Kunst, Kultur und Unterhaltung. Damals erschienen seriöse Zeitungen wie „The Occult Review“ (1905 bis 1951) oder „The Occult Digest“ (1925 bis 1947), in denen Okkultisten, Freimaurer und Esoteriker (u. a. Aleister Crowley, A.E. Waite und Florence Farr) ihre Weltanschauungen kundtaten und dafür durchaus respektiert wurden. In den Sechziger Jahren erlebte die Begeisterung für Okkultismus, Hexenglaube, alternative Lehren und Gesellschaftsformen ihren vorläufigen Höhepunkt. 1966 gründete Anton Szandor LaVey in San Francisco die Church of Satan, fast zur selben Zeit formten ehemalige Scientologen in England die Process Church of the Final Judgement, die ebenfalls als satanistische Gruppierung angesehen wurde, da neben Christus auch dem Satan gehuldigt wurde.

Diese vermeintlich ernsthaften Ansätze wurden noch im gleichen Jahrzehnt Teil der Popkultur. Angefangen bei Publikationen wie „Bewitched“ (1966), „Sexual Witchcraft“ (1970) und „Bitchcraft“ (1970), die irgendwo zwischen Pulp- und Nudie-Mags angesiedelt waren, über Filme wie „Rosemarys Baby“ (1969), Bands wie COVEN, die auf ihrem ersten Album „Witchcraft Jex ThothDestroys Minds and Reaps Souls“ (1969) den Live-Mitschnitt einer Satanischen Messe veröffentlichten, bis hin zu „offiziellen“ Hexen wie Louise Huebner, die ihren Bestseller „Seduction through Witchcraft“ 1969 sogar als mit finsterer Musik untermalte Lesung auf Vinyl veröffentlichte, war es nicht nur subkulturell, sondern auch gesellschaftlich hip, sich für die dunklen Künste zu begeistern. All dies endete abrupt im August des Jahres 1969, als Sektenführer Charles Manson verhaftet Jex Thothund für seine rituelle Mordserie verurteilt wurde. Eine nachfolgende Hexenjagd verbannte alles Okkulte aus der Mainstream-Kultur und sorgte dafür, dass alternative Philosophien wieder in die Subkultur gedrängt wurden.

Seither sind 45 Jahre vergangen und so langsam scheint die Gesellschaft wieder reif für eine neue Okkultismuswelle zu sein. JEX THOTH um deren gleichnamige Sängerin sind eine von mittlerweile Dutzenden Gruppen, denen der Ruf einer okkulten Live-Performance vorauseilt. Da mich die Band mit ihren beiden Longplayern bisher nicht wirklich für sich begeistern konnte – die bieten soliden, aber wenig markanten Psychedelic-Rock – war ich umso gespannter auf die Live-Performance der Amerikaner.

Chariot ThroneAls Opener stand mit CHARIOT THRONE (links und unten) eine junge Band aus dem Odenwald auf der Bühne, die musikalisch soliden, aber wenig spektakulären Doom-Metal im Stile von CANDLEMASS oder TROUBLE lieferte. Wenn man sich schon Doom-Metal auf die Fahnen schreibt, so finde ich, sollte sich dieser zumindest in irgendeiner Form – visuell, textlich oder gesanglich – von den Chariot Thronebekannten Vorbildern unterscheiden, doch dies war nicht der Fall. Das Ganze hatte ich alles schon mal an anderer Stelle besser, eindringlicher und vor allem enthusiastischer gesehen. Die unsicheren Ansagen und die Tatsache, dass der Sänger mich stark an Hansi Kraus aus den Pauker-Filmen der Siebziger Jahre erinnerte und so gar nicht das verkörperte, was die Formation konzeptionell zu vermitteln versuchte, ließen mich schließlich die Flucht zum Biergarten ergreifen. Von dort konnte man die Musik ebenfalls hören und zu sehen gab es auf der Bühne ohnehin nichts Aufregendes. In einigen Jahren gebe ich den Jungs gerne wieder eine Chance, vielleicht zeichnet sich bis dahin eine Entwicklung ab.

Aber immerhin hatten sich CHARIOT THRONE für ihren Support-Gig den richtigen Headliner ausgesucht, denn der nachfolgende Auftritt von JEX THOTH dürfte auf die fünf Michelstädter wie ein Workshop zum Thema Jex ThothLive-Performance gewirkt haben. Nach einer relativ langen Umbaupause betraten die Musiker – zunächst noch ohne die Sängerin – die Bühne. Gitarre, Bass, Schlagzeug und Keyboards wurden alle von langhaarigen Hippies bedient, die optisch gut in die Manson Family gepasst hätten. Schummriges Kerzenlicht und Geweihe lieferten eine wohlig finstere Atmosphäre und als die Band mit dem hymnenhaften „When the Raven Calls“ – einer Cover-Version eines Songs von Folk-Singer Bobb Trimble – loslegte, bahnte sich Jex Thoth, einen brennenden Holzscheit in die Höhe haltend, den Weg durchs Publikum. Das Holz stammte von dem in Südamerika beheimateten Palo Jex ThothSanto-Baum, der einen intensiven Weihrauch-Geruch verströmt und – laut hanfjournal.de – eine stark psychoaktive Wirkung induziert. Das glühende Holz befestigte die Sängerin an einer der Säulen vor der Bühne, wo es weiterhin seine Wirkung entfaltete. Auf dem Podest angekommen, schienen Kräfte von der zierlichen Frau Besitz zu ergreifen, die nicht von dieser Welt waren. Das Gesicht zumeist von ihren Haaren bedeckt, vollführte die mit einem schwarzen Cape gewandete Frau Bewegungen, die zunächst an die Protagonisten eines von Besessenheit handelnden Films erinnerten, aber dennoch ästhetisch, bedeutsam und bewusst wirkten. So, als ob sie nötig seien, um ein altes Ritual zu begehen.

Jex ThothEs konnte natürlich auch sein, dass die Gute einfach zu viel Rauch des Palo Santo-Baums inhaliert hatte und nun in anderen Sphären schwebte. Doch wie dem auch sei, die Performance war anmutig und verführerisch, zugleich aber auch finster und bedrohlich. Während des Sets richtete Jex nicht ein Wort ans Publikum, es schien, als ob sie in ihrer ganz eigenen Welt verweilte und wir für einige Minuten Jex ThothGäste waren, die ihr Ritual wie durch ein Fenster ihrer im tiefen Wald gelegenen Hexenhütte beobachten.

Geboten wurden insgesamt zehn Songs, die größtenteils von den beiden Longplayern stammten und sich mal psychedelisch, mal folkig und mal finster und heavy präsentierten, der Begriff „Psychedelic-Doom“ beschreibt recht genau die Essenz. Dennoch ist das Ganze nicht unbedingt leichte Kost, die Tracks sind komplex, weisen viele Tempi-Wechsel auf und verfügen nur selten über einen richtigen Refrain. Jex selbst nennt in Interviews BLACK SABBATH und AMON DÜÜL II als Einflüsse, wobei der Sound von JEX THOTH eher an die frühen Werke der Engländer als die psychedelischen Klanglandschaften der deutschen Band erinnert.

Jex ThothFür mich sind es eher URIAH HEEP in Zeiten von „Demons & Wizards“ zu denen ich Parallelen sehe, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass auch JEX THOTH mit Hammond-Orgel-Klängen aufwarten. Gegen Ende des Gigs gab es dann doch noch eine Kommunikation mit dem Publikum, wenn auch auf sonderbare Art. Jex starrte plötzlich, wie durch ein Geräusch aufgeschreckt, von der Bühne aus Jex Thothins Publikum, so als ob sie bemerkt hätte, dass sie beobachtet wird, entzündete erneut das Holz des Palo Santo-Baums, begab sich in den Kreis der etwa 60 Besucher und hielt dort eine Art Ritual ab, das wie eine Weihe wirkte. Kurze Zeit später, nach dem Song „Warrior Woman“, löschte sie die Kerzen und markierte damit das Ende der Messe.

All dies war ein eindrucksvolles Erlebnis, das mich irgendwie an den Kultfilm „Wicker Man“ aus den frühen Siebziger Jahren denken ließ, der ebenso mystisch und geheimnisvoll ist wie der gerade erlebte Gig. Auf jeden Fall werde ich mir Jex Thothnun auch noch mal die Tonträger von JEX THOTH zu Gemüte führen und dabei an den Auftritt denken. Für mich eines der bisher intensivsten und magischsten Konzerte des Jahres.

Links: http://chariotthrone.bandcamp.com/releases, https://de-de.facebook.com/ChariotThrone, http://www.jexthoth.net/, https://myspace.com/jexthoth, http://www.reverbnation.com/jexthothofficial, http://www.lastfm.de/music/Jex+Thoth

Text & Fotos (10): Marcus / Fotos (16) & Clip: Micha

Alle Bilder:

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