JOE BUCK YOURSELF

Knabenschule, Darmstadt, 1.09.2016

Joe Buck YourselfDie LEGENDARY SHACK SHAKERS und HANK III sind zwei Bands, die in meiner Welt ein hohes Ansehen genießen – und Joe Buck hat bereits bei beiden gespielt. Bei den SHACK SHAKERS agierte er zwischen 2000 und 2003 als Gitarrist, Upright-Basser und Schlagzeuger, danach schloss er sich dem Outlaw-Country-Sänger Hank III als Bassist an und war 2006 und 2009 an den Aufnahmen zu dessen bis dato besten Werken „Straight to Hell“ und „Damn Right, Rebel Proud“ beteiligt. Darüber hinaus war und ist er Mitglied von Hank IIIs Hardcore-Band ASSJACK. So viel zum musikalischen Background des Mannes, der sich zwischen traditionellem Country, Folk und rauem Garage-Rock bewegt und sich selbst als Hillbilly-Punk bezeichnet.

Musik macht der Mann aus dem 17.000-Einwohner-Städtchen Murray im US-Bundesstaat Kentucky bereits seit seiner Kindheit. Buck wuchs auf einer Farm auf und musizierte dort mit seiner gesamten Großfamilie. Mit 18 verließ er schließlich die vertraute Umgebung und brach auf, um die Welt und vor allem die Musik zu entdecken. In Chicago lernte er Leila Vartanian kennen und gründete mit ihr die Formation GRINGO, die 1995 und 1997 zwei herausragende Alben beim in Chicago ansässigen Label Pravda Records veröffentlichte. Diese Joe Buck Yourselflieferten eine melancholische Mischung aus Americana, Blues, Folk und Country, die von Kritikern euphorisch gefeiert wurde.

Das Duo kam schließlich auch privat zusammen und öffnete in Nashville „Jim and Layla‘s Bar“, allerdings hielt die Beziehung nicht sehr lange. Buck zog weiter und schloss sich den eingangs erwähnten Bands an, wobei er durch Sänger J.D. von den LEGENDARY SHACK SHAKERS und Hank III neue musikalische Gefilde ergründete. Nach diversen EPs erschien 2007 schließlich das erste Full-Length-Solo-Album, das den schlichten Titel „Joe Buck Yourself“ trug und all die Einflüsse, die Buck in den Jahren zuvor wie ein Schwamm aufgesogen hatte, widerspiegelte. Tatsächlich fällt es schwer, Songs wie „Evil Joe Buck YourselfMotherfucker From Tennessee“ oder „Born to Scare“ einzuordnen. Man mag es Gutter-Blues, Hillbilly- Punk oder Country-Scum nennen, letztlich aber ist das, was der Mann aus Tennessee macht, sehr eigenständig, einzigartig und verfügt über einen hohen Wiedererkennungwert.

Mittlerweile sind mit „Piss and Vinegar“ und „Who Dat?“ weitere Alben erschienen, wobei „Piss and Vinegar“ aus dem Jahr 2010 größtenteils Neuinterpretationen der Songs des Erstlingswerkes enthält. Von den Live-Qualitäten des Amerikaners hatte ich bereits viel gehört, die Möglichkeit, ihn zu sehen, bot sich jedoch bisher noch nicht, was die Vorfreude auf den gestrigen Gig in der Bessunger Knabenschule in Darmstadt umso größer machte.

Joe Buck YourselfBei meiner Ankunft gegen 22 Uhr stand Joe, der eigentlich Jim heißt, vor seinem schwarzen Van und war sichtlich nervös. Grund dafür war wohl, dass sich bis dahin gerade mal zehn Besucher eingefunden hatten. Als es eine halbe Stunde später losging waren es immerhin 40, die den kleinen Raum recht gut ausfüllten. Buck hatte auf einem Hocker auf der Bühne Platz genommen, seine Gitarre in den Händen und vor ihm seinen Gitarrenkoffer platziert, der während der Show als Bassdrum fungierte.

In Kombination mit dem skurrilen Aussehen des dürren, aber gut 1,90 Meter großen Mannes bot dies schon mal ein ungewohntes Bild. Und ganz im Gegensatz zu den sehr aggressiven Tracks des Debüt-Albums, die auf einen angepissten Hillbilly schließen ließen, machte Buck einen eher schüchternen, Joe Buck Yourselfsehr sympathischen Eindruck. Er bedankte sich zunächst für das Erscheinen jedes Einzelnen und legte dann los. Als er den ersten Applaus erntete, war er sichtlich gerührt und lobte das Publikum mit den Worten „You are so beautiful, thank you very, very much, it‘s an honor to be here.“

Fast schien es, als würde der Mann, der da saß, hier einen seinen ersten Auftritte absolvieren und aufgrund der positiven Resonanz überrascht und überwältigt sein. Nach jedem weiteren Applaus saß er staunend da und schüttelte nur den Kopf ob der Sympathie, die ihm entgegen gebracht wurde. Und das Ganze war nicht gespielt, man spürte förmlich, wie er sich mit jeder Beifallsbekundung Joe Buck Yourselfsicherer fühlte, mehr aus sich herauskam und von sich preisgab. Zwischen den Songs erzählte er von seiner Kindheit auf der Farm, vom Touren, wie sehr er seinen kleinen Sohn vermisse und darüber, wie hässlich er doch sei. Eine sonderbare Selbsteinschätzung, andere Punk-Rocker würden sich vermutlich über die Körpergröße und das noch vorhandene Haar mit Mitte 50 freuen.

Hinzu kommt, dass ich selten zuvor einen Menschen erlebt habe, der so viel Charisma und Bühnenpräsenz hat wie der Amerikaner. In einem Interview gab er mal zum Besten, wie sehr es ihm missfällt, dass heutzutage Ärzte ihren Beruf nicht mehr ergreifen, um Menschen zu helfen, sondern um möglichst viel Geld zu verdienen. Die gleiche Problematik habe er im Musikbusiness beobachtet, es gehe den Künstlern nicht mehr darum, Musik zu machen, weil es ihre Joe Buck YourselfBestimmung sei und diese vom Herzen komme, sondern weil es ihnen Geld bringe. Dies ist zweifelsohne bei Joe Buck nicht so, alle seine Alben sind in Eigenregie entstanden und lediglich als günstig produzierte CDs im Pappschuber erhältlich. Für ihn scheint das Musikmachen und Performen gleichermaßen Bedürfnis, Berufung und Therapie zu sein.

Joe Buck YourselfBuck bot sein komplettes Repertoire dar, darunter aggressive Punk-Hymnen wie „Planet Seeth“, finstere Midtempo-Rocker wie „Devil is on his Way“ und außerdem melancholische Balladen wie „Bitter is the Day“. Nach dem regulären Set gab es dann nochmal so viel Applaus, dass es ihm sichtlich peinlich war, sich einfach von der Bühne zu stehlen und so spielte er noch einen Song und noch einen und noch einen, da der Beifall einfach nicht aufhören wollte.

Joe Buck YourselfAll dies war mehr als ein herkömmliches Konzert, viel mehr fühlte es sich an, als ob man einen neuen Freund gewonnen oder einen sehr interessanten Menschen kennengelernt hätte. Dieser Eindruck setzte sich auch nach dem Gig fort, als ich mit Buck vor dem Club ins Gespräch kam und er die erstandenen Tonträger signierte. Dabei behielt er versehentlich den Stift von einem unserer Fotografen, rannte uns aber, als wir bereits Richtung Auto unterwegs waren, noch deshalb hinterher und rief sogar unsere Namen, die er sich tatsächlich gemerkt hatte. Somit wird mir Joe Buck vermutlich als der netteste „Evil Motherfucker from Tennessee“ in Erinnerung bleiben, den ich je kennenlernte. Ein denkwürdiger Abend.

Links: https://www.facebook.com/Joe-Buck-Yourself/, https://www.reverbnation.com/joebuckyourself, http://www.last.fm/music/Joe+Buck+Yourself

Text: Marcus / Fotos (10) & Clips: Micha / Fotos (6): Kai

Alle Bilder:

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