Das Bett, Frankfurt, 24.02.2016
Bei mir hätte es es auch MACHINE HEAD sein können am gestrigen Abend. Doch die Band gehört inzwischen zum Metal-Mainstream – die Batschkapp ist schon lange ausverkauft. Zum Glück. Zeitgleich fand im Frankfurter Club „Das Bett“ mit den Shows von KING DUDE (rechts) und (DOLCH) nämlich ein Event statt, dass das Zeug hat zu einem zu werden, mit dem man später angeben kann. So speziell und eigen waren die dort auftretenden Künstler, die sich das Label teilen (Ván Records – ein Hort für genau solche Leute mit Schwerpunkt auf Gitarreneruptionen sowie Ambientklänge, Hauptsache düster) und auf diesem auch eine Splitsingle gemeinsam veröffentlichten, dass es schon schwer fällt, zum Zwecke dieser Berichterstattung Material zu finden, um sie der Leserschaft vorzustellen.
Da ich das von (DOLCH), dem Support gestern, schon wusste, hatte ich mir bereits vor dem Auftritt Splitsingle und CD mit den beiden Demos drauf zugelegt – das reizende Paar am Merchstand bedankte sich „für die Unterstützung“ und die Lady rannte mir sogar noch hinterher, weil noch zwei Poster zum Kauf gehörten. Sehr freundlich. Man braucht nicht viel Fantasie um zu vermuten, dass genau diese Dame es war, die anschließend mit vier Mitstreitern unter Roben und vor etwas blauem Gegenlicht die Teile des Publikums verzauberte, die dafür bereit waren und nicht lieber rauchend vor dem Saal auf KING DUDE warteten. Auf der Labelseite werden (DOLCH) als „Doom, Black, Postpunk“ verkauft – und ich kann mir diese Combo als experimentelle Ausreißer auch durchaus auf dem Hammer Of Doom- Festival vorstellen.
Trotzdem kann man das nur unter „Metal“ subsumieren, wenn man diesen Begriff sehr, sehr weitflächig sieht. Rifflastig war das nicht, aber sehr einnehmend durch minimal wavige, von mir aus postpunkige Gitarrenläufe und dem fast schon erzählenden Gesang. Stimmungstechnisch fühlte ich mich an BLACK MATH HORSEMAN erinnert, der kurzlebigen Band um MOTHER TONGUE-Drummer Sasha Popovic und IDES OF GEMINI–Sirene Sera Timms. Das Paar von (DOLCH), das sich im scheinbar bisher einzigen Interview mit der Musikpresse (Deaf Forever #7) M und T nennt, legt aber weit mehr Wert auf Anonymität als BLACH MATH HORSEMAN es taten, weswegen außer einer Bandcamp-Seite auch nichts über sie zu finden ist. Ihre Musik gibt es da aber, und die sorgt für einen hypnotischen Sog, dem zumindest ich mich nicht entziehen kann. Nach dem knapp halbstündigen Auftritt blieben aber noch viele Fragen, die ich gern beantwortet bekäme. Zum Beispiel die: Wieso verkaufen (DOLCH) am Merchstand Wildschweinzähne? Ein Kuriosum, das es aufzuklären gilt. Hoffentlich in nicht allzu ferner Zukunft… Für die Review zum Gig von KING DUDE übergebe ich nun an den Kollegen Marcus.
Als ich auf dem Fahrrad in Richtung Gallus-Viertel rollte, wurde mir klar, wie beschissen kalt es draußen war. „Ein Schal wäre jetzt nicht schlecht“, dachte ich und – Bingo – als ich die Halle betrat, bot KING DUDE tatsächlich welche an seinem Merchandise-Stand an. Allerdings waren diese schwarz und wurden von weißen Runen und einer ebensolchen Frakturschrift geziert. Dies mag in KING DUDEs Heimat Seattle als hip gelten, hierzulande ist es doch eher bedenklich, da Runen für uns noch immer eine Assoziation zum dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte wecken – ob wir wollen oder nicht.
Ich erwähne das an dieser Stelle, weil eben jene Rune nicht nur am Verkaufstisch, sondern auch beim Auftritt des Amerikaners omnipräsent war und das Ganze, noch dazu in Kombination mit den schnittigen Kurzhaarfrisuren und den schwarzen Klamotten der Band, etwas befremdlich wirkte. Doch um gleich zu Beginn alle Zweifel beiseite zu räumen: KING DUDE hat nach eigenem Bekunden nichts mit rechtem Gedankengut zu tun, vielmehr führt er die Verwendung der Rune auf die Tatsache zurück, dass seine Mutter eine praktizierende Hexe ist und er in einem Umfeld heidnischer Rituale und Magie aufwuchs. Die verwendete Rune (Nauthiz) steht für bewusstes Erkennen, Wahrnehmen und Läuterung und symbolisiert im alten Tarot zudem die Karte des Teufels.
Der Mann hinter KING DUDE heißt Thomas Jefferson Cowgill, gründete 2003 noch als langhaariger Metalhead die Death-Metal-Combo BOOK OF BLACK EARTH, die noch immer existiert und mittlerweile auf drei Alben zurückblickt. Neben weiteren musikalischen Projekten wie CROSS und OVRKKL (beide im Black Metal angesiedelt) startete er 2010 eine Solo- Karriere als Folk- Sänger KING DUDE und feierte damit bisher größere Erfolge als mit seinen Metal-Projekten, denn ähnlich wie bereits in den 1960er Jahren erfreuen sich dieser Tage okkulte Bands und Themen wieder großer Beliebtheit. Darüber hinaus ist der Mann Modedesigner (sein Label heißt Actual Pain), wurde 2014 von GHOST als Opener für deren US-Tour auserkoren, hat bereits mit der zauberhaften Folk- Sängerin Chelsea Wolfe, mit der niederländischen Ambient-Band URFAUST und mit (DOLCH) Split-Singles aufgenommen und tritt 2016 auf dem Wacken Open Air auf, warum auch immer.
Noch im vergangenen Jahr gastierte KING DUDE im Kölner Underground allein und nur mit Gitarre, diesmal trat er in Begleitung von THE DEMON BROTHERS mit Keyboard/Gitarre und Schlagzeug an, was sich positiv auf den Sound auswirkte. Der Amerikaner hat bisher fünf Alben veröffentlicht, die hauptsächlich zwei Arten von Songs enthalten: Zum einen klassische Akustik-Stücke mit düsterem Sprechgesang, zum anderen stimmungsvollere Tracks mit erweiterter Instrumentierung und aggressiveren Vocals. Letztere sind es, die mich gestern in „Das Bett“ lockten, denn die reinen Folk-Songs sind mir doch etwas zu monoton, obgleich man KING DUDE zugestehen muss, dass er über eine charismatische Stimme verfügt, die hier und da ein wenig an die von Nick Cave erinnert.
So waren Lieder wie „Rose Mary“ und „Fear is all you know“ für mich die wenigen Highlights des Abends. Aber vielleicht war ich auch mit falschen Vorstellungen ins Konzert gegangen, hatte mehr Nick Cave und weniger DEATH IN JUNE erwartet. Letztlich dominierten aber die ruhigen Folk-Songs den Gig. Stimmungsvoll war’s dennoch, auch der KING präsentierte sich ob des gut gefüllten Clubs wohl gelaunt. Er versuchte gar des Öfteren mit dem Publikum zu kommunizieren, was jedoch auf kaum Resonanz stieß. Überhaupt blieb die Menge sehr ruhig, was vielleicht daran lag, dass viele Leute wegen (DOLCH) gekommen waren und mit dem eher konventionellen (Neo-)Folk wenig anfangen konnten. Ich werde KING DUDE auf jeden Fall im Auge behalten und wünsche mir, dass sich die Band weg vom klassischen Folk und mehr in Richtung von Combos wie THOSE POOR BASTARDS oder MURDER BY DEATH bewegt. Den Heimweg trat ich übrigens ohne einen Schal an…
Links: http://dolch.bandcamp.com/, https://www.facebook.com/kingdudemusic/, https://myspace.com/kingdudes, https://kingdude.bandcamp.com/, http://www.last.fm/de/music/King+Dude
Text (DO), Fotos (13) & Clips: Micha / Text (KD): Marcus / Fotos (12): Kai
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