Brotfabrik, Frankfurt, 21.02.2015
Durchaus regelmäßig durchstreife ich die Homepages der oft von mir frequentierten Konzertveranstalter des Rhein/Main-Gebiets auf der Suche nach den neuesten Auftritten von meinen Lieblingsbands oder nach Auftritten neuer und zukünftiger Lieblingsbands. Seiten von Rockclubs wie Batschkapp, Das Bett und Schlachthof besuche ich täglich, etwas seltener dann die Läden, in die ich mich nicht so oft verirre – zu denen gehört die Brotfabrik. Immer auf der Suche nach Novitäten für Euch und Amüsement für mich. Ich staunte nicht schlecht, als ich bei der Location im Frankfurter Stadtteil Hausen die Nachricht las, dass Kinky Friedman dort auftritt. Kinky Friedman? Der Kinkster? Ist denn das zu fassen, dachte ich.
Friedman – Country-Star, der seine größten Erfolge vor knapp 40 Jahren hatte, der mit Willie Nelson befreundet ist (ohne jemals den bekannten Nashville-Outlaws angehört zu haben wie den HIGHWAYMEN Cash, Jennings, Nelson und Kristofferson) und seit den Achtzigern vermehrt Bücher schreibt, darunter höchst amüsante Krimis mit ihm selbst in der Hauptrolle und dem Geist von Hank Williams als Inspiration. Der Lokalpolitiker aus Texas, der sich 2006 als Unabhängiger zur Wahl zum Gouverneur stellte (und verlor). Ich wusste nicht, ob Friedman überhaupt jemals in unseren Breiten auf Tour war; mittlerweile ist mir bekannt, dass er vor längerer Zeit schon durch das Bundesgebiet tourte und es ihn 2013, nach knapp zehnjähriger Pause von Deutschland, nach Mainz zog. Zur Eröffnung eines jüdischen Kulturfestivals. Friedman ist Jude – und Deutschland, Österreich und die deutschsprachige Schweiz sind seine „second favorite countries“. Seine „most favorite countries“ sind alle anderen.
Man kann das dem 1944 Geborenen nicht verdenken, viele jüdische Künstler hatten nach dem Krieg wenig Lust, das „entnazifizierte“ Deutschland zu bespaßen. Und Spaß machen Friedmans Lieder, auch wenn sie rein musikalisch ganz normalen C&W darstellen und nicht zum Crossover mit eruptivem Rock’n’Roll neigen – der C&W-Spielart, die von meinen Rockstage-Kollegen eher goutiert wird. Textlich sieht das bei Friedman schon wieder ganz anders aus. Ob seine Kampfansage an „Women’s Lib“ aus den Siebzigern, „Get Your Bisquits in the Oven and Your Buns in the Bed“, seine Antwort auf Merle Haggards reaktionäre Nummer „Okie From Muskogee“, „Asshole From El Paso“ oder seine Abrechnung mit Rassisten in „They Ain’t Making Jews Like Jesus Anymore“ (alle drei wurden im Verlauf des Konzerts gespielt) – Kinky ist ein begnadeter Satiriker mit spitzem Humor, der niemals platt und albern wirkt.
Leider war das nicht allen Gästen in der bestuhlten Brotfabrik klar. Ich musste an einen Cartoon denken, den ich kürzlich im Ox-Fanzine las und in dem das lachende Publikum eines fremdsprachigen Erzählers karikiert wurde. In einer Gedankenblase eines Schenkel klopfenden Strichmännchens stand „Ich wiederhole mal das letzte Wort, damit jeder hier weiß, wie gut ich Englisch kann“ während er exakt dieses tat – und genau dieser Mensch saß hinter mir, leider. Wiederholen und Schenkelklopfen bei Geschichten, aus denen durchaus (Selbst-)Ironie zu hören war, die ansonsten aber teilweise so lustig waren wie Keuchhusten.
„A journey in time“ war das Motto des Abends und der Kinkster stellte sein neues Buch vor. Ein Buch, in dem er texanische Helden seiner Jugend porträtiert, von denen er befürchtet, dass sie vergessen werden. „You probably know more about these people than the kids in Texas do“, schmeichelte er den Anwesenden und las ein Kapitel über seinen Vater vor.
2013, auf der „Bi-Polar“-Tour, spielte Friedman im Großen und Ganzen die gleichen Songs wie diesmal und erzählte auch die gleichen Witze und Geschichten, wie ich durch Aufnahmen davon mittlerweile erfahren habe. Auch seine Huldigung an den großen Paul Robeson („I was a jewish boy in Texas, listening to a black cummunist singing a song about an catholic irish hero“), die mich schwer beeindruckte, ist wörtlich so auf der Aufnahme „Bi-Polar Tour: Live From Woodstock“ zu hören. Nur bekommen seine „second favorite people“ auf dieser Aufnahme weit mehr Fett weg als in der Brotfabrik, warum auch immer. Trotzdem waren die fast zwei Stunden, die Friedman auf der Bühne stand (mit halbstündiger Pause), eine Lehrstunde in Sachen Charisma und Persönlichkeit. Und gar nicht hoch genug anrechnen kann man ihm, dass er vor dem Konzert, in der Pause sowie nach dem Auftritt nicht nur jedem die Bücher und Tonträger signierte, die Roadmanagerin Zoe verkaufte; sondern auch alle, die mitgebracht wurden. Alle. Es war mir eine Ehre und ein besonderes Vergnügen.
Links: http://www.kinkyfriedman.com/, https://myspace.com/kinkyfriedman1, http://www.reverbnation.com/kinkyfriedman, http://www.lastfm.de/music/Kinky+Friedman
Text, Fotos & Clips: Micha
Alle Bilder: