Frankfurt, Februar 2015 – Interview
Die Musikkneipe Feinstaub im Frankfurter Nordend überrascht uns immer mal wieder mit feinen Aktionen, die weit über den Horizont einzelner Konzert- und mottolastiger DJ-Abende hinausgehen. Seit dem 17. Januar zeigt die In-Location nun im Rahmen der „Kiryk Rock Art Exhibition“ eine größere Anzahl von Postern, Flyer- und Plattenmotiven des Berliners Kiryk Drewinski. Zur Eröffnung der Ausstellung war der Künstler nicht nur selbst anwesend, er spielte mit seiner Psychedelic-Rock-Band WEDGE auch gleich noch eine Show. Gute Gründe für uns, dem Sänger, Gitarristen und Grafiker in Personalunion ein paar Fragen zu seinen musikalischen und künstlerischen Aktivitäten zu stellen.
Wer beim Lesen des folgenden Interviews gerne dem Debütalbum von WEDGE lauschen möchte, der klicke auf den Pfeil:
Kiryk, danke, dass Du Dir die Zeit nimmst. Wie hat Dir Euer Auftritt im Feinstaub gefallen?
Bevor Du mit WEDGE durchgestartet bist, bist Du häufig mit MAGNIFICENT BROTHERHOOD in Frankfurt zu Gast gewesen. Außerdem habe ich gelesen, dass Du noch in diversen weiteren Bands spielst oder gespielt hast. Welche sind noch aktiv, wie ist der aktuelle Stand?
Das stimmt. Von den bekannteren sind, wie schon erwähnt THE MAGNIFICENT BROTHERHOOD und LIQUID VISIONS zu nennen. Zur Zeit bin ich aber nur noch mit WEDGE aktiv. Ich konzentriere gern all meine Energie nur auf eine Sache.
WEDGE gibt es erst ein Jahr und doch klingt das Zusammenspiel zwischen Dir und Deinen Mitstreitern David und Holger perfekt. Wo hast Du die beiden kennengelernt und wie kam es zur Bandgründung?
Danke! THE MAGNIFICENT BROTHERHOOD waren seit jeher – unseren Organisten Erik und mich ausgenommen – ein ziemlich lockerer Haufen. Wir hatten immer schon wechselnde Drummer und Bassisten. Auf diese Weise ergab sich nach über zehn Jahren ein Pool an sehr guten Musikern,
WEDGE im Feinstaub, 17. Januar 2015
auf die wir zurückgreifen konnten, wenn jemand mal nicht verfügbar war. Holger oder „The Holg“, wie wir unseren Schlagzeuger WEDGE-intern gern nennen, gehörte ebenfalls zu dieser „glorreichen Bruderschaft von Musikern“ und so kam es, dass wir schon früher gemeinsam Gigs bestritten. Als ich irgendwann darüber nachdachte, eine neue Band ins Leben zu rufen, kam mir sofort der Holg als passender Drummer in den Sinn… David war als Holgers alter musikalischer Weggefährte und langjähriger Mitbewohner die logische und perfekte Ergänzung unseres Trios. Er ist ein Multiinstrumentalist, wovon die Band sehr profitiert.
Euer erstes, selbstbetiteltes Album rotiert dieser Tage häufig auf meinem Plattenteller. Wie ist die Resonanz auf die Scheibe ausgefallen und was können wir in näherer Zukunft von Euch erwarten?
Die Resonanz auf die Scheibe ist durchweg positiv – und das obwohl sie eigentlich nur als Demo aufgenommen wurde, um als neue Band erstmal Gigs zu bekommen. Wir wurden quasi erst durch das positive Feedback auf die Aufnahmen dazu motiviert, diese auf LP und CD herauszubringen. Wir wollen nach Möglichkeit schon bald nachlegen und das zweite Album der Band auf Band bannen. Na, und natürlich werden wir in nächster Zeit sehr viel touren!
Auf der BackstagePro-Website ist zu lesen, Du seist „einer der führenden psychedelischen Gitarristen Deutschlands“. Geht runter wie Öl, oder?
Nun, ich mache schon seit vielen Jahren Musik und irgendwie war Psychedelic schon immer ein fester Bestandteil meines Sounds, mit welcher Band und in welcher Form auch immer… Und das scheint sich wohl herumgesprochen zu haben… zumindest in Deutschland, haha!
Welchen Raum nehmen Deine musikalischen und Deine künstlerischen Aktivitäten in Deinem Leben ein? Was genießt Priorität? Und kommst Du neben diesen beiden großen „Baustellen“ überhaupt noch zu anderen Dingen?
Nein. Diese beiden Dinge füllen mein Leben zu mehr oder weniger gleichen Teilen total aus – abgesehen vielleicht von einer gelegentlichen Prise Schlaf ab und an. Wenn ich nicht gerade Musik mache oder sonst irgendwie mit der Band beschäftigt bin zeichne ich Poster, Plattencover, etc. Das finde ich aber auch nicht wirklich schlimm. Es sind ja schließlich auch gleichzeitig meine Hobbys. Ich könnte damit nicht zufriedener sein.
Jetzt würde ich gern weiter auf Deine Aktivitäten abseits der Bühnen der Republik zu sprechen kommen. Wann hast Du gemerkt, dass Du ein künstlerisches Talent hast und wie wurdest Du gefördert? Wieviel Prozent Deiner Arbeit sind Inspiration und wieviel Transpiration?
Meine Eltern sind beide Künstler, von daher bin ich mit dem Entwerfen von Postern, dem Blick für Formen, der grafischen Suche nach Ideen, etc. groß geworden. Zudem ist mein Vater Lex Professor für Grafikdesign, und obwohl er als politisch und sozial engagierter Plakatmacher künstlerisch einen komplett anderen – strikt ornamentlosen und aussagebetonten – Weg eingegangen ist als ich, genoss ich sozusagen eine private Ausbildung zuhause. Wir diskutieren auch heute noch sehr viel miteinander über diese Themen. Außerdem war Rockmusik, seitdem ich denken kann, auch ein lauter Begleiter der Familie. Man könnte nun sagen, dass ich nicht wirklich eine Wahl gehabt hätte, aber ich sehe das alles eher als Glück an.
Natürlich hatte auch ich eine rebellische Phase mit etwa 14 Jahren, in der ich dachte, lieber coolen Hip Hop hören zu müssen. Aber spätestens als ich all die Samples der Rapper auf den James Brown-, Sly Stone-, Beatles- und Hendrix-Platten meiner Eltern wiederfand, war die Enttäuschung doch eher groß. Und als mir dann noch klar wurde, dass Graffiti seine Inspiration zum großen Teil aus Popart und der bunten Posterwelt der Rockszene der 60er Jahre zog, „landete ich in den 60ern“ und entdeckte meine Gitarre wieder, die ich im Kindesalter von meinen Eltern bekommen, aber seitdem nicht angerührt hatte. Eines Tages brauchte meine erste Psychedelic-Band ein Gig-Poster und so mache ich nun seit über 20 Jahren psychedelische Poster und Rockmusik.
Woran orientierst Du Dich für Deine Flyer, Plattencover und Plakate?
Wenn ich ein Poster oder ein Plattencover entwerfe brauche ich zunächst eine gute Idee, die im Bezug zu dem Bandnamen, der Veranstaltung, dem Plattentitel, der Musikrichtung etc. steht. Damit fängt alles an. Manchmal offenbaren sich diese Ideen dem Betrachter nicht sofort, sondern erst wenn man den Kontext kennt oder sich zumindest etwas Zeit nimmt, eine Verbindung zwischen den genannten Sachen in den Arbeiten herzustellen. Die Poster wirken zunächst auf der dekorativen Ebene. Der Aha-Effekt kommt meistens später.
Gibt es Vorbilder? Oder so etwas wie Lieblingsmotive?
Sehr oft wähle ich lebende Motive wie Menschen oder Tiere, da ich mit „toten“ Gegenständen nicht viel anfangen kann. Wie schon erwähnt finde ich sehr große Inspiration in den Rockpostern der 1960er Jahre. Vor allem die Poster-Künstler der Westküste der USA jener Zeit wie Stanley Mouse, Wes Wilson und Victor Moscoso haben mich beeinflusst. Aber auch englische Künstler wie Hapshash and the Coloured Coat und Popart im Allgemeinen. Ebenso wie diese Leute bin ich auch großer Liebhaber der Kunst um 1900. Aubrey Beardsley, Alfons Mucha, Koloman Moser, Eugene Grasset und viele andere wären da zu nennen.
Ich habe gesehen, dass Du auch schon Motive für Seifenverpackungen und Shampoo entworfen hast. Wie kommt solch ein Kontakt zustande, wie werden solche Unternehmen auf Dich aufmerksam?
Ich weiss das eigentlich gar nicht so genau. Ich bekomme in 90 Prozent aller Fälle einfach eine Email mit einer Auftragsanfrage. Was es ist, ist mir so gesehen gleich – vorausgesetzt es ist für mich vertretbar, natürlich. Ob es eine Seifenverpackung ist, ein Bassdrumfell, ein Logo, ein Shirt, eine Hausfassade, etc. ist eigentlich nicht weiter von Bedeutung. Ich mache gern verschiedene Sachen und probiere Neues aus.
Nimmst Du zugunsten Deines Lebensunterhaltes jeden Auftrag an oder ist es für Dich wichtig, hinter den Produkten zu stehen? Kannst Du es Dir erlauben, Aufträge abzulehnen?
Da ich aufgrund meiner Musik relativ wenig Zeit für Aufträge habe, nehme ich diese nur an, wenn a) mir die Musik der Band bzw. das Produkt selbst gefällt, b) ich sichergehen kann, dass ich freie Hand bei meiner Arbeit habe und c) die Kohle stimmt 😉 Wenn diese drei Kriterien nicht passen, schreibe ich lieber einen Song oder mache mich einfach an den nächsten Auftrag. Ich kann mich über die Auftragslage nicht beklagen und meistens muss ich die Leute vertrösten oder auf eine Warteliste setzen, denn meine Arbeit erfordert eh schon ziemlich viel Zeit, da ich alles von Hand zeichne, bevor ich es am Computer druckfertig mache. Und weil ich sehr darauf bedacht bin, in jeder meiner Arbeiten eine gute, Thema-bezogene Idee zu haben, dauert es oft schon einige Zeit diese nur zu finden. Zu allem Überfluss bin ich Perfektionist und „erst fertig wenn ich fertig bin“. Ich lasse mich ungern hetzen, denn genau diese Ideen und die Qualität der Arbeiten unterscheiden mich von manch anderen Plakatmachern, die einfach nur Schrift anordnen oder eine Google-fertige Figur auf dem Format platzieren.
Wer hatte die Idee, Deine Werke im Feinstaub zu zeigen? Zieht die Ausstellung weiter und wenn ja, wo kann man sie als nächstes sehen?
Laiki Kostis, für dessen Veranstaltungen in Frankfurt ich sehr viele Poster gemacht habe und immer noch mache, kam auf die Idee. Ich muss aber zugeben, dass ich mich nicht gern um Ausstellungen und dergleichen kümmere. Dafür fehlt mir leider einfach die Zeit. Wenn es jemand organisiert, mache ich Ausstellungen sehr gern, aber ich bemühe mich nicht gerade darum. Von daher ist es nicht an mir, ob die Ausstellung weiterzieht. Ich hätte auf jeden Fall nichts dagegen!
Die Ausstellung mit Kiryk Drewinski’s Werken ist noch bis zum 18. April 2015 im Feinstaub zu sehen. Wer WEDGE live erleben möchte, hat in Frankfurt schon bald wieder die Gelegenheit dazu: Die Formation spielt am 8. Mai im Club „Das Bett“ beim „High in the Sky“-Festival.
Links: http://www.kiryk.com/home.html, https://www.facebook.com/kiryk1, http://www.wedgeband.com/home.html, https://www.facebook.com/wedgeband, https://wedgeband.bandcamp.com/
Interview: Stefan / Fotos: Kai