Frankfurt, 29. April 2020
Viel positives Feedback hat uns zum ersten Teil unseres Konzertkarten-Specials erreicht. Danke. Die kleinen Geschichten und Gedanken rund um die (früher noch sehr fantasievollen) Motive der Tickets scheinen Euch genauso viel Spaß zu machen wie uns. Hier folgt nun der zweite Teil zu den Einlasskarten der Achtziger Jahre. Auch dabei haben wir wieder versucht, eine Mischung zu finden aus Interpreten, die seinerzeit auf dem Höhepunkt ihrer Weltkarrieren waren (wie AC/DC und die RAMONES), Stars, die heute noch immer aktiv sind (wie THE CURE, Alice Cooper und DIE TOTEN HOSEN) und „Szene-Bands“ wie D.R.I., DEMENTED ARE GO und die TOY DOLLS. Schaut mal, was wir für diese Folge ausgegraben haben. Wie gewohnt lassen sich alle Tickets durch Anklicken vergrößern. Viel Vergnügen beim Anschauen, Lesen und vielleicht auch dem Schwelgen in den eigenen Erinnerungen…
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Die Toten Hosen, Juni 1987
Das Konzert der TOTEN HOSEN im Frankfurter „Vobi“ war die intensivste und beste Show, die ich von dieser Band gesehen habe. Sie fing mit einer Überraschung an und sollte mit einer weiteren enden. Die erste Überraschung war die Vorgruppe „Blubbery Hellbellies“, für mich damals völlig unbekannt. Allein für diese Combo hatte sich der Eintritt schon gelohnt. Doch dann kamen die HOSEN. Deren Auftritt war für die Zuschauer ein einziger Pogo. Heute würde ich nicht mehr ein einziges Lied durchstehen. Plötzlich standen alle nackt auf dem Podest und die Band fing an, die Bodyguards und Bühnenhelfer zu entkleiden und ins Publikum zu schubsen. Um Mitternacht hatte Sänger Campino Geburtstag (Überraschung 2). Das Lied „Wir geben eine Party und Ihr kommt nicht rein“ wurde auf den Kopf gestellt. Nur einer musste vorzeitig gehen: Ein Bekannter war aus dem Krankenhaus geflüchtet, um das Konzert zu erleben. Sein Vater kam kurz vor dem Ende und schleifte ihn an den Ohren aus dem Saal. Alle anderen feierten ein Riesenfest, das mit unzähligen blauen Flecken und einem Bänderriss im Freundeskreis endete. (kn)
D.R.I., September 1987
Es war schon recht ungewöhnlich, dass die texanische Hardcore-Legende D.R.I. 1987 einen Gig in der Frankfurter Batschkapp spielte, hätte man die Jungs doch eher in einem kleineren Club erwartet. Schuld daran war vermutlich das im gleichen Jahr erschienene Album „Crossover“, auf dem die Band ihren Hardcore mit Metal mischte und somit auch für Metal-Fans interessant wurde. Soweit ich mich erinnere, waren es dennoch nicht allzu viele Gäste, die sich damals in die Batschkapp verirrten. Eine Überraschung stellte der Opener dar, bei dem es sich nicht – wie auf dem Ticket angekündigt – um die deutschen HOLY MOSES handelte, sondern um die US-Amerikaner HOLY TERROR, die damals erst eine Scheibe am Start hatten, die es aber in sich hatte. Noch heute zählt „Terror and Submission“ zu meinen Lieblingsalben des Metal-Genres. Tatsächlich erwarb ich an jenem Abend einen riesigen Autoaufkleber, der das HOLY TERROR-Logo zeigte und kurze Zeit später bei meiner Zivildienststelle – einer kirchlichen Institution – für Diskussionsstoff sorgte. Unterm Strich war‘s ein herausragender Abend mit gleich zwei Kult-Bands. (mm)
The Cure, Oktober 1987
Dass Konzertkarten im Lauf der Jahre ein wenig Patina ansetzen ist nichts Ungewöhnliches: Manche haben Löcher, weil sie an einer Pinnwand hingen, manche wurden durchs Einkleben in Fotoalben mit Tesafilm verunstaltet und manche haben eine Menge Flecken oder Knicke: So wie dieses Exemplar zum Konzert von THE CURE in der Frankfurter Festhalle, das den schwitzigen Abend
anno 1987 in meiner Jeanshosentasche verbrachte. Die Briten promoteten ihr neues Album „Kiss Me Kiss Me Kiss Me“, das unter anderem mit den Hits „Why Can’t I Be You?“ und „Just Like Heaven“ aufwartete. Ich weiß noch, dass auf einer riesigen Leinwand ein gigantischer Kussmund zu sehen war, der sich quasi als Startschuss zum Konzertbeginn unter dem Jubel des Publikums öffnete. Großes Kino. (sm)
Toy Dolls, November 1987
Der 9. November 1987 ist ein historisches Datum. An jenem Tag versammelte sich beispielsweise die halbe Oberstufe meiner Penne in der Bonner „Keksdose“, wie die Biskuithalle auch genannt wird, um das Tanzbein zu den Songs der Fun-Punker TOY DOLLS zu schwingen. Deren Hit „Nelly the Elephant“ war auf unseren Oberstufen-Parties schnell zum Klassiker geworden und sorgte gleichzeitig für Bestürzung beim Aufsichtspersonal. Denn trinken durften wir im Schulgebäude zwar nicht, aber dafür ließen wir uns das Pogen umso weniger nehmen. Und beim Gig der Nordengländer konnten wir jetzt beides tun. Hurra! Ich habe heute noch einen meiner Mitschüler vor Augen, der sich zur Vorbeugung die Brille mit einem Band um den Hals befestigt hatte, bevor er den wilden Tanz in der Biskuithalle begann. Kurze Zeit später hing an beiden Enden das Bandes jeweils eine halbe Brille. Der Herr ist mittlerweile übrigens Jura-Professor. Aber die TOY DOLLS mag er immer noch, das weiß ich. (jr)
Demented Are Go, Februar 1988
DEMENTED ARE GO ist die letzte Band, die ich vor dem virusbedingten Lockdown im März 2020 gesehen habe. Somit gut 32 Jahre, seitdem ich sie zum ersten Mal in Köln erleben durfte. Interessant ist dabei, dass die Trashbilly-Combo um Sparky Philips trotz dessen exzessiven Lebensstils heutzutage überzeugend tight auf der Bühne rockt. Das war im Rose Club nicht unbedingt der Fall. Sparky konnte seine Drogenenergie damals noch nicht so gut bündeln, allein das Stehen war schon schwierig genug für ihn. Bevor die Waliser das Podest betraten, traf ich ihn übrigens im Klo, ohne ihn jedoch zu erkennen (ich kannte ihn ja nur von Platten). Ich wunderte mich, wer dieser komplett geschminkte und wirr in kaum verständlichem Englisch quasselnde Typ war, der mich da ansprach. Später wurde es mir klar. Um seine Aussetzer während der Show auszugleichen, hatte die Band auch noch eine Art Alleinunterhalter dabei, irgendjemand in einem Kostüm, der mit einem langen, mit Glocken versehenen Stock herumhüpfte. (jr)
AC/DC, März 1988
Ich war ziemlich enttäuscht, als meine beiden älteren Brüder im November 1978 ohne mich nach Amsterdam fuhren um sich ein AC/DC-Konzert anzuschauen. Okay, ich war damals erst 11 Jahre alt, aber ich war bereits Fan der Australier, spätestens als 1977 deren Song „Whole Lotta Rosie“ von dem Album „Let There Be Rock“ ertönte. Natürlich verstand ich damals die Thematik des Stückes noch nicht. Das Lied erzählt von einer Frau, die der Sänger Bon Scott nach einem Auftritt in Tasmanien kennenlernte und mit der er eine Nacht verbrachte. Knapp zehn Jahre später, am 30. März 1988, war es dann soweit: Ich sah AC/DC in der Festhalle, es war mein erstes Konzert in Deutschland, mein erstes Konzert in Frankfurt. Special Guest war die US-amerikanische Band DOKKEN. AC/DC spielten Lieder vom aktuellen Album „Blow Up Your Video“ und natürlich einige Klassiker, darunter das besagte „Whole Lotta Rosie“. Und endlich konnte ich Rosie auch sehen, weil die Aussies jahrelang eine überdimensionale aufblasbare Frauenfigur auf der Bühne präsentierten. Unvergesslich! (evr)
Psycho-Festival, April 1988
Am Ostersonntag 1988 ging es für mich und drei Kollegen zu meinem ersten Psychobilly-Festival nach Gent ins benachbarte Belgien. Es sollte ein legendäres Event werden. Schon am Vortag waren zahllose Verrückte angereist und es gab wilde Straßenschlachten mit der übereifrigen Polizei (wobei es bedauerlicherweise sogar zu einem Todesfall kam). Auch am Sonntag ging es chaotisch zu: Ungezügelter Alkoholkonsum in den Genter Straßen, schier endloses Gedrängel um in den historischen Konzertsaal zu gelangen (es gab Freibier für die Glücklichen, die es als Erste schafften) und gegen Ende des Abends ein Soundsystem, bei dem die Hälfte aller Lautsprecher durchgeschmort waren und den ganzen Saal verqualmten. Das Line-up auf der Karte entspricht übrigens nicht dem Tatsächlichen. Wenn ich mich recht erinnere, spielten THE SCAM, THE HIGHLINERS, SKITZO, TORMENT und RESTLESS. Zum Schluss gab es noch eine Jam-Session von Mitgliedern der meisten Bands. (jr)
Alice Cooper, April 1988
Alice Cooper habe ich inzwischen gut ein halbes Dutzend Mal gesehen, doch das Konzert im April 1988 war für mich ein Besonderes. Zum einen, weil Cooper auf der Tour sein wohl metallischstes Album „Raise Your Fist and Yell“ präsentierte, zum anderen, weil er mit einem – zumindest optisch – imposanten Line-up tourte. Zu diesem gehörten die beiden Bodybuilder Kane Roberts (Gitarre) und Steve Steele (Bass), die rechts und links der Bühne platziert waren sowie der FIFTH ANGEL/TKO- und CHASTAIN-Schlagzeuger Ken Mary. Musikalisch war das Ganze sehr heavy, zumal fünf Songs der damals aktuellen Scheibe gespielt wurden, darunter „Freedom“, „ Prince of Darkness“ und „Roses on White Lace“. Showtechnisch ging‘s noch etwas aufwändiger als heute zu: Cooper wurde gehängt, geköpft, schnitt leichtbekleideten Damen in Spitzenunterwäsche die Kehle durch und spießte (Plastik-) Babies auf. Muskelmann Roberts sorgte derweil mit seiner Gitarre in Form eines Maschinengewehrs für einige feurige Einlagen, als aus dem Hals des Instruments plötzlich Funken sprühten – ein wenig lächerlich, aber schön anzuschauen. Das Tourprogramm der Show halte ich bis heute in Ehren. Vorgruppe des Abends waren übrigens CHROME MOLLY, die ich aber wohl bewusst verpasst habe. (mm)
The Multicoloured Shades, April 1989
Eine heutzutage zu Unrecht weitgehend in Vergessenheit geratene Formation sind die MULTICOLOURED SHADES aus dem nordrhein-westfälischen Marl. Zwischen Mitte der Achtziger bis zur Bandauflösung im Jahr 1990 hatte das Quartett allerdings einen erklecklichen Bekanntheitsgrad, was schon daraus ersichtlich ist, dass es mehrfach die (auch nicht gerade kleine) alte Batschkapp als Headliner bespielen durfte. So auch im April 1989 auf der Tour zum vierten (und letzten) Album namens „Ranchero!“. Neben den Alternative- und Psychedelic-Rock-Nummern luden Songs wie der Überhit „Teen Sex Transfusion“ zu wüstem Pogo ein, die dabei verloren gegangene Brille eines Freundes klaubten wir nach dem Ende des Konzertes in Einzelteilen vom Boden auf. Eine Reunion dieser tollen Truppe in Originalbesetzung ist leider unmöglich: Sänger Peter Barany starb 2002 an einer Medikamenten-Überdosis. Posthum wurde 2015 der Mitschnitt „Live in Berlin“ von 1987 veröffentlicht, dessen rarer Vinyl-Version ich noch immer hinterherjage. (sm)
Black Beat Night, Oktober 1989
MOTHER’S FINEST überwältigten 1978 das europäische Fernsehpublikum mit ihrer Performance in der zweiten Rockpalast-Nacht des WDR. In den folgenden Jahren waren Konzerte mit der Formation aus Atlanta Pflicht – und es gab vor unserer Haustür einige davon. Die „Black Beat Night“ in Rüsselsheim 1989 hatte vor den Funk-Rock-Meistern noch die gerade durch Prince zu neuen Ehren gekommene Chaka Khan im Line-Up sowie die Philly-Soul-Legende MAZE um Sänger Frankie Beverly. Der wahre (und zukunftsweisende) Knaller war jedoch der Eröffnungsact. Hip Hop sowie Techno aus Rhein/Main steckten noch in ihren Kinderschuhen – zwei der Protagonisten jener Szenen aber Seite an Seite auf der großen Bühne in Opeltown: Turbo B. (of späterem SNAP!-Fame) sowie Moses P.(elham) mit WE WEAR THE CROWN, einem Projekt von Markus Löffel (Jam & Spoon). Rhein/Main-History in the making. (mt)
The Ramones, November 1989
Müde und geschwächt von einer langen Nacht im Frankfurter Club Cooky’s, wo Kollege Stefan und ich zu Gast beim Auftritt von Henry Rollins waren, fuhr ich nach Offenbach. Die RAMONES standen auf dem Programm und keiner meiner Freunde wollte mit. Vor der ausverkauften Stadthalle bot mir jemand 100 Mark für mein Konzertticket. Ich zögerte, denn das Geld konnte ich eigentlich gut gebrauchen. Glücklicherweise konnte ich widerstehen, denn es war für mich die einzige Gelegenheit, die RAMONES live zu erleben. Sie kamen zwar noch einmal auf Deutschland-Tour (1996 mit RAMMSTEIN als Vorgruppe), aber die Termine lagen so unpassend, dass ich nicht einen der Gigs besuchen konnte. Was solls, es war ein großartiger Abend damals in der Stadthalle. Merchandise konnte ich mir seinerzeit nicht leisten, aber einen Tinnitus habe ich mir als Erinnerung an meine einzige RAMONES-Show mitgenommen. (kn)
Peter and the Test Tube Babies, Dezember 1989
Stets ein Garant für feucht-fröhliche Punkrock-Parties in der Frankfurter Batschkapp sind die Auftritte von PETER AND THE TEST TUBE BABIES, und das schon seit weit mehr als 30 Jahren. Wer hören möchte, wie sich die Shows in den Achtzigern gestalteten, der besorge sich das 1989 erschienene Bootleg „The Mating Sounds of West German Frogs“ (was für ein Name, angelehnt an den offiziellen Plattentitel „The Mating Sounds of South American Frogs“), für das ein Batschkapp-Konzert von 1987 mitgeschnitten wurde. Die Gigs fanden damals schon im November oder spätestens einige Tage vor dem heiligen Abend statt, sodass man seinen XXL-Kater noch in Ruhe vor dem Fest auskurieren konnte. In den vergangenen Jahren hat sich aber der 23.12. als Datum für die Frankfurter Sause etabliert, sodass deren Besucher garantiert noch blau unterm Baum liegen (ich spreche aus Erfahrung). Wer’s mal selbst ausprobieren will: Am 23. Dezember ist es wieder soweit… (sm)
Wir machen weiter! Eine Folge zu den Konzertkarten der Neunziger ist in Arbeit!
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Texte: Jan (jr), Stefan (sm), Marcus (mm), Kai (kn), Micha (mt), Eric (evr)