Jahrhunderthalle, 28.11.2012
Mehr als 30 Jahre habe ich darauf gewartet, Kris Kristofferson mal live sehen zu dürfen. Angefixt von seiner Präsenz und Coolness wurde ich 1979 durch den Sam Peckinpah-Klassiker „Convoy“ – da sang er zwar nicht, gab dem „Nashville Outlaw“, diesem unangepassten und am amerikanischen Mainstream vorbei agierenden C&W- Künstlern (zu denen unter anderem auch Waylon Jennings, Willy Nelson, David Allan Coe und der auf beiden Seiten des Mainstreams bestens agierende Johnny Cash gehör(t)en) jedoch eine mehr als passende Gestalt. Dass der Mann auch Sänger und vor allem Songschreiber ist und zum Beispiel das durch Janis Joplin weltbekannt gewordene „Me and Bobby McGee“ verfasst hatte, erfuhr ich erst später; auch, dass Johnny Cash den einen oder anderen Song von ihm im Repertoire hatte und von 1985 bis 1995 mit ihm, Jennings & Nelson die „Highwaymen“ bildeten, war mir da noch neu.
1982, sein aktuelles Album war „To the Bone“ und der mit einem One Hit Wonder-Singlehit ausgestattete Billy Swan war Teil von Kristoffersons Band, war er Headliner des „International Annual Country & Western Festivals“, das in einigen europäischen Metropolen (darunter auch Frankfurt) aufschlug und bei dem ich sogar anwesend war – ein Krankheitsfall in der Familie zwang KK jedoch dazu, verfrüht abzureisen und ließ mich und tausende andere mit Don Williams als Headliner zurück (wenigstens spielten auch noch Roy Orbison und Jerry Lee Lewis, weswegen ich trotzdem dankbar bin, dabei gewesen zu sein).
KK hatte seine eindrucksvollsten Alben zu dieser Zeit längst eingetütet – er war auf der Leinwand präsenter als auf meinem Plattenteller und das Rhein/Main-Gebiet beehrte er (meines Wissens nach) auch nicht mehr. Dann nahm er, inspiriert wohl vom künstlerischen wie kommerziellen Erfolg der „American Recordings“-Serie von Johnny Cash, 2006 zusammen mit dem Produzenten Don Was (von WAS NOT WAS) „This Old Road“ auf – ein „Basic“-Album, nur er, seine Klampfe und wunderschöne Songs. Dargeboten mit altersbedingt leicht brüchiger Stimme, was den Genuss jedoch in keinster Weise schmälerte. Ein großes Album, dem noch zwei Nachschläge folgten bis zur aktuellen Tour.
Eine Brücke zur Songwriterdarbietung der Moderne schlug die Wahl des Vorprogramms: Gemma Ray, in Essex geboren und in Berlin lebend, die seit einiger Zeit ebenso alleine zur Klampfe musiziert, sich aber mit einem Haufen Elektronik zu helfen weiß und sich selber auch mal zur Gitarrenarmee hochloopen kann. Blöderweise kam das bei den meisten KK-Fans in der Jahrhunderthalle nicht an; bei denen wäre aber niemand angekommen, der die ausgelatschten Pfade des ewig Bekannten verlässt.
Gemma Ray kam schon leise und wie ein geprügelter Hund auf die Bühne, was wohl damit zusammenhing, welche Erfahrungen sie kurz vorher in Stuttgart machte. Sie lobte kleinlaut den guten Geschmack des Publikums, weil es ja zu einer KK-Show geht und beeilte sich ständig zu versichern, dass sie ja jetzt nicht mehr lange spielt. Dabei fand ich (im Gegensatz zu meinen respektlos labernden und Cowboyhut tragenden Sitznachbarn, die der armen Frau eine Gemeinheit nach der anderen an den Hals wünschten und bei ihrem Gekeife mehr über sich selbst aussagten als über die Performance der Künstlerin) ihren Vortrag mehr als gelungen und bei zunehmender Sicherheit der Akteurin auch immer spannender. Allzu viel war aber nicht drin, länger als eine halbe Stunde wäre dem Großteil des Publikums wohl auch nicht zuzumuten gewesen, dass in seiner Gesamtheit wenigstens Höflichkeitsapplaus verteilte.
Unter sparsamster Beleuchtung kam nach kurzer Pause (ein Umbau war ja nicht vonnöten, nur ein zweiter Mikrofonständer wurde aufgebaut) der Meister, die graue Eminenz, die coole Sau von Hollywood auf die Bühne, Mr. Kristofferson höchstselbst. Ich war aufgeregt wie schon lange nicht mehr. KK wirkte leicht angeschlagen und die Stimme kiekste ab und an mal weg, trotzdem war sein Auftritt makellos, der beste Sänger unter der Sonne war er ja nie. Die Setlist war sehr gut gemischt, alle seine größten Hits wurden gespielt, einige wurden spontan textlich aktualisiert („Me and Bobby McGee“, z. B. “it was good enough for me… and Janis!“; aus „Help Me Make It Through The Night“ wurde „Help Me Make It Through Tonight“) oder vielleicht doch nicht so spontan, da er auf der ganzen Tour wohl überall das Gleiche gespielt hat.
Einen Song brach er ab, weil er den Text vergessen hatte. Das war aber überhaupt nicht schlimm, sehr sympathisch sogar, wobei das ständige Kokettieren mit dem Alter ihn nicht daran hinderte, inklusive einer kurzen Pause an die zwei Stunden zu spielen, was will man also mehr. Der zweite Mikrofonständer war leider nicht für Gemma Ray, sondern für Kristofferson’s Tochter Kelly, die mit ihrem Kleinmädchenstimmchen den Deppen neben mir gleich viel besser gefiel und mit Daddy zusammen z. B. „The Pilgrim“ intonierte. Schön, dass KK bei allem gelebten Christentum seine alten Sauf- und Drogenlieder nicht unter den Tisch fallen ließ.
Also, Respekt für den größten alten, noch lebenden Herrn der Countrymusic neben Willy Nelson. Ich bin sehr froh, dabei gewesen zu sein.
Links: http://www.kriskristofferson.com/, http://de.myspace.com/kriskristoffersonmusic, http://gemmaray.tv/, http://www.myspace.com/gemmaraymusic
Text: Micha / Fotos & Clips: Kai
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