L7 & PRADA MEINHOFF

Zoom, Frankfurt, 25.06.2018

L72015 wars, 14 Jahre nachdem sich L7 aus der Öffentlichkeit verabschiedet hatten, als erste Aktivitäten auf der Facebook-Seite der Ladies aus Los Angeles Anlass zur Hoffnung gaben. Anfänglich nur um Vergangenheitspflege in Form von Veröffentlichungen alter Fotos bemüht, ließen freudestrahlende Resonanzen der geneigten User nicht lange auf sich warten. L7, geht da noch was? Es ging. „Why the hell not?“ L7 sind wieder im Ring – das Quartett, das von 1985 an mit meist rein weiblichem Lineup (nur das Schlagzeug war zu Beginn männlich besetzt) die Punk-, die Grunge- und auch die Metal-Szene aufmischte; das als Riot Grrrrls feminines Selbstbewusstsein aggressiv sowie spaßig verbreitete und mit der Konzertreihe Rock for Choice (mit Unterstützung illustrer Mitstreiter wie NIRVANA oder den RED HOT CHILI PEPPERS) Charity-Events für die Pro Choice-Bewegung manifestierte. „Not Bad for a Girl“, wie ein Filmtitel über die Riot Grrrls dies ironisch beschreibt.

Auch jenseits aller Verdienste und Meilensteine sind L7 erstmal eine verdammt geile Rock’n’Roll-Band, die schmerzlich vermisst wurde. Das Konzert am 26. September 1990 im Frankfurter Negativ gehört zu den absoluten Highlights in meiner Konzertbesucherhistorie, später folgende, z. B. 1997 in der Batschkapp, waren immer noch sehr fein. Wobei der Studioklang dann bereits polierter war – aus den L7heftigen Punkrockroots wurde der sogenannte „Alternative Rock“ der Neunziger, doch L7 japsten auch dem hinterher. Den Major-Plattenvertrag waren sie inzwischen los, Bassistin Jennifer Finch war schon vorher genervt raus. So plätscherte die wilde Horde allmählich der Bedeutungslosigkeit entgegen. 2001 kam die offizielle Mitteilung: Die Band setzt bis auf Weiteres aus. Keine Auflösung, aber eben auch keinerlei Aktivität.

L72015 dann schließlich Lebenszeichen, Bock auf Rock sowie wieder Konzerte in der Besetzung Donita Sparks und Suzi Gardner (beide Gitarre und Gesang, beides Gründerinnen), Jennifer Finch am Bass sowie Demetra Plakas am Schlagzeug (die kurz danach zur Band stießen). Also fast so etwas wie die Original-Besetzung – zumindest die, die den ganzen Fame erwarb. Genau die stand am vergangenen, heißen Montag Abend auf der Bühne des Frankfurter Clubs Zoom, nach Auftritten beim Graspop, dem Hellfest und dem Copenhell. Anders als beispielsweise in Köln nicht mit BLACK MOTH im Vorprogramm, sondern mit dem Duo PRADA MEINHOFF aus Berlin. Wer bitte?Als regelmäßiger Leser des Musik Express war ich ein wenig vorgewarnt. Die Plattenkritik dort sprach von Texten, die manchmal an den Grenzen der Erträglichkeit kratzen (ja, finde ich auch), attestiert eine gewisse Retroseligkeit Prada Meinhoff(korrekt) mit gelegentlichen Ausreißern ins Jahr 2018 (okay). Stimmt alles, doch noch viel mehr. Beim ersten Hören schaffte ich es nur bis Track drei („Schluss“ – egozentrisches Geschwätz zum Abgewöhnen); musikalisch ist das durchaus in der Vergangenheit angesiedelt (so BRD 1980), aber ernsthaft: In irgendeiner Form retro ist das meiste Besprochene in diesem Blog – und gut gemacht war das von PRADA MEINHOFF Dargebotene auf jeden Fall.

Der Song „Maske“ knallt bestens, Christin Nichols hat eine großartige Rotzstimme und was René Riewers aus dem Bass sowie den Synthies holt lässt einen auch kaum still stehen. Auf Platte. Live war das noch mehr eine Urgewalt – Prada Meinhoffdie Menge an Energie, die hier (vor allem von ihm) produziert wurde, war überwältigend. Rock’n’Roll vom Derbsten, auch ohne Gitarren (werden eh überwertet, meiner Meinung nach). Stimmlich ließ Nichols nichts anbrennen und ansteckend war, wie sie mehrmals ihrer Begeisterung Ausdruck verlieh, vor L7 spielen zu dürfen. Die Texte sind auch nicht komplett blöd, wenn man das Album mal weiter hört – was ich seit dem Konzert eigentlich ständig tue.

Absolutes Highlight: „Cocktail“, als letztes nach 30 Minuten gebracht. Hedonistischer Party-Punk vom Feinsten. Ironisch gemeint? Egal, haut rein. Attitüdentechnisch hätte das gut zu HAIYTI gepasst, die ja ebenfalls ein wenig NDW-Erinnerungen evoziert (vor allem IDEAL und FEHLFARBEN, passt hier Prada Meinhoffauch). Dazu Reminiszenzen an DIE STERNE, an Sven Regener, die RAMONES oder an Kathleen Hanna (BIKINI KILL – Riot Grrrl-Legende. Passt.). Gecovert wurde „Das Model“ von KRAFTWERK. Im Gegensatz zum Headliner boten PRADA MEINHOFF sogar ein Vinylscheibchen an: „Wir haben VINYYYL!“ warb Nichols euphorisch – „und drei Leute so: okay“ wurde amüsiert von ihr addiert. Ich wage mal die These, dass so gut wie niemand im Raum PRADA MEINHOFF kannte – sowie eine zweite: Auf viele machte das Duo einen echt guten Eindruck. Ich bin jedenfalls überzeugt und empfehle die beiden ausdrücklich weiter. BLACK MOTH hätten mit Sicherheit weit weniger Bohei veranstaltet.

L7 aber dann. Ich fürchtete, dass das Zoom mal wieder viel zu wenigen Fans Obdach bieten würde, wie so oft bei den dort auftretenden Gitarrenstars von früher. Doch weit gefehlt: Es wurde sehr eng vor der Bühne, der Platz wurde L7ausgiebig zum Tanzen, Springen und Fäuste recken genutzt. „Wir sind auf ‚Sexual Harassment‘- Tour“ unkte Donita Sparks vergnügt: „Los Frankfurt. Du willst es doch auch!“ Stimmte in diesem Fall. Schlagzeugerin Plakas war leider nicht dabei, sie hatte sich auf dem Weg zum Flughafen einen Arm gebrochen. Aushelfen tat ein gewisser JoDee Locks.

L7Zwei neue, das heißt nach 2015 entstandene Songs wurden präsentiert: „I Came Back to Bitch“ sowie der Anti-Trump-Song „Dispatch From Mar-A-Lago“, in dem ein Sturm auf die Golfclub-Residenz des US-Präsidenten in Florida fabuliert wird. Dazwischen ein vortrefflicher Mix aus alten bis ganz alten Gassenhauern: „Fast and Frightening“ bereits als Zweites, später unter anderem „Fuel My Fire“, „Shove“, „Deathwish“, L7„Bloodstains“ der Cali-Punklegende AGENT ORANGE (deren Ex-Bassist Steve Soto zwei Tage nach dem L7-Konzert starb) und, als letzte Stücke in der Zugabe, „Pretend We’re Dead“ sowie „Shitlist“ (Videoclip dazu weiter unten). 80 Minuten die allererste Rock’n’Roll-Sahne. Schön, dass L7 wieder da sind. Noch schöner, dass sie es in so bestechender Form sind. Congrats.

Links: http://www.prada-meinhoff.de/, https://www.facebook.com/pradameinhoff/, https://pradameinhoff.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/prada+meinhoff, http://l7theband.com/, https://de-de.facebook.com/L7theband/, https://soundcloud.com/l7theband, https://l7theband.bandcamp.com/, https://www.last.fm/music/L7

Text & Fotos (14): Micha
Fotos (14): Kai
Clip (PM): am Konzertabend aufgenommen von TheRetronaut
Clip (L7): am Konzertabend aufgenommen von Dirk K.

Alle Bilder:

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