Frankfurt, Mai 2024
Der deutsch-finnische Singer/Songwriter Martti Mäkkelä ist im Rhein/Main-Gebiet längst kein Unbekannter mehr. Mit erfreulicher Regelmäßigkeit schaut er (fast) jedes Jahr in wechselnden Clubs und Musiklokalen in Frankfurt und Offenbach vorbei und präsentiert seine unter die Haut gehenden Lieder voll zuweilen morbidem Charme. Zwischen den poetischen Songs runden mal ernste, mal lustige Geschichten über das Reisen, das Leben oder die heutige Gesellschaft das Konzerterlebnis ab. Vieles hat der Künstler gesehen und daher einiges zu erzählen. So reifte in mir der Gedanke, ihn für ein Interview anzufragen. Meine Bitte fand ein positives Echo und so traf ich Mäkkelä Anfang April zwei Stunden vor dem Soundcheck für einen Auftritt in der Frankfurter Jazzkneipe Mampf. Wir unterhielten uns erst in einem Café auf der Berger Straße und schlenderten anschließend noch durch den Chinesischen Garten im Bethmann-Park. Für das Gespräch vereinbarten wir ein freundschaftliches „Du“.
Wer mag, der lausche beim Lesen der folgenden Zeilen dem Album „Homeland“:
.Hallo Martti, erstmal herzlichen Dank, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview nimmst! Zu Beginn möchte ich gern „back to the roots“ gehen. Wie bist Du zur Musik gekommen und wie hat sich herauskristallisiert, dass der so genannte Folk Noir zu Deiner Stilrichtung werden wird?
Die Kurzversion ist: Den Geigenunterricht zusammen mit der Schule hingeschmissen, autodidaktisch Gitarre begonnen, zuerst akustisch, dann elektrisch und mit Schulkumpels erste Bands, wie man das eben so macht. Allerdings von Anfang an Songs geschrieben. Ernster geworden ist es dann als Anfang der 80er britischer Punkrock und – wichtig – Alben wie „Monarchie und Alltag“ der Fehlfarben auch in der Provinz angekommen sind. Das war schon geil. Vor allem die Botschaft, dass eben jeder mit drei Akkorden und genug Wut im Bauch eine gute Band starten kann. Ab da wurde es richtig aufregend. Dann lange Jahre des Tourens mit Bands, an die sich keiner mehr erinnert, natürlich Punkrock, begleitet von so ziemlich jedem Job nebenbei den man sich vorstellen kann. Wichtige Jahre auch. Anfang der 2000er die ersten Solo-Gigs und seit etwa Anfang der 10er Jahre war dann keine Zeit mehr was Anderes zu tun als zu spielen. Das „Noir“ ist irgendwann in einem Veranstaltungsprogramm als Bezeichnung aufgetaucht und ich hab es dankbar übernommen… Trifft es ja auch ganz gut.
Was macht für Dich einen guten Folk Noir-Song aus?
Das kann ich Dir nicht sagen. Ich denke es gibt generell einfach gute Songs, die etwas bei oder in Dir bewegen und belanglose, die das nicht tun, womit es dann vermutlich auch für jeden individuell anders ist. Aber das ist nur meine Sicht der Dinge. Ich glaube, es gibt da keine fixe Formel oder Merkmale für. Dass meine Musik eben gerne als Folk Noir gelabelt wird liegt vielleicht an so einer grundsätzlichen Melancholie, Sehnsucht oder Dunkelheit. Ich kann damit ganz gut leben.
In Deinen Liedern verarbeitest Du häufig selbst Erlebtes. Wie und wann merkst Du, dass eine Begebenheit das Potential für einen neuen Song birgt und wie gehst Du dann vor, bis das Stück fertig ist?
Dafür gibt es keine Regeln oder Rezepte. Ich mache mir viel Notizen, so einzelne Sätze, Wörter oder kleine Beobachtungen. Manche Erlebnisse oder Momente sind aber auch so intensiv, dass sie mir lange – oft Jahre – durch den Kopf gehen. Häufig nehme ich auch mit dem Handy Schnipsel auf, die mir einfallen, alles eben Fragmente. Es kommt dann irgendwann der Moment wo die ganzen einzelnen Teile zusammenfinden, das ist nicht wirklich steuerbar für mich. Manchmal geht das wahnsinnig schnell, manchmal dauert es Wochen oder sogar Monate. Wenn dann so ein Song irgendwann da ist, lässt sich der zumindest für mich auch bestimmten Erlebnissen oder Momenten zuordnen. Im besten Fall bleiben die Lyrics noch offen genug um sich als Hörer*in eine eigene Geschichte daraus zu machen. Das sind für mich die gelungensten Songs.
Wenn man auf Deiner Webseite den Tourplan ansteuert, hat man das Gefühl, dass Du ständig unterwegs bist. Lohnt es sich für Dich überhaupt, eine Wohnung zu unterhalten? 😉
Die Frage stellt sich mir schon länger. Immerhin habe ich das Glück eine sogar für mich bezahlbare Wohnung gefunden zu haben. Das ist mittlerweile ja nicht selbstverständlich. Nach den ganzen Tourjahren und natürlich gerade der Pandemie muss ich allerdings feststellen, dass es etwas Beruhigendes hat, einen Anlaufpunkt mit einem Dach über dem Kopf zu haben. Auch wenn es sich nicht wirklich nach einem Zuhause anfühlt ist es doch ein wenig wie heimkommen.
Ich kann mir vorstellen, dass Du aufgrund eines engen Zeitplans häufig nur die Autobahn und Deinen nächsten Auftrittsort zu sehen bekommst. Wie häufig passiert es, dass Du – so wie heute den Chinesischen Garten – mal ein paar nette Flecken der jeweiligen Stadt kennenlernst?
Leider viel zu selten. Vor allem bei so Double Bill-Touren, wie jetzt gerade, sind Off-Tage und Sightseeing fast nicht möglich. Je weniger Leerlauf Du hast, desto mehr hast Du am Ende verdient. Klingt unromantisch, lässt sich aber nicht vermeiden. Bei Solo-Touren nehme ich mir mittlerweile ganz gern mal die Zeit für freie Tage, wenn es irgendwie möglich ist.
Du bist weit herumgekommen in Deutschland und Europa. Gibt es Länder oder Städte, auf die Du Dich mehr als auf andere freust und in denen Du Dich besonders gerne aufhältst? Keine Sorge, wir sind nicht sauer, wenn Frankfurt nicht dabei ist. 😉
Natürlich gibt es die. In den meisten Fällen hängt das natürlich von den Menschen ab, die ich da kenne oder treffen kann. Ich mag Polen, Tschechien und die Slowakei sehr, sehr gerne. Das sind wunderschöne Länder, in denen ich großartige Menschen kennenlernen durfte. Das gleiche gilt für Frankreich, Katalonien und das Baskenland. Dort kommt noch dazu, dass ich das Essen und den Wein arg schätze… Was Deutschland angeht hat es mir Hamburg schwer angetan, schon immer. Ich mag einfach Hafenstädte. Eigentlich mag ich aber nicht wirklich irgendwo mehr als irgendwo anders. Ich bin eben wahnsinnig gerne unterwegs, mir gefällt das, mit allen Vor- und Nachteilen. Und ich mag Menschen. Ohne die kann die schönste Stadt öde sein und mit denen findest Du selbst hier in Frankfurt solche wunderschönen Ecken… 😉
Du bist recht regelmäßig sowohl in Frankfurt als auch in Offenbach zu Gast. Dass zwischen den zwei Städten eine große Rivalität, manchmal sogar Antipathie, herrscht hast Du mitbekommen? Du willst es Dir wohl auf beiden Seiten des Mains mit niemandem verscherzen… 😉
Oooops. Tatsächlich nicht mitbekommen. Dann versuche ich wohl besser mal nicht „Hallo Frankfurt“ in Offenbach zu sagen und umgekehrt… Aber Darmstadt und Mainz sind unbedenklich? Ich hoffe doch.
Als Ein-Mann-Unternehmen buchst Du Deine Touren selbst, kümmerst Dich um die komplette Organisation und dazu um Deine vielfältigen Social Media-Aktivitäten im Netz, knüpfst Kontakte, spielst Platten ein und, und, und. Wie bringst Du das alles unter einen Hut, bist Du ein Workaholic?
Da muss ich wohl mal ein paar Dinge gerade rücken. Nach meinem Verständnis ist ein Workaholic jemand, der das mit dem Worken macht, weil er das unbedingt braucht oder unausgefüllt ist, wenn er es nicht tun kann. Ich könnte ganz gut ohne das alles klarkommen, hab aber nicht wirklich die Wahl. Wenn man als freischaffender, unabhängiger Künstler über die Runden kommen und keinen Nebenjob machen will bleibt einem gar nichts anderes übrig als das DIY-mäßig als One-Man-Show durchzuziehen. Ist natürlich Fluch und Segen zugleich. Unabhängigkeit hat ihren Preis und ich bin nicht immer nur glücklich damit. Ich bekomme das auch nicht immer unter einen Hut und je länger man es macht desto mehr lässt die Energie nach. Vieles daran, was ich früher aufregend fand oder was mir leichter fiel, finde ich mittlerweile einfach anstrengend. Gerade die ganze Logistik ist schon oft etwas too much und ohne Social Media könnte ich auch gut auskommen.
Zwischen Deinen Liedern erzählst Du gern kleine Geschichten und Anekdoten. Einmal – vor ein paar Jahren bei einer Show im Offenbacher Waggon – hast Du gesagt, dass es in Finnland zum guten Ton gehört, sein Leben wenigstens einmal komplett gegen die Wand zu fahren. Ich hoffe, Dir ist das noch nicht passiert…
Na ja, das war eher so im Familienkontext gemeint damals. Die Frage würde ich ganz gerne auslassen…
Wir wissen hier nicht allzu viel über Finnland. Was würdest Du als die typischen Klischees über Finnland ansehen und wieviel Finne steckt in Dir?
Die typischsten sind vermutlich: Der Finne redet wenig, trinkt viel und geht ständig in die Sauna. Und wenn er gerade mit keinem davon beschäftigt ist, spielt er in einer Metal-Band oder singt traurige, finnische Tangos. Keines ist völlig aus der Luft gegriffen. Als in Papua-Neuguinea geborener, hauptsächlich in Deutschland aufgewachsener Finne stecke ich da in einem Dilemma. Für die Finnen bin ich der Deutsche, für die Deutschen der Finne und für mich ist weder das eine noch das andere wirklich eine Heimat. Das mit dem wenig reden – außer auf der Bühne – und so eine Grundmelancholie sind vermutlich das Finnischste in mir. Wenn sich mir auf Tour eine Sauna in den Weg stellt gehe ich ihr natürlich nicht aus dem Weg und vermutlich habe ich auch eine ordentliche Portion Sisu in den Genen. Was Sisu bedeutet fragt Ihr am besten mal Google, das führt hier etwas zu weit.
Auf dieser Tour bist Du mit der finnischen Sängerin Nightbird unterwegs, auf einer früheren habe ich Dich mit dem tschechischen Violinisten Pavel Cingl gesehen. Wie ergeben sich solche Kollaborationen und Entscheidungen, zusammen zu touren oder zu spielen?
Das sind eigentlich immer Zufälle gewesen. Nightbird war bei einem Konzert in Turku in Finnland im Jahr 2015 mal mein Support-Act und hatte mich damals schon völlig umgehauen. Wir haben uns sofort super verstanden, was in der Folge zu mittlerweile fünf Touren in Deutschland und etlichen gemeinsamen Shows in Finnland geführt hat. Pavel habe ich live als Violinist von Phil Shoenfelt in Prag gesehen, wir sind ins Gespräch gekommen und er hat mir beim Buchen von Shows in Tschechien geholfen. Er hat dann mal spontan als Gast bei
ein paar Songs mitgespielt, woraus dann eine immer engere Zusammenarbeit entstanden ist, die bis heute anhält. Weitere Beispiel sind der fantastisch bizarre Gitarrist/Songwriter Faarao Pirttikangas aus Finnland, Wax Mannequin und Geoff Berner aus Kanada und Dáša Fon Fľaša in der Slowakei. Funktionieren kann das nur bei gegenseitigem Respekt und der passenden „Chemie“. Die Variante, in der das nicht so passt, durfte ich auch schon erleben und die macht wirklich keinen Spaß.
Beim Durchstöbern Deiner musikalischen Vita fallen die bizarren Namen Deiner zahlreichen Projekte auf: „Church of the Blue Nun“, „Folk’s Worst Nightmare Collective“, „The Anglo German Low Stars“, „The Goho Hobos“, um nur einige zu nennen. Was steckt dahinter und wer denkt sich solche abgefahrenen Bandnamen aus?
So Bandnamen fallen einem, glaube ich, einfach in den Schoß. Idealerweise. Church of the Blue Nun war – oder ist eigentlich immer noch – ein Bandprojekt mit dem holländischen Gitarristen und Songwriter Robin van Velzen. Für mich eine der schönsten und fruchtbarsten Kollaborationen der vergangenen Jahre. Leider frisst das endlose Touren viel Zeit. Zeit, die seit Längerem fehlt, um das ernsthaft weiterzuführen. Wirklich schade. Der Name ergab sich beim Rumalbern mit meiner Freundin über das Thema billige, schlechte Weissweine… „Blue Nun“ ist – oder war zumindest – so eine Marke. Sehr beliebt in Finnland und England übrigens. Vor dem Album-Release hatte ich bei denen sogar mal angefragt, ob sie das Album finanziell oder mit Sachspenden unterstützen wollen, aber das war wohl doch nicht das Richtige für die.
.Folk’s Worst Nightmare ist so ein loses Kollektiv von Solo-Acts/Songwritern. Alle irgendwie Folk/Folkpunk/Anti-Folk-affin. Der Begriff stammt aus einer Konzertankündigung für Jan aka The Black Elephant Band, der das ganze auch initiiert hat. Jan meinte der Begriff wäre viel zu gut um nicht irgendwas daraus zu machen. Erstaunlicherweise ging das Projekt wirklich gleich ziemlich durch die Decke und wir sind auch jetzt, nach sieben Jahren, noch aktiv.
.The Goho Hobos haben sich anlässlich einer „Hobo Party“ des freien Kulturvereins Hemdendienst in Nürnberg gegründet. Nachdem diese Party auf einer Baubrache im Stadtteil Gostenhof – oder eben Goho – stattfand hat sich das von selber ergeben.
.The Anglo German Low Stars waren auch so ein Kollektiv von sieben Solo-Acts. War irgendwie passend da alle entweder in England oder Deutschland beheimatet waren und „Low Stars“ hat dann ein wenig Underdog-Glamour reingebracht, so als Gegenpol zu Superstars. War damals 2001 eine mächtig aufregende Geschichte für uns alle. Um eine lange Tour möglich zu machen haben wir ein Album mit einem Soundtrack zu einem fiktiven Film veröffentlicht
und diese Film-Geschichte ziemlich realistisch aufgeblasen, mit Story, Namen vom Regisseur, Filmstills, das ganze Programm. Das war unterm Strich so eine LoFi-Folk-Variante von „The Great Rock’n’Roll Swindle“, was die Promo fürs Album anging. Wäre heute mit Internet gar nicht mehr so machbar, denke ich. Das Kollektiv hat immerhin fast fünf Jahre gehalten, nochmal Aufnahmen gemacht und einige der Protagonisten haben immer noch miteinander zu tun.
Außer denen gibt es dann noch die The Très Biens. Old time Pub Rock, Garage Rock. Sehr gut natürlich. Wie der Name schon erahnen lässt.
.Deine Releases sind immer toll produziert und mit viel Herzblut aufgemacht. Das Nonplusultra ist vielleicht die liebevolle Ausstattung einer limitierten Box zur „Church of the Blue Nun“-CD „The Art of Worshipping“. In der Box befindet sich unter anderem ein individuelles Polaroid-Foto, ein Rosenkranz und eine handgemachte Kerze in Nonnenform…
Das war zugegebenermaßen schon sehr speziell. Und eine ziemliche Aktion. Letztlich das Ergebnis unseres Crowdfundings für das Album. Für die Aufnahmen hatte das Geld ja noch gereicht, aber die Herstellung musste noch bezahlt werden. An irgendwelche Crowdfunding-Plattformen haben wir gar nicht gedacht, sondern das einfach selber gemacht. Überraschenderweise hat das auch gut funktioniert. Das Nonnen-Thema hat da natürlich einiges hergegeben. Für 50 Euro konnten Supporter die limitierte Box im Wert von 25 Euro bestellen, in der die schon von Dir erwähnten Dinge waren. Nach der Fertigstellung haben sie die dann bekommen plus 25 Euro zurück, soweit ich mich erinnern kann.
„Church of the Blue Nun“ – Ltd. Edition Box
Bei einem unserer ersten Auftritte hatte ich in einem Second Hand-Laden eine Plastikflasche in Form der Madonna von Lourdes gekauft, die war sehr hilfreich. Unser Cellist Tobias hatte damals an der Akademie der bildenden Künste in Nürnberg studiert und hat jemanden aus der Bildhauer-Klasse gebeten uns eine Gussform aus dieser Madonna zu machen. Wir haben blaues Kerzenwachs und Dochte gekauft und angefangen die Dinger zu gießen. Ist übrigens extrem zeitaufwändig mit nur einer Form. Das Wachs heiß machen, aber nicht zu heiß, die Form mit Einmachgummis zusammenzurren, den Docht irgendwie reinklemmen und vorsichtig gießen und – vor allem – erstmal abkühlen lassen. Das dauert bei 70 Nonnen ziemlich lang. Es gab da auch einiges an Ausschuss. Ich hab zuhause noch eine in perfekter Skisprung-Haltung. Interessant war auch die Suche nach kostengünstigen Rosenkränzen. Es ist unfassbar, was man da alles in Onlineshops finden kann… Von den Kollateralschäden beim Wachserhitzen fang ich jetzt nicht auch noch an.
Der bekannte Gitarrist Mark Knopfler hat in einem Interview – sinngemäß – einmal gesagt, er besitze zwei Dutzend Gitarren, aber nur ein Paar Schuhe. Wie sieht es diesbezüglich bei Dir aus? 😉
Das mit dem einen Paar Schuhe kriege ich auch hin, zwei Dutzend Gitarren würden mich, glaube ich, überfordern. Da muss der Knopfler alleine durch. Mir reichen die drei Instrumente, die ich auf Tour rumschleppen muss, völlig aus.
Ich frage nur, weil Du bei Deinen Auftritten gerne barfuß auf der Bühne stehst. Selbst Ende Oktober beim Frische-Luft-Schnappen zwischen zwei Sets in der Kälte draußen vor der Clubtür konnte ich Dich schon mal barfuß beobachten…
Das mit dem barfuß spielen ist ganz am Anfang der Solo-Shows aus einer Situation bei einem Auftritt heraus entstanden. Es war heiß in dem Laden und das Publikum war reichlich desinteressiert, vor allem mit lautstarkem Quatschen beschäftigt. Für jemanden, der gerade die ersten Solo-Gigs seines Lebens spielt und sowieso schon panisch nervös ist, nicht gerade die schönste Situation. Das war so eine Impulshandlung damals: Wenn ich barfuß auf die Bühne gehe ist das ja fast so ein wenig wie sich da nackt und verwundbar zu präsentieren, was an dem Abend auch mit so einem gewissen „Leckt mich doch alle“-Gefühl einherging. Nachdem es da geholfen hat den Abend zu überstehen ist es einfach zu einem Ritual geworden, genau so wie das mit der Auftritts-Kleidung… Ich kann mir das gar nicht mehr anders vorstellen.
Dir scheint, gerade für den Auftritt, gute Kleidung wichtig zu sein. Ich habe schon Songwriter in ausgefransten T-Shirts, fleckigen Jeans und einen Sänger sogar übelst riechend erlebt. Du dagegen trägst stets ein frisches weißes Oberhemd, dazu eine Weste und den schwarzen Hut, der ja nie fehlen darf…
Bühnenkleidung ist für mich einfach ein wichtiger Teil der Show. Es ist immer ein besonderer Moment auf der Bühne zu stehen, egal wie groß, wie klein, wie professionell oder improvisiert sie ist. In den Anfangsjahren der Solo-Konzerte war es vielleicht noch mehr so ein „in eine Rolle schlüpfen“, das hatte auf eine Art was von Theater oder Vaudeville, denke ich. Die Bühnenperson und die Andere mussten sich irgendwie unterscheiden und haben es damals auch. Oder wie die Country-Sängerin Kathy Moffat, mit der ich mal gespielt habe, sagte: „putting on war paint“. Über die Jahre sind die zwei Persönlichkeiten ziemlich miteinander verschmolzen, aber dieses Ritual, dass man da raus geht und somit auch in eine andere Welt, ist geblieben. Mir ist das wahnsinnig wichtig. Auch weil es mir hilft mich auf den Auftritt zu fokussieren und auf den Energie-Level dafür zu kommen. Den Hut gibt es übrigens nicht schon immer, das hat sich erst 2018 ergeben…
Auf Deiner Internetseite habe ich gelesen, dass Du den Kulturpreis der Stadt Nürnberg sowie eine Nominierung für den Deutschen Folk Award erhalten hast. Was bedeuten Dir solche Auszeichnungen?
Das sind für mich zwar schöne Anerkennungen meiner Arbeit als Künstler, ein kleines Signal, dass man auch außerhalb des Tour-Alltags von irgendwem da draußen wahrgenommen wird. Aber ehrlich gesagt, außer einem Eintrag in der eigenen Biografie hat man da nicht so arg viel von. Man wird ja nicht mehr oder weniger gebucht mit einer solchen Auszeichnung. Zudem sind das auch keine riesigen Beträge, die einem da zukommen. Für den Kulturpreis der Stadt Nürnberg konnte ich die Reparatur meines Tourvans bezahlen, die Folk Award-Nominierung und das damit verbundene Konzert hat es mir erlaubt einige Auftritte in Trio-Besetzung mit der Kontrabassistin Isi Rössler und Pavel Cingl an der Violine zu spielen. Das wäre ohne nicht finanzierbar gewesen. That’s it.
Nun kommen wir langsam zum Ende und zur Frage nach neuem Songmaterial, das Du ja zum Teil auf Konzerten schon spielst. Deine letzten Platten kamen stets im Drei-Jahres-Rhythmus heraus. Das noch aktuelle Werk „Dog & Typewriter“ stammt von 2021, also wäre es langsam wieder an der Zeit für ein neues Album…
Es ist tatsächlich was am Entstehen. Auch wieder so eine Verkettung von Zufällen. Auf der Tour 2022 haben Pavel und ich zufällig, wegen einer Doppelbuchung, in Mannheim ein Konzert mit Boucan aus Frankreich gespielt. Mich hat das komplett umgeworfen. Ein einzigartiger Sound zwischen Beefheart, 16 Horsepower und französischem Chanson. Was für eine Band! Ich habe mich im Januar/Februar ’23 auf dem Land in völliger Abgeschiedenheit eingeigelt und Songs geschrieben. Gefehlt hat allerdings irgendein Sound- oder Arrangement-Konzept. Mir ist da einfach nichts Schlüssiges eingefallen, wo es hingehen könnte nach „Dog & Typewriter“.
Im März waren Boucan dann auf Deutschland-Tour und ich habe bei einem Gig Support gespielt. Wir haben hinterher lange zusammengesessen und irgendwann hab ich eben gefragt, ob die sich vorstellen könnten meine Band fürs neue Album zu sein. Mathias und Bruno waren sofort voll dabei und meinten, ja, klar, wenn Du es irgendwie nach Frankreich schaffst machen wir das. Ich hatte keine Ahnung was dabei rauskommen würde und hab mich einfach darauf verlassen, dass es eine gute und richtige Entscheidung war. Da ließe sich noch deutlich mehr zu erzählen, aber unterm Strich stand eine Woche Aufnahmen in Setè in Frankreich, deren Ergebnis zum Schönsten zählt was mir bisher passiert ist. Das macht in etwa zwei Drittel des Albums aus, der Rest sind sehr reduzierte Solo-Nummern. Noch fehlen Details, die Finanzierung ist alles andere als klar, aber ich versuche fest dran zu glauben, dass es in diesem Herbst noch was wird.
Darauf hoffen wir auch! Schlussfrage: Hast Du eine spezielle Lebensphilosophie, die Du unseren Leserinnen und Lesern noch mit auf den Weg geben möchtest?
Sich selbst nicht zu wichtig nehmen und an die Kraft von Songs glauben. Nie aufhören neugierig zu sein, neue Dinge auszuprobieren und neue Erfahrungen zu machen. Damit lässt sich schon ziemlich glücklich werden. Vielleicht sogar alt.
Martti, danke für das Gespräch und alles Gute!
Links: https://www.maekkelae.com/, https://www.facebook.com/maekkelaes.trash.lounge, https://www.instagram.com/maekkelae/, https://maekkelae.bandcamp.com/, https://maekkelae.tumblr.com/, https://soundcloud.com/maekkelae, https://www.last.fm/music/Maekkelae, https://www.facebook.com/Church.Of.The.Blue.Nun/, http://www.thetresbiens.de/
Interview & Fotos (aufgenommen am 7. April 2024 in Frankfurt): Stefan
Fotos (CD-Box): Mäkkelä
Finnland-Grafik: Elionas/Pixabay
Einen Konzertbericht mit Bildern vom Mai 2022 findest Du hier.