Dreikönigskeller, Frankfurt, 25.05.2022
„Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen.“ – dieses jahrhundertealte Sprichwort trifft auch, oder in diesem Fall sogar in besonderem Maße, auf den Singer/Songwriter MÄKKELÄ zu. Der Sänger und Gitarrist tourt – so es nicht Umstände wie zum Beispiel eine Corona-Pandemie verhindern – an rund 200 Tagen im Jahr durch Deutschland und andere europäische Staaten. Auf seinen Reisen erlebt er nicht selten wunderliche Dinge, die er später in Form filigraner Texte in seine Lieder einfließen lässt und dann im Gewand des „Folk Noir“, einer düsteren Variante der Folk-Musik, dem Publikum präsentiert. Und obwohl der Musiker nicht den Eindruck vermittelt, Auszeichnungen hinterher zu jagen, darf er sicher stolz darauf sein, u. a. den Kulturpreis der Stadt Nürnberg erhalten zu haben und für den Deutschen Folk Award nominiert worden zu sein.
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Die Ruh- und Rastlosigkeit, die den charismatischen Künstler auszeichnet, mag schon in seinen Wurzeln begründet liegen: Als Sohn eines deutsch-finnischen Paares wurde er in Papua-Neuguinea geboren und dürfte daher schon von frühester Kindheit an mit Erlebnissen und Kulturen konfrontiert worden sein, die für‘s Leben prägen. Ebenso umtriebig wie bei seinen (Tour-)Reisetätigkeiten zeigt sich der lange Schlaks, der stets barfuß und mit schwarzem Schlapphut auftritt, bei seinen musikalischen Aktivitäten. Neben seinen Solo-Auftritten war und ist MÄKKELÄ Teil von zahlreichen Kollaborationen, Bands und Projekten, deren Namen allesamt ebenso außergewöhnlich sind wie die Vita des Musikers selbst: FOLK‘S WORST NIGHTMARE, CHURCH OF THE BLUE NUN, THE ANGLO GERMAN LOW STARS oder THE GOHO HOBOS, um nur einige zu nennen.
Doch konzentrieren wir uns nun auf die momentan laufende Tour und den Gig, der gestern im Frankfurter Dreikönigskeller stattfand. Zurzeit ist MÄKKELÄ mit dem tschechischen Violinisten Pavel Cingl unterwegs, der das aktuelle Album „Dog & Typewriter“ (erschienen im September 2021 bei 9:PM Records) mit eingespielt hat. Die beiden bilden ein kongeniales Duo, dessen Show ich bereits im November vergangenen Jahres im Mainzer Hafeneck begeistert beigewohnt habe. Der Dreikönigskeller war, passend zum Ambiente und zur Musik, in ein schummriges rotes Licht getaucht, Musiker und Veranstalter nach viel zu langem, pandemiebedingten Live-Musik-Entzug voller Vorfreude. Lediglich die Publikumsresonanz ließ – wie so häufig dieser Tage bei Clubkonzerten – zu wünschen übrig.
Etwa die Hälfte des insgesamt 18 Lieder umfassenden, gut 90-minütigen Sets stammte erwartungsgemäß von dem betourten Langspieler „Dog & Typewriter“, einer Platte, die ich allen Freund*innen von Songpoesie und empathisch dargebrachtem, dunklem Folk bedenkenlos ans Herz legen kann und die ich 2021 in meine Top-Ten der Jahresbesten gewählt habe. Besonders herausstachen in meiner Wahrnehmung unter anderem die Tracks „The Typewriters Club“, der als Opener fungierte, „Before The Reckoning“ und das Traditional „Satan, Your Kingdom Must Come Down“. Außerdem die Ballade „A Night To Remember“, die von MÄKKELÄ mit den Worten eingeleitet wurde, er habe sie für sein Begräbnis geschrieben („und wenn man ein Lied für seine eigene Beerdigung macht, dann muss das schon gut werden“). Im Gegensatz dazu wirkte das zuvor gespielte „Moving On“ fast schon fröhlich, es ist eine Ode an das Leben und davon, sich von Tiefschlägen nicht entmutigen zu lassen.
Zu „Fourty or Eight“ gab der Sänger, der sich auch bestens aufs Erzählen kleiner, skurriler Anekdoten versteht, eine Geschichte über die Entstehung des Liedes zum Besten. Diese ist so bizarr, dass ich sie (stark verkürzt) hier wiedergeben möchte: Vor einem Auftritt in einer ländlichen Region Frankreichs wurde MÄKKELÄ von einem der Veranstalter zu einer Person gebracht, „die er unbedingt kennenlernen müsse“. Der Mann zeigte seinem Gast stolz seine ganz besondere Sammlung: Bahnwaggons. Irgendwann kam die Reihe dann an das „Prunkstück“, positioniert etwas versteckt auf dem von außen weniger einsehbaren Teil des Geländes. Im Innern des Waggons befanden sich mit der Schablone aufgesprühte Symbole: Ein Pferd neben der Zahl „8“, Menschen neben der Zahl „40“. Es war ein Wagen aus dem Dritten Reich, mit dem einst Juden ins KZ transportiert worden waren. Dem Künstler selbst verging ob solcher Begebenheit die Lust auf das Konzert. Unsereinem fehlen die Worte. Nicht so MÄKKELÄ – er verarbeitete seine Betroffenheit und Abscheu zu „Fourty or Eight“.
Einigen Geschichten galt es zu lauschen, dabei natürlich auch lustigen, deren Pointen ich hier für die Gäste kommender Shows nicht vorwegnehmen will. Diese lockerten, zusammen mit der Kommunikation mit dem Publikum, das Set zwischen den Liedern immer wieder auf. Ein Set, in dem auch die älteren Veröffentlichungen des musikalischen Tausendsassas nicht vergessen wurden: Mit „Border Song“, „Grief“ und „Light Enough To Travel“ befanden sich mindestens drei Stücke vom Album „Homeland“ (2018) im Programm, weiter zurück ging es dann noch mit drei Tracks von der Scheibe „Last of the Dying Breed“ (2015), „Tramontana“ sowie zwei als Zugabe gespielte Nummern. Außerdem wurde mit „Stupid & Innocent Years“ ein toller neuer, bisher unveröffentlichter Track präsentiert. Man darf also auch auf das kommende Werk gespannt sein.
Als Nachschlag spielte MÄKKELÄ, der ein kleines Arsenal verschiedener Gitarren mitgebracht hatte, den „Highway Song“ solo mit einer irischen Bouzuki, zum guten Schluss holte er dann noch einmal für „Air Catalan“ seinen Mitstreiter Pavel Cingl auf die Bühne. Wer den Gig verpasst hat oder das Duo in naher Zukunft noch einmal sehen möchte: Am 30. Mai ist MÄKKELÄ mit Cingl noch einmal im Hessenland zu Gast, nämlich in der Goldenen Krone zu Darmstadt, bevor es ihn erst zurück in seine bayerische Wahlheimat, dann nach England zu einem Festival und schließlich wieder zu Dutzenden Auftritten in ganz Europa zieht. Denn neue Geschichten wollen erlebt und in wunderbaren Songs verarbeitet werden.
Links: https://www.maekkelae.com/, https://www.facebook.com/maekkelaes.trash.lounge, https://maekkelae.bandcamp.com/, https://maekkelae.tumblr.com/, https://soundcloud.com/maekkelae, https://www.last.fm/music/Maekkelae
Text & Fotos: Stefan
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