Das Rind, Rüsselsheim, 25.09.2013
Hier nun der zweite Teil des Konzertabends im Rüsselsheimer Rind, den wir mit den Reviews über die beiden Support-Acts MASTERS OF DISGUISE und CRYSTAL VIPER hier begonnen haben. Für mich war der Auftritt des Headliners MANILLA ROAD eine Art Zeitreise, denn Metal habe ich intensiv und begeistert in den Achtzigern gehört, bis ich schließlich über Acts wie VENOM und WARFARE Punkbands wie DISCHARGE und GBH kennen und schätzen lernte. Damals aber konnte ich mich für Künstler, die über Drachen, Mythen und Legenden sangen und ihre Alben-Cover mit eben solchen Motiven schmückten, begeistern. Und so nahm ich in den 80s jede nur erdenkliche Gelegenheit wahr, meine damaligen Lieblingsbands live zu erleben. Dabei kamen allerlei Konzerte zusammen, nur MANILLA ROAD habe ich nie gesehen. Dieses Versäumnis wollte ich nun nachholen.
Das Quartett hat sich 1977 in Wichita, Kansas gegründet, 1980 mit „Invasion“ ihr Debüt veröffentlicht und mit den Alben „Metal“ (1982), „Crystal Logic“ (1983), „Open the Gates“ (1985) und „The Deluge“ (1986) einige Meilensteile des Heavy Metal geschaffen. Inzwischen umfasst die Discografie nicht weniger als 16 Alben, die sich inhaltlich
alle um Mythen, Legenden, Tod und Teufel drehen. Das mag man aus heutiger Sicht als sehr klischeehaft bezeichnen, doch MANILLA ROAD waren die ersten, die diese Themen in Metal-Manier darboten und so den Begriff Epic-Metal prägten. Nun liegt die Frage nahe, warum die Amerikaner trotz dieser Klasse nie so bekannt wie IRON MAIDEN, die zur gleichen Zeit ihre große Karriere begannen, oder JUDAS PRIEST geworden sind.Die Antwort ist im Sound und vor allem im Gesang begründet, der nämlich hört sich an, als würde ein greiser Hexer mit gebrechlicher Stimme sein Wehklagen kundtun. Die Produktion der Scheiben klingt – übrigens bis heute – als ob sie in den frühen Siebzigern und nicht mit dem besten Aufnahme-
Equipment entstanden sei. Doch trotz, oder vielleicht gerade aufgrund dieser Widrigkeiten, haben MANILLA ROAD einen Stil geschaffen, der als einzigartig zu bezeichnen ist. Ähnlich wie bei MOTÖRHEAD und den RAMONES erkennt man einen Song der Amerikaner spätestens dann, wenn der Gesang einsetzt.Von der Original-Besetzung ist nur noch Mark „The Shark“ Shelton (oben), Baujahr 57, mit von der Partie, der bereits einige seiner ehemaligen Mitstreiter überlebt hat und die Band inzwischen mit neuen, jüngeren Musikern betreibt.
Zumindest live hält er sich inzwischen als Sänger zurück, um sich aufs Gitarrenspiel zu konzentrieren. Mit dem Ex- Roadie Bryan Patrick (rechts) wurde ein neuer Shouter gefunden, der Sheltons Gekrächze erstaunlicherweise nahezu perfekt imitiert. Als Drummer fungiert seit 2011 der Deutsche Andreas Neuderth, der auch bei ROXXCALIBUR und dem Opener MASTERS OF DISGUISE tätig ist.Bei 16 veröffentlichten Alben konnte die Band natürlich aus den Vollen schöpfen. Altmeister Shelton und seine Jungs lieferten ein zweistündiges Set, bei dem kein Klassiker fehlte. Der Schwerpunkt lag dabei auf den oben genannten
Werken, so dass es eine wahre Freude war, Songs wie „Cage of Mirrors“, „The Riddle Master“, „Dreams of Eschaton“, „Open the Gates“, „Road of Kings“ und „Divine Victim“ einmal live zu erleben. Optisch verzichtete man dabei gänzlich auf Gimmicks, die sich ob der Texte anbieten würden und präsentierte sich in zeitlosen Biker-Outfits. Bryan Patrick erwies sich als würdiger Frontmann, der das Publikum konstant anheizte, obgleich dies gar nicht vonnöten war.Die Zuschauer in den ersten paar Reihen waren eh wie hypnotisiert und bewiesen bei jedem Song absolute Textsicherheit, ältere Zuhörer folgten weiter hinten dem Geschehen auf der Bühne mit ehrfürchtiger Bewunderung. Ein netter Zug war, die Frontleute der beiden Supportbands, Alexx Stahl (oben) und Marta Gabriel (links), für jeweils einen Track als Sänger auf die Bühne zu holen, wobei allerdings das MANILLA ROAD-Feeling der Songs etwas zunichte gemacht wurde. Der Gig endete schließlich mit dem Dampfhammer „Up from the Crypt“, dem wohl schnellsten MANILLA ROAD-Stück vom „Mystification“-Album.
Unter dem Strich war’s ein grandioser Abend mit den drei Bands, der vielleicht ein paar Längen hatte, aber dennoch großen Spaß gemacht hat. Und es war die erwartete Zeitreise in die Hoch-Zeit des Heavy Metal,
inklusive headbangender Mädels, kuttentragender Metalheads und Stirnbändern mit Tiger-Musterung. Die etwa achtzig Gäste dürften das Time-Travel- Experiment auf jeden Fall in guter Erinnerung behalten und sich gefreut haben, eine der ganz großen Kult-Bands des Genres in einem relativ kleinen Laden zu sehen.Links: http://www.manillaroad.net/, https://myspace.com/manillaroadofficial, http://www.lastfm.de/music/Manilla+Road
Text: Marcus / Fotos: Micha
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Hallo Marcus,
dein Bericht ist ganz interessant, enthält aber fehler. Die Gastsängerim von Crystal Viper heißt, so wie im Review dazu richtig geschrieben, Martha Gabriel und nicht Leather Wych. Neudi spielt nicht mehr bei Master of Disguise, hat allerdings das Album noch eingetrommelt. Es waren übrigens mehr als 100 Gäste vor Ort. Allein im Vorverkauf waren über 60 Karten abgesetzt worden.
Gruß von Jens, der auch dort war und Manilla Road auf ihrer Kurztour als Fahrer begleitet hat. Übrigens, das auf die Bühne gezerrte Mädchen gehört natürlich zum Umfeld der Band und trat auch am Folgetag in Ludwigsburg auf 🙂
Danke für Deinen Kommentar, Jens. Den Namen haben wir umgehend korrigiert.