MARCH / BAD MOJOS

Dreikönigskeller, Frankfurt, 16.06.2022 & 15.07.2022

MarchWenn man ein bestimmtes Alter erreicht, dann hat man als passionierter Konzertgänger die meisten Bands seiner bevorzugten Genres meist mindestens einmal, häufig aber auch schon mehrfach gesehen. Ist diese oder jene Combo wieder mal in der Stadt, überprüft man deren aktuelle Form, schaut, wie der betourte Tonträger live rüberkommt und entscheidet schließlich, ob man beim nächsten Mal wieder dabei sein wird oder eben nicht. Und man schreibt eventuell einen Bericht für diesen Blog, in dem die Entwicklung der Gruppe ebenso berücksichtigt werden kann wie die Erfahrungen aus dem jüngsten und den schon lang vergangenen Auftritten. Manchmal jedoch besucht man auch Konzerte von Acts, über die man im Vorhinein nicht viel weiß: Name unbekannt, Musikstil könnte passen, also los und überraschen lassen.

MarchIn der Regel habe ich bei solchen „Wundertüten-Shows“ nicht vor, einen Bericht zu verfassen, denn man möchte die Band ja erstmal kennenlernen. Dennoch gab es im Juni und Juli im Frankfurter Dreikönigskeller zwei Formationen, deren Gigs so mitreißend waren, dass man sie nicht unerwähnt lassen sollte. Die Konsequenz: Nachsitzen! Denn wer seine Hausaufgaben vor der Show nicht gemacht hat, der muss sich im Nachhinein das Wissenswerteste über die Bands draufschaffen und dies dann schriftlich mit den tagesaktuellen Erlebnissen verquicken.

Mitte Juni verschlug es mich zu MARCH. Das niederländisch-belgische Quartett lässt sich wohl kaum mehr als Geheimtipp verkaufen, hat es doch bereits u. a. für Schwergewichte wie LAGWAGON, ANTI-FLAG und die DESCENDENTS das Vorprogramm bestritten (was an sich schon eine Empfehlung darstellt). Die March2013 in Breda (NL) gegründete Formation bezeichnet sich auf ihrer Bandcamp-Seite selbst als „A Loud Rock Band from the Netherlands“. Und sie ist weit mehr als eine „Rock“-Band – eher ein ungewaschener Bastard aus Punkrock, Hard Rock und trashigem Rock’n’Roll. Eine Kombination, die das Publikum im gut besuchten DKK schnell auf Betriebstemperatur (und damit meine ich nicht die Raumtemperatur, die neue Lüftungsanlage schafft schon gut was weg) brachte.

MarchDreh- und Angelpunkt des Vierers ist die Sängerin und Gitarristin Fleur van Zuilen, die nicht nur über eine exzellente Stimme verfügt, sondern auch noch durch eine Mischung aus Punkrock-Attitüde und Charme für sich einnimmt. Ein weiterer Aktivposten ist der Belgier Jeroen Meeus (auch STATE OF MINE, FACE THE FAX) am Bass, Hermance Van Dijk an einer weiteren Gitarre und der Schlagzeuger Thomas Frankhuijzen (NEW POKERFACE, MOURN) komplettieren das Line-Up.

MarchPräsentiert wurde der im März 2020 erschienene zweite Langspieler „Set Loose“, zusammen mit Stücken des Debüt-Albums „Stay Put“ von 2016. Das aktuelle Werk, dessen Release-Tour seinerzeit wegen der beginnenden Corona-Pandemie leider verschoben werden musste, wartet mit einigen gehörigen Brechern wie „Born a Snake“ und „Nothing Ever Really Dies“ auf, kommt hin und wieder aber auch melodiös und mit gebremsten Schaum daher („The Surface“, „She’s a Hurricane“). Die Mischung macht’s eben bei MARCH, zusammen mit der Energie, die die Musiker*innen bei ihren Live-Shows ausstrahlen. Nicht nur darin, sondern auch was den Gesang und das musikalische Portfolio betrifft, ähnelt MARCH einer Formation, deren Namen ich bei all den Vergleichen mit Marchartverwandten Acts, die im Netz gezogen werden, nirgendwo gelesen habe: der US-All-Girl-Combo L7. Was für eine feine Referenz.

Zurück zur Show: Bei einigen Songs stieg Frontfrau Fleur die niedrige Bühne zur Gästeschar hinab und teilte dabei die begeisterte Menschenmenge wie einst Moses das Meer. Sogar zum Stage-Diving im (nicht gerade hohen) Untergeschoss ließ sich die Sängerin hinreißen. An manchen Abenden breitet sich in unser aller Lieblingskeller eine gewisse Magie aus – dies Marchwar einer von ihnen. Insgesamt ein großer Spaß für das Publikum und wohl auch für die Band, die nach dem Set noch lange und gut gelaunt für Plausch und Autogramme am Merchtisch bereitstand. MARCH wird im August und September noch einige vereinzelte Gigs in Deutschland spielen. Meine Empfehlung: Unbedingt mitnehmen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Denn Wundertüten-Shows können so unfassbar gut sein.

Dies trifft auch auf den Auftritt eines Trios zu, dass Mitte Juli den kleinen Club in der Färberstraße beehrte: die BAD MOJOS aus der Schweiz. Sie spielten als Support für die britischen Punk-Powerpopper LOS PEPES, die im Anschluss ebenfalls ein abrissreifes Set an den Start brachten und die wir in diesem Blog Bad Mojossicherlich eines Tages würdigen werden. Heute möchte ich mich jedoch auf die mir bisher unbekannten BAD MOJOS konzentrieren.

Die Eidgenossen kennt man ja eigentlich als eher ruhige, bedächtige und besonnene Menschen. Ich zumindest. Und gerade den Einwohnern der Hauptstadt Bern sagt man sogar einen gewissen Hang zur Langsamkeit nach. Aber wie überall muss es ja auch dort schwarze Schafe geben. Ich habe sie gefunden! Sie nennen sich No Rules Jules (Gesang und Schlagzeug), Trash Slash (Gitarre) und Juan Phetamin (Bass) und spielen einen ultraschnellen „LoFi-Punk from somewhere you’ve never been!“ (Bandcamp). Insofern auch kein Wunder, dass sie seit ihrem zweiten Album „I Hope You Od“ von 2018 beim Label Voodoo Rhythm der Schweizer Bad MojosTrash-Ikone Reverend Beat-Man unter Vertrag sind. Inzwischen ist das dritte, brandneue Werk mit dem klingenden Namen „Songs That Make You Wanna Die!“ seit dem 24. Juni 2022 draußen.

Darauf befinden sich nicht weniger als 17 Songs mit einer Gesamtspielzeit von etwa 33 Minuten, durchschnittlich sind die Stücke also rund zwei Minuten kurz. Für die Show zusammengestellt hatte das Trio, das stilecht in graue Müllsäcke gewandet und mit Sonnenbrillen die Bühne betrat, eine Setlist von 19 Liedern (darunter 13 vom neuen Dreher). Titel wie „Weekend Warrior“, „Scum“ und „H-Bomb“ befeuerten eine wunderbar trashige Punkrock-Party – die schließlich mit dem Track „Nazi Hunt“ zuende ging. Erinnert hat mich die Truppe, sowohl was Habitus, Sound als auch die Brillen betrifft, an die US-amerikanische Combo THE BRIEFS. Einfach großartig, was beide Bands abfackeln.

Bad MojosNach der Show unterhielt ich mich noch mit Trommler Jules, sagte ihm, dass ich seine Truppe gerne mal als Headliner mit einem längeren Set sehen würde. Er schaute mich verschmitzt an und entgegnete: „Ach, wir spielen eigentlich immer maximal 40 Minuten.“ Im Grunde hat er völlig Recht damit: Lieber eine knappe Dreiviertelstunde Vollgas mit mächtig Bohei als zu riskieren, dass das Ganze sich irgendwann abnutzt und langweilig wird. Außerdem wirds vermutlich auch nach kürzester Zeit mächtig warm unter den Mülltüten.

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Text & Fotos: Stefan

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