MARLA BLUMENBLATT

Orange Peel, Frankfurt, 2.10.2013

Mit der Ironie ist das ja so eine Sache. Wenn man etwas sagt und dann addiert, dass das „ironisch“ gemeint war, dann war das ja gar nicht so, wie man gesagt hat. Oder? Was bei der rhetorischen Ironie noch vergleichsweise einfach ist, da man in der Regel das Gegenteil von dem meint, was man sagt, wird etwas schwieriger in der Kunst und Musik beziehungsweise bei der Rezeption derselben. Beispiel STEEL PANTHER: Hier wird der unsägliche Hair Metal bis ins letzte Klischee so perfekt zelebriert, dass die meisten Kritiker und Fans nicht müde werden zu betonen, dass das ja alles ironisch gemeint und nur Spaß sei. Um sich dann auf zweistündige Shows einzulassen, die exakt das präsentieren, was Bands wie FASTER PUSSYCT oder CRAZY LIXX (stellvertretend für alle Bands mit Doppel- oder Dreifach-x) so unerträglich machte. Gibt man sich dem hin, wenn man das eigentlich nicht mag, der Ironie wegen?

Marla Blumenblatt und ihre „Boys“ leben auf ihrem Debüt „Immer die Boys“ leidenschaftlich 50er- und 60er-Reminiszenzen aus; Einflüsse also, die sie aufgrund ihres Alters (Blumenblatt ist 28) nicht aus erster Hand erfahren haben können. Mit Leidenschaft und Freude werden in 13 tanzbaren Songs Themen beschworen wie Schlaflosigkeit wegen Liebeskummer, Einsamkeit, Parties

im Gartenpavillon und andere Dinge, die von meinen Kollegen schnell das Attribut „spießig“ verpasst bekommen und den Rezensenten Thomas Winkler im ME besorgt notieren ließ, dass die Ironie hier sehr gut getarnt ist – was mich zu der These verleiten würde, dass das alles kein bisschen ironisch ist, sondern extrem gerne gemocht wird. Von mir auch, nebenbei. Einen leichten „ironischen“ Bruch stellt das Cover dar, bei dem eine Seifenblase kurz vor der Zerstörung durch ein Taschenmesser steht. Alles nicht so gemeint, mit dem Spießertum?

Wer beim Stichwort „Schlager“ generell Pickel bekommt und vergisst, dass uns die jahrzehntealte Geschichte in diesem Land durchaus auch Perlen in diesem Genre beschert hat, für den sind Marla und die „Boys“ wohl nur bedingt zu ertragen. Wobei bei der energiegeladenen Nummer „Cornetto“, Opener und Zugabe beim kleinen aber feinen Konzert im Frankfurter Club Orange Peel, schon so dermaßen die Sau rausgelassen wird, dass die Gemeinsamkeiten von Schlager und Rock‘n’Roll bundesdeutscher Prägung eindeutig werden. Die in der allgemeinen Berichterstattung über Marla Blumenblatt sträflichst vernachlässigten „Boys“ sind zusammen nämlich eine ziemlich amtliche Rock’n’Roll-Band.

Die Herren Robert Kerner (rechts, Gitarre), Malte Tönißen (unten, Bass), Jan Siekmann (Schlagzeug) und der Keyboarder, dessen Namen ich leider nicht herausbekommen habe, sind alle noch in anderen Rock- und Jazzformationen unterwegs und lieferten eine extrem überzeugende Basis für die stimmlichen und tänzerischen Qualitäten der ballett-erfahrenen (und deswegen extrem dehnbaren) Frau (oder lieber Fräulein?) Blumenblatt. Am meisten kam das zum Vorschein bei dem nicht auf der Platte vorhandenen Instrumentalstück – Kerner gab die Rocksau, Blumenblatt überraschte mit exaltierten Moves, die sie so ähnlich bei ihrem alten Arbeitgeber, dem Pariser Crazy Horse, gezeigt haben mag.

Dazu eine phänomenale Stimme (eben auch live) und wenig schwere Atmung trotz exaltierter Show, wunderbaren Popperlen wie den „Lichtern von Berlin“ (Clip dazu unten) und Ansagen, bei denen ich nicht wusste ob ich sie süß, peinlich oder beides finden soll („Jaja, die Boys (kicher), man kann eben nicht mit und nicht ohne sie (kieks)“); dargebracht vor einer Handvoll Menschen, die größtenteils älter waren als die Akteure auf der Bühne, aber am Ende der Show den Musikanten alle aus der Hand fraßen. Wenn das irgendwo reinpasste, dann ins Orange Peel, finde ich. Mit 45 Minuten war das Konzert zwar nicht allzu lang, aber es gibt bisher halt auch erst ein Album mit 13 Songs unter 4 Minuten.

Also, großer Spaß, auch ohne Ironie. Wäre schön, wenn die „Boys“ offensiver werden dürfen im Blumenblatt-Konzept und der Brückenschlag zum (vor der Show gespielten) Duane Eddy gelingen würde. Dann wäre das auch was für die Rockabilly-Fans des Hauses. Würde mich freuen.

Links: http://www.marlablumenblatt.com/, http://www.lastfm.de/music/Marla+Blumenblatt

Text & Fotos: Micha
Clip: aufgenommen am Konzertabend von MsNaddalie

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