Orange Peel, 29.12.2012
Ich habe keine Ahnung von Blues. Überhaupt keine. Sicher, ich höre viele Gitarrenschwinger aus den Sechzigern und Siebzigern, die rockigen Blues oder eher bluesigen Rock spielen. Aber das Zeug, das die gehört haben, um zu ihrem Sound zu kommen, ist mir größtenteils ziemlich fremd. Auf wen das mit Sicherheit nicht zutrifft, sind die Musiker der MATCHBOX BLUESBAND, die am gestrigen Abend mit einem speziellen Programm ihr 30-jähriges Bühnenjubiläum bestritt; allen voran Klaus „Mojo“ Kilian (rechts), der nicht nur jedes Konzert gleichermaßen zur Party wie zur Blues-Geschichtsstunde erhebt, sondern jahrelang ein Heftchen kreierte, welches man in Punkkreisen Fanzine nennen würde und mit dem er enormes Fachwissen über seine Lieblingsmusik bewies.
Mehr oder weniger zufällig kreuzten sich meine Wege in den letzten Jahren ab und an mit denen der MBB, bzw. mit denen Kilians. Ohne jemals direkt zum Fan mutiert zu sein, hatte ich immer sehr viel Spaß an den leidenschaftlichen Auftritten der Band, was auf den CD-Genuss weniger zutraf. Da fehlt mir immer ein wenig diese Leidenschaft, von mir aus auch der Rotz und Dreck, den ich an einigen der erwähnten bluesigen Rocker so schätze (Rory Gallagher z. B.). Wenn ich das Album „Four Of A Kind“ von 1995 höre, dann rollen sich mir bei einigen Stücken wie „Good Rockin Mama“ mit seinem leichten Reggae-Touch sogar die Fußnägel hoch. Trotzdem hat mich die Band in wechselnden Besetzungen live immer extrem gut unterhalten, sei es auf den Jazz-Faschingsbällen im Schwalbacher Bürgerhaus oder in einem der größtenteils nicht mehr existierenden Clubs in Frankfurt.
Nachdem Kilian im Dezember 2011 zu Ehren der im Sterben liegenden Sangeslegende Etta James mit Kollegen anderer Blues- und Rockabilly- Bands aus dem Rhein/Main- Gebiet einem großartigen Konzert im Orange Peel vorstand, scheint er den Club als neues Wohn- und Arbeitszimmer zwischen den Jahren zu etablieren.
Und da es den Geburtstag der Band zu feiern gab, waren wieder einige Gäste geladen, von denen sogar ich als Bluesunkundiger den einen oder anderen kannte. Da war z. B. der fantastische Bernhard Dill (unten), der mich und zahllose andere in den
Achtzigern häufig für lau und mit seiner Gitarre in den sommerlichen Frankfurter Parks bespaßte („Lieder im Park“, was für eine großartige Konzertreihe war das damals. Große Künstler sämtlicher musikalischer Couleur gaben sich da die Ehre, von späteren Alternativschlagerstars wie Klaus Lage über Politrocker wie SCHRÖDER ROADSHOW bis zu Avantgardisten wie Albert Mangelsdorff.)Oder der an der E-Gitarre brillierende Manfred Häder (unten), dessen Formation ANDEX B ich vor Urzeiten mal im Sinkkasten
erleben durfte. Mit dem ebenfalls anwesenden Thomas Schilling am E-Bass hat man damit schon drei Fünftel der Ur-Besetzung der FRANKFURT CITY BLUESBAND am Start, die immerhin mit Leuten wie Alexis Korner zusammen musizierte, unter anderem. Die beiden Pianisten heute waren wohl Ditz Gunzenhäuser und Andreas Stenger; am Bass sollten, neben Stammbassist Wolfgang Lieberwirth, Bert Gerecht und Detlef Schmidt gastieren, wenn es da keine Änderung gab (diese Musiker sind mir leider nicht bekannt).Der ebenfalls angekündigte Rainer zur Linde, erster Gitarrist der MATCHBOX BLUESBAND, ist leider überraschend kurz vor Weihnachten verstorben, was
dem Abend anfänglich einen Dämpfer verpasste; ihm und zwei weiteren verstorbenen Weggefährten widmete Kilian den Konzertabend. Der Gast an der zweiten Harp muss Felix Zöllner gewesen sein; er war auch letzten Dezember dabei und erledigte einen ziemlich guten Job.Mich persönlich am meisten beeindruckt hat (einmal mehr) MBB-Gitarrist Bernd Simon, der sich meiner Meinung nach vor national und international bekannteren Bluesgitarristen in keiner Weise zu verstecken braucht und mich vom Feeling her weitaus mehr packte als der vielleicht arriviertere Manfred Häder; der in seiner Stoik und Coolness durchaus an Charlie Watts erinnernde Schlagzeuger Georg Viel (oben) sowie die durch die nicht mehr
existente FOOLHOUSE BLUESBAND bekannte Ausnahmesängerin Jessica Born, die mit ihrer Version von „I’d rather go blind“ von Etta James den Höhepunkt des Abends setzte und den Bogen schlug zur letztjährigen Veranstaltung. Großes Kino! Und Kilian? Der ist sowieso über alle Zweifel erhaben, an der Mundharmonika macht ihm keiner was vor. Und wenn er mal zur Slide-Gitarre greift, dann ist das auch nicht von schlechten Eltern, könnte er ruhig noch mehr machen.Summa summarum bleibt die Empfehlung, sich die MBB unbedingt mal anzuschauen; sie spielt ja oft genug im Rhein/Main-Gebiet. Am 2. Februar zum Beispiel auf dem Zulu’s Ball in Schwalbach a. Taunus, dort zusammen in der Blues Corner mit Zydeco Annie & den SWAMP CATS. Die machen Cajun-Music. Davon habe ich genau so wenig Ahnung, aber eben so viel Spaß.
Link: http://www.matchboxbluesband.de/
Text & Fotos: Micha
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