Zoom, Frankfurt, 27.03.2017
Wer früh erschien, durfte gestern Abend drei Acts lauschen. Natürlich dem Headliner ME AND THAT MAN, hauptsächlich bestehend aus dem Duo Nergal (BEHEMOTH) und John Porter. Dem Opener DOOL mit der Rhythmus-Fraktion der inzwischen verblichenen niederländischen Okkult-Legende THE DEVIL’S BLOOD, dem Ex-GOLD-Gitarristen Reinier Vermeulen und der Frontröhre und Gitarristin Ryanne van Dorst. Und: Dem mir namentlich unbekannten, scheinbar friedensbewegten „Sänger“ auf der Frankfurter Zeil, der Klassiker wie „Hava Nagila“ zu Anti-Atomraketensongs umwandelte und zwischendurch von der Verbrecherorganisation NATO faselte. Und dazu aufrief, den dritten Weltkrieg nicht geschehen zu lassen, indem man es sich nicht mit Russland verscherzt. Friedensbewegung 2.0.: Frieden schaffen durch Kriechen in die Ärsche von Usurpatoren. Glücklicherweise war das musikalisch so schwach, dass es den wenigen Wartenden vor dem Club Zoom nur ein spöttisches Lächeln entlockte. Viel besser kam der Rest des Abends bei einigen aber auch nicht an.
Eigentlich war dieses Event so ein „Hype-Ding“: Nergal von ME AND THAT MAN füllt nicht nur mit BEHEMOTH fette Hallen, sondern ist in Polen ein Mega-Promi, vergleichbar hier mit Dieter Bohlen. Erstens wegen seiner TV-Präsenz („This is the voice… of Poland“-Juror), zweitens wegen seiner Beziehung zu der bekannten polnischen Popsängerin Dorota Rabczewska, drittens wegen seiner Kämpfe gegen die in seiner Heimat alles dominierende katholische Kirche und viertens wegen seiner überstandenen Krebserkrankung. Kein Wunder also, dass einige seiner Landsleute im Zoom waren, neben einigen Metalheads, die Nergal wegen BEHEMOTH worshippen. Auch der ein oder andere, der ME AND THAT MAN gehört hat und damit etwas anfangen kann. Oder vielleicht auch nicht.
„Hype-Ding“ traf auch auf den Opener DOOL zu. Zusätzlich zum musikalischen Vorleben der Musikanten kommt auch hier eine gewisse Neugier hinzu von Menschen, die Ryanne van Dorst bereits im niederländischen Fernsehen erlebt haben. Dafür waren DOOL aber als Special Guest zu spät angekündigt – Vertreter aus den Niederlanden suchten zumindest nicht lautstark Gehör. Und überhaupt: Für einen Abend mit gehypten Bands war der Laden erschreckend leer. Wobei Hype an sich ja nichts Schlimmes sein muss. Im Gegenteil, hört man die Alben der Akteure, dann ist dieser hoch verdient.
DOOL haben zum Zeitpunkt dieser Eurotour bereits einen hoch gelobten Auftritt beim „Hell Over Hammaburg“ in Hamburg hinter sich gebracht und kommen im Sommer nochmal als Headliner u. a. in den Wiesbadener Schlachthof (22. Juli) – ich empfehle diese Show dringend, weil DOOL nicht nur ein cooles Album gemacht haben (welches zugegebenerweise nicht beim ersten Hören zündet), sondern in den knapp 30 Minuten auf der Bühne des Zoom zeigten, wie psychedelischer Rock mit Einflüssen von JEFFERSON AIRPLANE, den späteren FLEETWOOD MAC (denen mit Stevie Nicks) und diversen Doom-Größen klingen kann.
Das war den Gästen, die den Club noch nicht mal zur Hälfte füllten, eine Menge höflichen Applaus wert. Warum sich die Band jedoch so begeistert für die wenige warme Luft bedankte, erschloss sich mir nicht. Stimmungstechnisch war das gar nichts (trotz des Fans, der einen Großteil der Tour mitmachte und alle Mitglieder der Formation persönlich ansprach). Trotzdem: DOOL sind eine ausgezeichnete Combo, auf die man sich etwas einlassen muss. Freue mich sehr auf ihren Headliner-Gig in Wiesbaden.
Dann der Auftritt des Hauptacts, ME (Nergal) AND THAT MAN (John Porter). Dass Extrem-Rockmusikanten zur Akustischen greifen ist ja kein neues Phänomen – Wino von SAINT VITUS tat das schon öfter, auch mit Conny Ochs als Duo-Partner. Laut aktuellem Metal Hammer durchaus eine Inspiration für Nergal, dessen Conny Ochs hier John Porter heißt. Ein Brite, der der Liebe wegen nach Polen zog und dort schon seit Ewigkeiten Musik macht. Kurz gehörte er sogar den auch in Deutschland hoch gehandelten MAANAM an, die sogar mal die alte Batschkapp füllten. In den Achtzigern. Those were the days. Andere musikalische Leistungen Porters haben es nicht bis zu uns geschafft, in Polen jedoch ist er eine respektierte Größe und lernte Nergal bei einem Songwriter-Gipfeltreffen kennen, welches in den USA dem der HIGHWAYMEN entspricht, also der Kombination von Johnny Cash, Waylon Jennings, Kris Kristofferson und Willie Nelson. Alles auch Einflüsse von ME AND THAT MAN.
Textlich bleiben die beiden aber dem treu, was der Antiklerikale Nergal auch sonst so treibt: „My Church is Black“ gibt die Marschrichtung vor, Opener des Albums und des Konzerts im Zoom. Interessant während des 75-minütigen Auftritts (inkl. zwei Zugaben, laut Setlist waren drei geplant) war vor allem die Gelöstheit Nergals, die man durchaus mit der von Alan Nemtheanga vergleichen kann, wenn er statt bei PRIMORDIAL mit DREAD SOVEREIGN zockt. Und: Die wunderbare Stimme von Porter, die live noch viel besser zur Geltung kam als auf der Platte. Besonders „Of Sirens, Vampires and Lovers“, von Porter geschrieben und im Duo mit Nergal performt, war zum Niederknien.
Nachdem einiges an Zurufen auf Polnisch zu hören war, was von Porter als „das gehört nicht hierher“ kommentiert wurde und von mir nicht beurteilt werden kann, gingen ME AND THAT MAN (die noch mit Schlagzeuger und Bassist/Co-Sänger auftraten) in die Zielgerade, unter anderem mit einem Cover von „Psycho Killer“ von den TALKING HEADS, an dem Porter extrem viel Spaß hatte und das er, glaube ich, später zum Abschluss brachte als von der Restband erwartet. Dafür danach „Game Over“, kein weiteres Intonieren von „My Church is Black“, wie auf der Setlist versprochen. Egal. War trotzdem fein, wenn man sich darauf einließ. Taten nicht alle, am Ende war es vorzeitig leer. War wohl doch nicht so der Hype, zumindest nicht in Frankfurt. Macht nichts. Vielleicht beim nächsten Mal.
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Text & Fotos (5): Micha / Fotos (18): Marcus
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