Schlachthof, Wiesbaden, 17.03.2016
Vieles, was Kollege Marcus vor fast genau zwei Jahren aus dem Wiesbadener Schlachthof zu berichten wusste, als MONSTER MAGNET mit ihrem Frontmann Dave Wyndorf (links) ein neues Album vorstellten, trifft exakt auf das gestrige Konzert an derselben Stätte zu. Einige Unterschiede gab es aber durchaus, angefangen mit der Vorband: Anstelle von CHURCH OF MISERY gaben sich diesmal die Texaner SCORPION CHILD ein Stelldichein – hoch gepusht von Nuclear Blast und nach einem Slot beim „Hammer of Doom“-Festival 2013 sowie einer Headliner-Tour, die sie auch nach Mühltal bei Darmstadt führte (Bericht hier) nun mit ein paar aktuellen Stücken von der anstehenden neuen Scheibe als Special Guest von MONSTER MAGNET.
Ein paar Menschen traf ich, die sogar explizit wegen SCORPION CHILD da waren. Die Songs bestätigten aber auch, was wir bereits 2014 in diesem Blog schrieben: „Der recht biedere Classic-Rock bestach hauptsächlich durch das individuelle Können der einzelnen Musiker und weniger durch herausragende Stücke.“ Check. Es war zwar schon ein Vergnügen, dem Gebaren des Quintetts aus Austin zuzuschauen – vor allem Aryn Jonathan Blacks stoisches Ausharren am Mikroständer, während seine Kollegen sich an den Instrumenten einen Wolf schafften, war eine sehr eindrucksvolle und originelle Angelegenheit. Aber die Lieder kranken allesamt am Durchschnitt, trotz vorhandener, herausragender Riffs und anderer instrumentaler Darbietungen. Eine gute Truppe, die sich unter ihrem Wert zu verkaufen scheint oder einfach nur in der Lage ist, 08/15-Nummern zu komponieren. Schade eigentlich. Knapp 45 Minuten durften die Texaner ran, nach einer halben Stunde Umbau kam dann der Headliner.
In diesen 30 Minuten wurde in der Halle geplaudert, und viele der Anwesenden taten das über den unlängst von uns gegangenen Lemmy Kilmister. Durchweg positiv, so weit ich das mitbekommen habe; voller Respekt und mit witzigen Anekdötchen, die die Erzählenden selber erlebt oder vorher in der Zeitung gelesen haben. Ein juveniler Fan brachte sein Bedauern darüber zur Kenntnis, dass er MOTÖRHEAD auf ihrer letzten Tour verpasst hatte und zog die Konsequenz daraus, dass ihm das bei MONSTER MAGNET nicht auch passieren dürfe, bevor deren Mastermind Dave Wyndorf ins Gras beißt. Autsch. Wyndorf wird diesen Oktober 60, na schön, aber wenn das eventuell bevorstehende Ableben eines Künstlers nur noch der Grund ist, seine Konzerte zu besuchen, dann finde ich das ein wenig gruselig. In der Dezember- Ausgabe des Visions wurde zu solch einem Verhalten quasi aufgerufen. Sicherlich nett gemeint, weil Leute wie der zur Drucklegung noch lebende Lemmy oder der kürzlich vom Krebs genesene Bruce Dickinson eben tolle Musiker sind und das Leben endlich und fragil ist. Aber fragt Euch doch mal, wie es Euch gehen würde, wenn die Gäste auf Eurer Fete nur deswegen da sind, weil Du ja morgen vielleicht schon weg bist. Sehr aufbauend. Sehen wir also nur noch Konzerte der „Alten“, um sicherzugehen? Ich sollte etwas schneller schreiben, wer weiß, wie lange das noch gut geht…
Zurück zu MONSTER MAGNET und dem Bericht meines geschätzten Kollegen. Ungleich ihm sah ich die Combo erstmals in Hanau im August 1992 – doch mir ging es ähnlich wie ihm. Damals waren MM voll auf dem HAWKWIND-Trip, ich ebenso (bin es heute noch) und fragte mich ernsthaft, warum ich mir diese Kasper geben soll, wenn ich auch das Original hören und sogar sehen kann (ging damals noch in Deutschland, ab und an). Ein wenig später dann der Wechsel zu A&M und die Schweinerockphase der Truppe begann. Weniger Gegenlicht auf der Bühne und dafür mehr nackte, weibliche Brüste. MONSTER MAGNET wurden langsam interessanter für mich. Wobei die Alben ja auch voller Knaller steckten. Und aus diesen speiste sich diesmal ausschließlich das Konzertprogramm; das heißt im Gegensatz zu 2014 wurde keine neue Scheibe beworben. Im Unterschied zu meinem Kollegen jedoch kann ich den Alben der letzten Jahre durchaus etwas abgewinnen und finde es sogar ziemlich interessant, dass Wyndorf nach einigen Monaten sogar eine zweite Version der selben Tracks anbietet – sowas wie sein eigenhändig hergestelltes Remixalbum. MONSTER MAGNET-Songs für verschiedene Stimmungen. Mag ich.
Wir alle lieben jedoch eine Setlist wie die des gestrigen Abends (siehe unten). Dass der Frontmann ein HAWKWIND-Shirt trägt und der Gitarrist zur Linken eines von MOTÖRHEAD, sehe ich nun mehr als maximale Bekundung des Respekts – MONSTER MAGNET pflegen seit Jahren ihren eigenen Stil, und der speist sich definitiv aus dem selben Brunnen, aus dem auch ein Lemmy Kilmister trank. Und sonst? Wie 2014 baumelte an Wyndorf eine Gitarre, die er auch hätte weglassen können. Wie 2014 wurde authentisch und leidenschaftlich 90 Minuten lang gerockt, ohne die Plattitüden, die der Opener leider vorzuweisen hatte. Aber wer weiß, wo die in zehn Jahren stehen: SCORPION CHILD sind dann vielleicht eine Institution im Classic Rock und man sieht sie sich schnell noch an, bevor sie den Löffel abgeben. Mal schauen, was Herr Wyndorf und ich dann so treiben werden.
Setlist: Crop Circle / Powertrip / Melt / Superjudge / Twin Earth / Look To Your Orb For The Warning / Dinosaur Vacuum / Cage Around The Sun / Tractor / Dopes To Infinity / Space Lord // I Want More / Face Down / Negasonic Teenage Warhead
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Text, Fotos & Clips: Micha
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