Schlachthof, Wiesbaden, 13.02.2020
Wenn die US-Rocker von MONSTER MAGNET mit ihrem Frontmann Dave Wyndorf (links) in der Region auftreten, ist Erscheinen eigentlich Pflicht. In den vergangenen Jahren hat das Quintett mit schöner Regelmäßigkeit bei uns vorbeigeschaut und wir haben bereits zweimal, 2014 und 2016, Beiträge zu den Ikonen des Stoner-Rocks in diesem Blog gepostet. Alle guten Dinge sind drei? Wir denken Ja, denn diesmal hatte die Band im Vorfeld angekündigt, im Rahmen ihrer Tour „Powertrip – A Celebration plus much more“ das 1998 erschienene Album (und eines ihrer Referenzwerke) in Gänze zu performen. Abgerundet wurde der Konzertabend in der großen Halle des Wiesbadener Schlachthofs durch den Support des Garage-Rock-Duos NEW YORK WANNABES aus Darmstadt.
Auch über die NEW YORK WANNABES haben wir schon des Öfteren berichtet, das erste Mal im Jahr 2012 anlässlich ihrer Show im Frankfurter Ponyhof: Zu dieser Zeit hatte das 2009 gegründete Duo etwa 20 Auftritte absolviert und spielte vor einer Handvoll Leuten im Vorprogramm der Psychobilly-Gang ASTRO ZOMBIES. Seither hat sich viel getan: Inzwischen haben Lucky Wilbert (Gesang und Gitarre) und Sue Hoffmann (Schlagzeug) knapp 500 Gigs auf dem Buckel, sind landauf, landab gereist und haben die kleinen und mittelgroßen Clubs der Republik bespielt, Abstecher ins europäische Ausland (u. a. Großbritannien, Italien, Frankreich, Österreich und Tschechien) inbegriffen. Im vergangenen Jahr gab‘s erstmals eine US-Tour mit acht Stopps, eine weitere wird im Sommer 2020 folgen. Auch sind drei Langspieler erschienen.
Genug Erfahrung und Songmaterial ist also vorhanden, um der Karriere ein weiteres Highlight hinzuzufügen: Einen Auftritt als Support vor mehr als 1500 Fans der amerikanischen Stoner-Rocker MONSTER MAGNET im Wiesbadener Schlachthof. Mir würde angesichts der Masse Mensch in einer solch gut besuchten Halle vermutlich das Herz in die Hose rutschen, nicht so allerdings den beiden Südhessen mit ihrem originären, selbst betitelten „Brain Stem Psycho Blues“. Sie hatten zuletzt im vergangenen Dezember im großen Saal der Darmstädter Knabenschule beim Motto-Abend „Melodien für Millionen“ (bei dieser traditionellen Veranstaltung spielen die eingeladenen Formationen in ihrem jeweiligen Stil ausschließlich Coversongs) unter Beweis gestellt, dass sie kompatibel mit großen Bühnen und einigen hundert Gästen sind.
Dass sich die beiden Bandmitglieder durchaus zu Höherem berufen fühlen, mag man auch daraus ersehen, dass sie sich im Februar 2019 via Twitter über den Musikgeschmack der für die Organisation der Halbzeit-Show des American-Football-Finales „Super Bowl“ Verantwortlichen beschwerten. Und bei dieser Gelegenheit anboten, statt der üblichen Popstars wie Shakira, Lady Gaga oder Justin Timberlake gleich selbst mal dort aufzutreten und die Bude (beziehungsweise das Stadion) zu rocken. Kein schlechter Move – das Event wird schließlich weltweit von etwa einer Milliarde Menschen live im TV verfolgt. An Selbstvertrauen mangelt es den NEW YORK WANNABES also nicht, und schließlich wächst man ja auch mit seinen Aufgaben. Nun, aus dem Pausenauftritt wurde (bisher) noch nichts, aber immerhin konnte sich das Duo gestern im Schlachthof beweisen.
Die Show startete mit dem langsamen, aber sehr eindringlichen Song „Mental Rapist“ vom noch aktuellen, aber auch schon mehr als fünf Jahre alten Album „Read My Soul“ – der optimale Track, um in den Flow zu kommen und das Publikum neugierig auf die kommenden Stücke zu machen. Über Midtempo-Nummern wie unter anderem „Listen Up“ und „Soul Brother“ arbeitete sich das Duo durch sein Set, um den Gig schließlich mit dem Brecher „Beat Sex“ (als zehntes von insgesamt zwölf Liedern) kulminieren zu lassen. Doch da hatten die NEW YORK WANNABES die Gäste in der Halle schon längst im Sack.
Auch in einem solch großen Rahmen schaffte es die bestens aufeinander abgestimmte Kombination aus extrovertiertem Performer an Mikro und Saiten und souveräner Taktgeberin am Schlagzeug, die ihnen eigene Magie zu entfalten und einen Sound zu kreieren, den ich für ein Duo immer wieder faszinierend finde. Dass die NYW das Publikum abgeholt hatten, spiegelte sich später auch am Aufkommen am Merchstand wider, an dem etliche, fair gepreiste LPs und CDs den Besitzer wechselten. Ein ausgezeichneter Opener für MONSTER MAGNET, für deren Konzertreview ich nun an meinen Kollegen Micha übergebe.
Hätte ich gewusst, dass die britischen Garage-Rock-Giganten SAINT AGNES an diesem Abend nicht eröffnen würden, wie sie es beim Rest der Tour taten – ich wäre wohl zu Hause geblieben und hätte mich damit um einen ziemlich geilen Abend betrogen. Nicht nur wegen der NEW YORK WANNABES, die ich erstmals live erleben durfte, sondern letztlich auch wegen des Headliners – den ich zwar mag, der bei mir nach 2016 aber noch nicht wieder reif war. Alle zwei Jahre kommen MONSTER MAGNET nach Wiesbaden, sie scheinen sich dort also recht wohl zu fühlen. Mal mit einem neuen Album oder einer alternativen Version eines relativ neuen Albums – oder mit einem steinalten.
Beides zieht genug Leute, welche den Schlachthof dann zwar nicht unbegehbar machen, jedoch weit mehr füllen als man es vermuten würde, hört man sich beim Zielpublikum so um. Denn im Bekanntenkreis oder diversen Online-Foren brennt kaum noch jemand für die Formation aus New Jersey. Früher vielleicht mal, als MONSTER MAGNET als astreiner HAWKWIND-Klon zu Zeiten des Grunge eine neue Art von Retro-Sound etablierten. Oder später, als sie breitbeinig – weil mit zentnerschweren Eiern bestückt – nach Teer riechenden Hardrock kredenzten, freizügig gekleidete Tänzerinnen am Bühnenrand inklusive. Ja, das waren noch Zeiten.
Bis Dave Wyndorf, Mastermind der Band und einzig verbliebenes Originalmitglied, heftigst ausgebremst wurde. 2006 kam der Zusammenbruch, Schlaftablettenmissbrauch. Da hatte Wyndorf seine Referenzwerke alle hinter sich, erschuf alle drei bis fünf Jahre jedoch noch Nachfolger, die durchaus ebenfalls Klasse hatten. Sie hinterließen allerdings nicht annähernd einen solchen Eindruck wie etwa „Spine Of God“ (1991), „Superjudge“ (1993) und „Dopes To Infinity“ (1995). Oder eben „Powertrip“ (1998). Mit „Spine..“ und „Dopes..“ waren MONSTER MAGNET bereits auf Retro-Tournee – das heißt, die Alben werden mehr oder weniger durchgespielt, wenn auch dramaturgisch neu durchgeschüttelt.
Ich persönlich brauche solcherlei Veranstaltungen bei aller Liebe eher weniger und freue mich, live auch mal Ungehörtes zu vernehmen, aber egal: Dieses Mal war „Powertrip“ dran, eine Sammlung voller treibender Hardrock-Hymnen, die sowieso zum Teil in jeder Setlist stehen müssen, wenn niemand frustriert die Halle verlassen soll. „Space Lord“, auf der Scheibe an dritter Position, muss zum Ende der Performance kommen wenn man nicht möchte, dass die Leute verfrüht entschwinden – und so kam es dann auch. Zehn Songs von „Powertrip“ wurden gespielt (13 waren auf der Original-LP), in veränderter Reihenfolge, „Space Lord“ zuletzt.
Neben Wyndorf war Gitarrist Philip Caivano der Einzige auf der Bühne, der auch „Powertrip“ im Studio mit eingespielt hatte. Totalausfälle gibt es auf der Platte nicht, ein Knaller jagt dort den nächsten. Dass drei Alben-Stücke live unberücksichtigt blieben hatte vielleicht damit zu tun, dass man als MONSTER MAGNET-Fan eben auch noch etwas von „Dopes..“ sowie „Superjudge“ hören möchte. Und durfte: Wyndorfs Frage in der Zugabe, ob die Leute noch Bock auf ein paar andere Nummern hätten, war eher rhetorischer Natur: „Negasonic Teenage Warhead“ ist, bei aller Klasse des „Powertrip“-Titelsongs, „See You In Hell“ oder eben „Space Lord“ das Highlight schlechthin und beschloss die Show folgerichtig nach knapp 90 Minuten. Ohne Tänzerinnen, nicht mehr ganz so breitbeinig wie 1998 und mit weniger geschmeidigen Posen, aber immer noch mehr als ansprechend.
Die HAWKWIND-Phase, sie wurde auch nicht komplett unter den Teppich gekehrt: Mit „The Right Stuff“ coverten MONSTER MAGNET einen Track von Robert Calvert, der jahrelang zu HAWKWIND gehörte. Im Gegensatz zum Vorprogramm konnte man vom Headliner allerdings keine Tonträger beim Merch erstehen – anscheinend durfte man davon ausgehen, dass sowieso jeder der Anwesenden das Gespielte im Schrank hat. Dafür boten MM neben gewohnt großartigem Artwork auf Shirts und Postern (Wyndorf ist bekennender Comic-Junkie und zählt die Marvel-Ikone Jack Kirby als einen ebenso großen Einfluss wie Bands wie HAWKWIND, MOTÖRHEAD oder MC5) eine signierte Setlist des Abends für einen Zehner an. Ein Schnäppchen, welches ich mir verkniff. Gab ja Platten der NEW YORK WANNABES.
Links: https://de-de.facebook.com/newyorkwannabes/, https://www.instagram.com/newyorkwannabes/, https://newyorkwannabes.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/new+york+wannabes, http://www.zodiaclung.com/, https://www.facebook.com/monstermagnet/, https://www.instagram.com/monstermagnetofficial/, https://monstermagnetofficial.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/Monster+Magnet
Text (NYW) & Fotos: Stefan / Text (MM): Micha
Clip: am Konzertabend aufgenommen von django
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