Museumsufer, Frankfurt, 28.08.2016
Alljährlich spielen beim Frankfurter Museumsuferfest mehr als 100 Bands auf, die meisten sind für diesen Blog unerheblich. Einige jedoch nicht. Und jene sind an nur einer Handvoll Flecken dieses von fast drei Millionen Menschen besuchten, dreitägigen Spektakels zu sehen. Als „places to be“ hervorzuheben sind in erster Linie die nach den hiesigen Kneipen „Feinstaub“ und „Tiefengrund“ benannten Bühnen sowie die des nichtkommerziellen Rundfunksenders radio x. An all diesen Stationen gab es auch während der 2016er-Ausgabe des hier „MUF“ genannten Events ein feines Line-Up. Natürlich wiederholt sich manches, da Acts aus der lokalen Szene bevorzugt gebucht werden und dem Veranstalter eine gewisse Planungssicherheit geben, was die Anzahl der erwarteten Fans und Freunde angeht. Aber es gibt auch immer Überraschungen, wenn sich dutzende Bands die Klinke in die Hand geben. Über wen also berichten, was weglassen?
Am MUF-Sonntag ergab sich eine schöne Gelegenheit für einen halbwegs repräsentativen Blick auf das Programm, spielten doch mit LES FANATIQUES eine hervorragende heimische, mit THE ASTEROIDS aus Gießen eine spannende Combo aus dem weiteren Hessenlande
LES FANATIQUES
und mit AUTHORITY ZERO aus dem fernen Arizona (USA) eine der wenigen ausländischen Bands direkt hintereinander weg, und das bei bestem Sommerwetter.
Über LES FANATIQUES haben wir in diesem Blog im Februar 2013 (klicke hier) zuletzt detailliert berichtet, und am Konzept hat sich selbstredend seitdem nichts geändert: Das Quintett gibt die bahnbrechenden Songs der französischen Punkrock-Legende LES SHERIFF zum Besten und tat das auch gestern unter freiem Himmel so authentisch, dass sich manch einer der unvorbereitet zur Feinstaub-Bühne gestoßenen Besucher erstmal die Augen reiben und das beim Vorbeilaufen an anderen Auftrittsstätten angefallene Ohrenschmalz entfernen musste. Denn die seit sieben Jahren existierende Truppe generiert mit den beiden Gitarren (gespielt von den Brüdern Tim und Ole) sowie der Rhythmusfraktion von Christian (Bass) und Markus (Schlagzeug) einen fetten Sound; Dreh- und Angelpunkt ist der Mittdreißiger Jacob, der (zumindest für meine Ohren) ein lupenreines Französisch spricht, singt, brüllt, herausschreit.
Damit einher gehen Punkrock- Posen aller Art, aber keine der aufgesetzten, tumben Sorte – vielmehr solche, die verdeutlichen, wie stark sich die Jungs mit dem Werk ihrer Vorbilder aus Montpellier identifiziert haben. Das Quintett rockte, beinahe ohne Pausen (Festivalzeit ist knapp und kostbar), an einem der heißesten Tage des Jahres, und ich ziehe meinen Hut nicht nur vor der musikalischen, sondern auch der körperlichen Leistung der Buben.
Als nächste Band stand AUTHORITY ZERO aus Mesa im US-Bundesstaat Arizona auf dem Plan. Ich kannte das Quartett vor dem Auftritt nicht, angekündigt wurde die Stilrichtung der Combo als „Ska Punk“. Warum, blieb während der ersten Songs offen, denn das war ein solider Punkrock, der einem da um die Ohren geblasen wurde, von Ska keine Spur. Das änderte sich jedoch etwa zur Hälfte des Sets. Fortan brachten der vollbärtige Shouter Jason DeVore, Dan Aid an der Gitarre, Mike Spero am Bass und Chris Dalley am Schlagzeug ihre diversen musikalischen Einflüsse zu Gehör, außer Ska befinden sich nämlich auch noch Elemente des Hardcore, Skatepunk und sogar Reggae im Portfolio der vielseitigen Truppe.
AUTHORITY ZERO
Es dauerte nicht lang, da wurde es (wie auf dem Videoclip unten zu sehen) trotz der nachmittäglichen Auftrittszeit voll auf dem Rasen. Die eingefleischten Fans der Acts auf der Feinstaub-Bühne wollten die Amerikaner sowieso mitnehmen, doch auch zahlreiche an der Mainpromenade flanierenden MUF-Gäste blieben stehen, bestaunten das quirlige Quartett und ordneten sich schließlich in die Reihen vor dem Podest ein. Das dürfte der Band nicht verborgen geblieben sein, die bestimmt eher selten um diese Tageszeit auftritt und vielleicht auch der guten Resonanz wegen nochmal das Gaspedal durchtrat. Auch die diversen Sprünge von DeVore und Aid konnten sich sehen lassen.
Noch ein Wort zum Mann an der Gitarre: Aid hatte sich an seinen zum Teil amputierten Unterarm ein weißes Stück Irgendwas, ich vermute Hartplastik, geschnallt, um damit die sechs Saiten zu bearbeiten. Funktionierte reibunglos und dürfte von vielen sogar unbemerkt geblieben sein.
AUTHORITY ZERO ist ein Tipp für all die, denen Punkrock allein auf die Dauer zu eintönig ist und die auf abwechslungsreiche, mit eingängigen Melodien versehene Songs mit einer gesunden Portion Aggressivität stehen. Ich würde mir gerne mal eine Headliner-Show der 1994 gegründeten Truppe in einem mittelgroßen Club ansehen. Da brennt garantiert der Baum.
Nach dem fulminanten Auftritt der Amerikaner hätte es jede Band erstmal schwer gehabt, ein unstetes Festivalpublikum an die Bühne zu binden. Und so erging es auch den Garage-Rockern THE ASTEROIDS aus dem nordhessischen Gießen. Die Laufkundschaft zog weiter, die Stammgäste suchten sich vorübergehend ein schattiges Plätzchen und das Quartett musste anfangs vor ziemlich leeren Rängen spielen. Doch die Routiniers, die seit Jahren stete und
THE ASTEROIDS
gern gesehene Gäste in Frankfurter Clubs (u. a. Orange Peel, Ponyhof, Dreikönigskeller, Feinstaub) sind, ließen sich davon nicht beirren und zogen ihren „Wild 60’s Garage Rock Hip-Shakers with a lot of Fuzz, Wah & screaming Organ tunes“ bezeichneten Sound (Facebook-Seite der Band) durch – mit Erfolg, wie sich später erweisen sollte.
Blickfang der Truppe, die seit 2008 existiert, ist der Gitarrist und Sänger Jan Ricklefs, der mit seinen unzähligen Tattoos nicht nur sich, sondern auch seine/n Nadelstecher glücklich gemacht haben dürfte. Auf der gegenüberliegenden Seite der Bühne sorgte an Gitarre und Orgel Tomas Hochmuth (stilecht im ärmellosen Retro-Unterhemd) für Alarm und gediegene Sixties-Atmosphäre, die im weiteren Verlauf der Show immer mehr auf die zurückkehrenden MUF-Gäste überschwappte. Am Schluss ihres Gigs wurden THE ASTEROIDS – wie auch die beiden anderen Bands zuvor – völlig zu Recht abgefeiert.
Für mich bleibt die Truppe, die laut Porträt auf generatormedia.de aus „vier rotzfrechen, geistesgestörten Extraterrestrischen mit Musikinstrumenten“ besteht, zwar eher ein Act für kleinere, schwitzige Clubs, denn dort kommt einfach noch mehr von der rohen Energie, die das Quartett verströmt, beim Publikum an. Dennoch war der Auftritt ein guter, der letztendlich bewies, dass Garage-Rock, wird er mit solcher Leidenschaft dargeboten, auch auf einer größeren Festivalbühne und vor zahlreichen Zuschauern, die mit derartiger Musik eigentlich nichts am Hut haben, eine Chance hat.
Zuletzt noch ein Dank an die Macher des „Feinstaub“, die auch 2016 wieder ein prima Programm auf dem MUF gestemmt haben, das für alle Freund/innen der alternativen Musikszene nicht mehr wegzudenken ist.
Links: https://www.facebook.com/les.fanatiques, https://myspace.com/lesfanatiques, http://authorityzero.com/, https://www.facebook.com/AuthorityZero, https://myspace.com/authorityzero, http://www.last.fm/de/music/Authority+Zero, https://www.facebook.com/TheAsteroidsGarage/, https://www.reverbnation.com/theasteroidsgarage
Text & Fotos: Stefan
Clips: am Konzerttag aufgenommen von Bioeter
Alle Bilder: