Burgwiesenhalle, Oberursel, 27.09.2014
Hier folgt der zweite Teil unserer Berichterstattung zum „Music From The Beast“-Festival in Oberursel mit den Auftritten von Paul Di’Anno (rechts), Blaze Bayley und MAIDEN UNITED. Den ersten Teil findest Du hier.
Die Protagonisten des nächsten Acts, MAIDEN UNITED, mögen das anders sehen. Sie sind eine Coverband; und Coverbands hasse ich. Eigentlich. Was ich nämlich in Wirklichkeit hasse, sind Bands, die nur nachspielen. Ich werde wohl nie begreifen, warum man auf Straßen- oder anderen Festen ständig Combos aufspielen lässt, die versuchen Bekanntes 1:1 zu imitieren, was immer in die Hose geht (viele aber nicht zu kratzen scheint). Muss man nicht auch GEMA- Gebühren zahlen, wenn Karl-Heinz und Klaus-Peter DEEP PURPLE zocken? Reicht dann nicht auch ein Plattenspieler, um Kosten zu sparen und die Musik richtig gut hören zu können?
Bands mit eigenem Material, die mal covern, meine ich damit natürlich nicht. MAIDEN UNITED haben kein eigenes Material, aber irgendwie dann wieder doch. Denn auch, wenn sie ausschließlich MAIDEN-Songs verwursteln, so
verändern sie die Arrangements so dermaßen, dass ein gehöriger Eigenanteil bleibt. Die Gitarre ist auch hier akustisch und im Sitzen gespielt; ein Konzertbass, den ich in so einer Form noch nie gesehen habe, wird von MAIDEN UNITED-Gründer Joey Bruers ebenfalls im Sitzen bedient: Das Piano dagegen ist elektrisch und wichtiger Bestandteil des Sounds. Am signifikantesten jedoch: Das Organ des Sängers Damien Wilson, der hauptberuflich bei der britischen Progband TRESHOLD tätig ist. Keine Ahnung, ob seine Vergangenheit als Musical-Sänger ihm dabei half oder eher im Weg war: Wilson war ausdrucksstark, kommunikativ, bewegungsfreudig und teilweise fast schon
sowas wie beseelt. „2 Minutes to Midnight“ z. B., von MAIDEN mit Sicherheit keine Lieblingsnummer von mir, überzeugte mich komplett; „Children of the Damned“, „The Evil That Men Do“…was für Nummern, welch geniale Versionen. Ich war vorher völlig unbedarft und bin jetzt Fan (auch, wenn zumindest das erste Album diese Live-Faszination nicht erreicht), aber das Festival hatte seinen Eintritt bereits jetzt gelohnt. Unglaublich stark.
BLAZE BAYLEY war als nächstes angekündigt, weswegen ich mich an der Absperrung fest krallte. Den ehemaligen WOLFSBANE-Shouter, der mit dieser Combo die legendäre Tour (1991) eröffnete, auf der ANTHRAX und PUBLIC ENEMY ein (nicht vorhandenes) Crossover-Publikum bespaßen wollten, spielte Mitte bis Ende der Neunziger zwei Alben mit IRON MAIDEN ein, bevor und nachdem Bruce Dickinson das Mikro hielt. Die Alben dieser Phase sind nicht übel und halten sogar ein paar echte Perlen parat, die man von MAIDEN selbst nie zu hören bekommt, soweit ich weiß. Für den zylindertragenden Freiburger
sind die Soloplatten von Bayley sogar „der perfekte Heavy Metal“. Da mögen Zweifel erlaubt sein, unterm Strich bleibt jedoch eine solide Fangemeinde und großer Respekt. Den hinterließ Bayley auch nach seiner extrovertierten Rockshow, die mit „Lord of the Flies“ vom „X-Factor“-Album begann und sogar einen MAIDEN-Song vom danach spielenden Paul Di’Anno im Programm hatte – mittlerweile war so
ziemlich wurscht was gespielt wurde, Hauptsache MAIDEN und Hauptsache, wie es sich gehört: als Metal-Tracks. Die Zeit des Schönklangs war vorbei, vermeintliche Innovationen runter gespült. Alles rockte und feierte, Bier wurde verschüttet und flugs wieder nachgereicht. Als zweiter Act nach Thomas Zwijsen wurde aber auch anderweitig das Great British Metal Songbook bemüht und UFO gecovert, schadet ja nicht. Toller Auftritt.
Bis jetzt hatten wir schöngeistige moderne Klassik (mit etwas Goodwill); akustisches, progressives britisches Liedgut und annähernd perfekten Heavy Metal. Was fehlte? Punkrock. Passend zum Alkoholkonsum des größten Teils des Restpublikums wurde im finalen Set des Abends von PAUL DI’ANNO losgebolzt, breitbeinige Rockstarposen vor von Nebel verhüllter Bühne inklusive. Fünf Songs vom ersten IRON MAIDEN-Album, vier vom zweiten (wenn ich das noch richtig im immer schwerer werdenden Kopf habe) – meine Lieblingsalben von MAIDEN, welch ein Fest. Di’Anno, der wenig ausließ in seinem Leben, beeindruckte weniger mit
Stimmgewalt als mit seiner unmittelbaren Physis, der trotz diverser Schwächeleien (ab Song drei wurde meist am Schlagzeug gehockt und gequalmt, sollen doch die Jungspunde Kalorien verbrennen auf der Bühne) wirklich Furcht einflößend wirkte. Das Duo Di’Anno nebst Drummer hatte einen derben Streetgang-Touch; Di’Anno trug ein Shirt eines griechischen Fußballverein-Supporters, der
gleichermaßen ein Rockerclub zu sein scheint und coverte zum Ende seines Sets die RAMONES. Der anfänglich in der Halle vorherrschende Gummigeruch war längst in Bierlachen ertränkt, die auch den Schreiber dieser Zeilen zum Ausrutschen brachten; Muskelkater und blaue Flecke gehörten dazu, wie damals, 1981. Unterm Strich war das ein perfekter IRON MAIDEN-Abend, wie man ihn von der Originalband
wohl nie mehr geboten bekommt. Am Ende winkten alle Akteure noch mal ins angeschickerte Publikum, der Rezensent bemühte sich um eine einigermaßen günstige Heimreise ins, auf einmal, ewig weit entfernte Frankfurt. Vergeblich. Aber glücklich.
Links: http://www.maidenunited.com/, https://myspace.com/maidenunited, http://www.lastfm.de/music/Maiden+United, http://www.blazebayley.net/, https://myspace.com/blazebayley, http://www.reverbnation.com/blazebayley, http://www.lastfm.de/music/Blaze+Bayley, http://www.pauldianno.com/, https://myspace.com/diannothebeast, http://www.reverbnation.com/pauldianno, http://www.lastfm.de/music/Paul+Di%27anno
Text, Fotos & Clips: Micha
Alle Bilder: