NIETNAGEL

Elfer Music Club, 30.11.2012

Konzerte von NIETNAGEL waren schon immer etwas Besonderes. Eine Grenzerfahrung, die den Zuschauern eine Mischung aus Achterbahnfahrt auf LSD, Hüpfburg im Minenfeld und Zahnwurzelbehandlung mit einem Presslufthammer bot. Kurz gesagt, wenn man Bands wie VENOM und die PLASMATICS mit GG ALLIN in die Teleportationskammer aus dem Film „Die Fliege“ stecken würde und noch einen Pandabären dazugeben würde, dann kämen nach dem Teleportieren vermutlich NIETNAGEL heraus.

Die gestrige Veranstaltung stand unter ganz besonderen Vorzeichen: Zum einen markierte sie den letzten Gig mit dem langjährigen NIETNAGEL-Drummer Lord Iron Nail, zum anderen steht in Kürze bekanntlich der Weltuntergang bevor, so dass die Show vermutlich die letzte der wohl größten Kultband des Rhein/Main-Gebiets sein würde. Und um sich dem Anlass entsprechend mit einem Knall zu verabschieden, hatte sich das Trio einige ganz spezielle Gimmicks einfallen lassen. Doch dazu später mehr.

Eröffnet wurde der Abend durch die aus der Wetterau stammenden HEINRICH XIII & THE DEVILGRASS PICKERS, die musikalisch zwar ein ganz anderes Genre bedienen als der Headliner, partytechnisch aber mit NIETNAGEL auf gleicher Wellenlänge liegen. Die Jungs boten eine illustre Mixtur aus Country, Hillbilly und Bluegrass, die authentischer nicht hätte sein können und die Vermutung nahe legte, dass die Band in einem Trailerpark im ländlichen Wölfersheim haust und sich dabei überwiegend von Pabst Blue Ribbon und Bohnen mit Speck ernährt. Yeehaw!

Das Set variierte zwischen schnellen, Banjo-dominierten Songs, getragenen Country-Moritaten im Bob Wayne-Stil und gelegentlichen Cover-Songs, beispielsweise von Hank Williams („I Saw the Light“) und den MISFITS („Skulls“). Das Publikum im gut gefüllten Elfer-Keller war begeistert; witzige Ansagen von Sänger Heinrich (links), wie: „Nietnagel haben gesagt: „Ihr probt doch heute eh, warum macht ihr das nicht im Elfer?“, sorgten zudem für gute Laune. Alles in allem war es ein mitreißender Auftritt, der die Anwesenden in die richtige Stimmung für das Inferno brachte, das nun folgen sollte.

Nach kurzer Umbau-Pause war es dann soweit: Das mächtige Nagelkommando betrat, begleitet von Maschinengewehrfeuer,

Explosionen und finsteren Höllenglocken, die Bühne. Die Jungs hatten sich schick gemacht, liefen unter tosendem Beifall in glitzernden Pailletten-Sakkos und mit Strasssteinen besetzen Wehrmachtshelmen in die Arena ein und lieferten gleich den ersten Überraschungsmoment, als der Helm des Gitarristen Panzerpapst plötzlich in Flammen aufging.

Ein gelungenes Opening, das einige Fans in der ersten Reihe mit rußverschmierten Gesichtern zurückließ und direkt in den Song „Nirnanaarrggh“ überging, der dem erfreulichen Ableben von Kurt Cobain gewidmet wurde und in einem ersten Ausraster des Gitarristen gipfelte, als dessen Instrument mal wieder nicht so wollte wie er. So zertrümmerte er kurzerhand seine Gitarre auf dem Metallboden vor dem Podest. Offenbar hatten die Medikamente, die seine cholerischen Ausbrüche verhindern sollten, versagt. Doch kein Problem, der Panzerpapst hatte vorgesorgt und noch weitere Gitarren in seinem Waffenarsenal gelagert.

Von nun an präsentierten die Offenbacher einen Klassiker nach dem anderen, beispielsweise den Song „Black Out Metal“, der den selbst kreierten Musikstil von NIETNAGEL beschreibt: eine Mischung aus ironischem Selbst-Nihilismus und meditativer Zen-Aggression unter Berücksichtigung sozio-theologischer Aspekte.

Die Bandmitglieder (den Schlagzeuger ausgenommen) wirbelten wie Duracell- Hasen mit Raketenantrieb über die Bühne und scheuten auch die Konfrontation mit dem Publikum nicht. Das brachte dem einen oder anderen Zuschauer sicherlich ein Veilchen ein, das sich allerdings erst am nächsten Morgen bemerkbar gemacht haben dürfte. Doch wie sagt Lord Iron Nail immer so schön: „Wo genagelt wird, da fallen Späne!“

Nach der nordischen Black-Metal- Hymne „Wickie“ folgte – zum wohl letzten Male – Lord Iron Nails traditionelle Ode an die Märkische Heide, bevor es wieder musikalisch auf die Fresse gab und Teile der Bühne explodierten. Zwischendurch sorgten regelmäßige Apfelwein-Injektionen für gute Laune, bei denen der Panzerpapst mehreren nichtsahnenden Fans kurzerhand einen Schlauch in den Mund schob, an dessen anderem Ende sich ein aufgesägter Totenschädel befand. Dieser fungierte als Trichter und wurde jeweils mit dem Inhalt eines Bembels gefüllt (Foto links). Der betreffende „Patient“ wirkte danach sichtlich entspannter, offenbarte jedoch erkennbare motorische Störungen. Fast schien es, als wollte die Band ihre versammelte Jünger-Schar ebenfalls in die Hölle schicken.

Im Anschluss gab es im Rahmen einer Tombola einige Gewalt verherrlichende DVDs, T-Shirts und Hundekot (im weiteren Verlauf stand eine Cover-Version von GG ALLIN an) zu gewinnen, bevor als Höhepunkt des Abends wieder ein „Satanic Werewolf“ gesucht wurde. Traditionell wird beim gleichnamigen Song einem Anhänger die Ehre zuteil, das Elend der Welt pantomimisch und mit Wolfsmaske ausgestattet, darzustellen. Der erste Anwärter erwies sich allerdings leider als unwürdig (weil zu besoffen), und so wurde ein zweiter Fan zum Werwolf gemacht, der sich deutlich besser anstellte.

Als schließlich die Worte erklangen: „Wer jetzt scheißen muss, der soll es auf der Bühne tun!“ – ein verstecktes politisches Statement zur noch immer anhaltenden Euro-Krise – huldigte die Band mit „Die When You Die“ dem leider viel zu früh verstorbenen Rock-Poeten GG ALLIN und legte mit „I Hate You“, einer Ode an die Fans, noch einen drauf. Beim finalen Song „Prophecy“ wurden auch die verbliebenen Instrumente zu Kleinholz verarbeitet, denn die Welt geht ja am 21. Dezember unter und dann braucht sie eh niemand mehr.

Vom Gig gezeichnet verließen die drei Musiker schließlich die noch brennende Bühne, schleppten sich zu ihrem Spähpanzer und rauschten davon. Die Frage, wer denn nun den ganzen Scheiß aufräume, das Feuer lösche und die Bühne wieder sauber mache, konnte ich dem verzweifelten Clubbetreiber leider nicht beantworten. Viel mehr beschäftigte mich die Frage, ob ich die ebenso groß- wie einzigartigen NIETNAGEL noch einmal live sehen werde, oder ob in Kürze tatsächlich die Welt untergeht…

Links: http://www.myspace.com/nietnagel/, http://www.heinrich13.com/, http://de.myspace.com/heinrich13

Text & Fotos: Marcus
Clip: am Konzertabend aufgenommen von NietnagelTV

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