NIKKI LANE & RUBY BOOTS

Nachtleben, Frankfurt, 29.05.2017

Nikki LaneUnd? Wie hältst Du es so mit der Country Music? Bist Du einer von denen, der das ganze Genre verachtet, weil Du es für den Schlager der USA hältst? Oder einer von denen, die den Begriff niemals benutzen würden, einen Hipsterbart tragen und nur undeutlich durch diesen vor sich hin nuscheln, begleitet von der Ukulele eines anderen Bartträgers? Verkleidest Du Dich etwa, wenn einer der noch verbliebenen Altstars aufkreuzt (wie Kris Kristofferson demnächst) und rückst den Stetson auf dem kahlen Schädel zurecht, um Verbundenheit mit den USA zu zeigen? C&W wird unterschiedlich gelebt und rezipiert – und die großen Musikmagazine fassen diese Musik in der Regel noch nicht mal mit der Kneifzange an. Außer, man gilt im Alter auf einmal als cool.

Oder man nennt das nicht C&W, sondern „Alternative-Folk“ oder „Roots Music“. Oder man hört sich die Solo-Alben von Punkrockern wie Mike Ness (SOCIAL DISTORTION) an, die sich mit dem selbstzerstörerischen Lebensstil solcher Nikki LaneIkonen wie Hank Williams beschäftigt haben und Parallelen zu ihrem eigenen Leben sehen. Die Outlaws, die sich zu Tode gesoffen haben oder zumindest ein paar Brüche in ihrer Vita vorweisen können, das sind die, die respektiert werden. Das sind auch die, die Nikki Lane am meisten beeinflusst haben. Laut Wikipedia und Rolling Stone betrieb die 33-Jährige früher einen Vintage-Klamottenladen, in dem sie Dan Nikki LaneAuerbach kennenlernte – Teil der BLACK KEYS und Produzent mit extrem gutem Riecher. Lanes erste LP erschien 2011. Von „Walk of Shame“, einem Trennungsalbum, präsentierte sie am gestrigen Abend im Frankfurter Nachtleben auch etwas („Gone, Gone, Gone“). Vorher stand allerdings die Australierin Ruby Boots auf der Bühne des Kellerclubs, alleine.

Ruby Boots ist musikalisch ähnlich unterwegs wie Nikki Lane, ein bisschen weniger derbe, vielleicht. Ihre Stimme ist sehr soulful – am deutlichsten kam das Ruby Bootszur Geltung, als die Gitarre weggelegt wurde und sie einen Song über Frauen (Videoclip dazu weiter unten) a cappella zum Besten gab. Ein Gänsehautmoment, der auch Boots sichtlich befreite. Mehrmals während ihrer 30 Minuten bedankte sie sich bei den knapp 100 Anwesenden für das „frühe Erscheinen“ und über die Tatsache, dass ihr überhaupt zugehört wurde. Muss hart sein als Support in den Schuppen der USA oder Australiens.

Mit Nikki Lane tourte sie auch schon zuvor – man konnte den Eindruck gewinnen, dass die beiden Ladys gut miteinander können und eigentlich spielte die Ruby Bootsganze Zeit sowieso nur eine Band, aber in unterschiedlichen Konstellationen. Lanes Gitarrist unterstützte Boots bei ihren letzten Songs, Boots betrat im Gegenzug die Bühne im letzten Drittel des Lane-Gigs und sang nicht nur Background, sondern durfte auch noch mal ans Hauptmikro. Mit Lanes „Highway Queen“-Klampfe. Wenn das mal nicht deutlich war.

Im Internet findet man schnell euphorische Kritiken zu vergangenen Gigs von Nikki Lane – u. a. die, in der berichtet wird, dass Lane mehr gequatscht als gespielt habe und es trotzdem toll war, weil sie so witzig sei. Nun, so lief es gestern nicht ab. Es gab ein paar Quasselmomente, die sehr unterhaltsam waren. Aber am Ende dominierte die Musik, die mitunter auch immer stärkere rockige Einschläge aufwies.

Bei einem dieser Momente stand Lane, bewaffnet mit einer Pulle Bier und einem Becher, in dem Tequila sein sollte, vor den Zuhörern und nutzte den Alkohol für eine bessere deutsche Aussprache. Als sie die zugerufenen Vokabeln, die sie nachsprechen sollte, nicht mehr verstand, bremste sie sich Nikki Laneselbst weil „am Ende wieder jemand ne Review schreibt und ich dann lesen muss, was ich Blödes erzählt habe“. Mein zustimmendes „Yep“ wurde vom Bassisten registriert, der Lane daraufhin nochmal warnte: „Da hat jemand ‚Yep‘ gesagt. Da schreibt wirklich einer was!“ Keine Sorge, es gab keinen Grund zur Klage, dafür war der Abend viel zu kurzweilig.

Schwerpunkt des Gigs war natürlich die aktuelle Scheibe „Highway Queen“, von der sechs oder sieben Songs gespielt wurden. Unter anderem „700.000 Rednecks“, bei welchem der Titel witziger ist als das Stück selbst, oder „Foolish Heart“ (Videoclip dazu am Ende dieses Berichts), das gar nicht auf der Setlist stand. Ein Album nebenbei, Nikki Lanedas zwar glatter klingt als die Live- Versionen, aber nicht so glatt wie viele der keimfreien Country-Produktionen, die man samstags beim „Country Countdown“ auf AFN hören konnte. Mit einem Jessi Colter-Cover wurde zudem einer Vorgängerin Lanes im weiblichen „Outlaw-Country“ gedacht.

Der Rolling Stone (eine der zwei großen Musikmagazine, die manchmal über C&W berichten), bescheinigt Nikki Lane eine große Zukunft. Wenn man von der Nikki LaneHingabe der Anwesenden ausgeht, die sie zum Teil noch nach Stuttgart oder Amsterdam begleiten, dann könnte das dafür sprechen. Als nach einem furiosen „Jackpot“ Schicht war blieben die meisten Gäste noch im Raum, trotz derbster Hitze, um den Merchtisch leer zu kaufen und eventuell ein Autogramm abzustauben. Sind dann doch nicht anders als alle anderen Rock’n’Roller, die Country-Fans.

Links: http://www.rubybootsmusic.com/, https://www.facebook.com/rubyboots, https://soundcloud.com/rubybootsmusic, https://www.last.fm/de/music/Ruby+Boots, https://www.nikkilane.com/, https://de-de.facebook.com/nikkilanemusic/, https://soundcloud.com/nikki-lane, https://www.last.fm/de/music/Nikki+Lane

Text, Fotos (25) & Clips: Micha / Fotos (5): Kai

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