Im Interview: N.T.Ä.

Frankfurt/Saarbrücken, Oktober 2024

N.T.Ä.Seit 2019 bereichert die Band N.T.Ä. die deutsche Punk-Szene. Live ist das Trio, bestehend aus Nadine Nevermore (Gesang & Bass), Tommy Cräck (Gitarre) und Äxel Äxport (Schlagzeug & Gesang) seit dem Frühjahr 2022 zu sehen. Inzwischen hat die Formation aus dem Saarland mit namhaften deutschen und internationalen Punk-Acts wie SLIME, PASCOW und GBH die Bühne geteilt. Nachdem N.T.Ä. im Januar diesen Jahres nach einer EP (2020) den ersten Langspieler herausgebracht haben, ist das mediale Interesse weiter gestiegen. Wir nahmen einen Auftritt als Support der chinesischen All-Girl-Band DUMMY TOYS Ende Juli 2024 in der Frankfurter AU zum Anlass, mit dem Trio ein Interview zu verabreden. Dieses führten wir im September nach dem Ende der N.T.Ä.-Tour mit der US-Streetpunk-Institution THE CASUALTIES. Wir illustrieren die folgenden Fragen und Antworten mit Fotos vom oben erwähnten Gig in der AU sowie im Weinheimer Café Central im August. Alle Bilder lassen sich wie immer durch Anklicken vergrößern.

Hallo Nadine, Tommy und Äxel, danke für Eure Zeit! Für all diejenigen, die noch nicht drauf gekommen sind, lüftet mal bitte das Geheimnis um Euren Bandnamen!

Nadine: N.

Tommy: T.

Äxel: Ä. Was am Anfang als reiner Arbeitstitel begann, wurde relativ schnell der Bandname, da es eigentlich alle Ideen, die wir für einigermaßen gute Namen hatten, schon gibt, in den 80ern mal gab oder sich während unserer Überlegungen irgendwo auf der großen, weiten Welt eine Kapelle mit diesem Namen gegründet, aufgelöst und mittlerweile wieder drei Reunion-Shows gespielt hat.

Ihr habt alle schon vor der Gründung von N.T.Ä. Musik gemacht, auch zusammen, und seid oder wart außerdem mit anderen Bands und Projekten aktiv. Bitte gebt uns einen kurzen Abriss, was Euer bisheriger musikalischer Lebenslauf so alles umfasst…

Äxel: Also ich habe in meiner Kindheit und Jugend vom Musikverein, dem Jugend-Bläser-Chor, einer Bigband, einer Rock’n’Roll-Band, einer Coverband und mehreren Heavy Metal-Bands eigentlich schon alles durch. Als ich dann N.T.Ä.2014 Nadine und Tommy getroffen habe, habe ich den Punk kennengelernt und bin seitdem drauf hängen geblieben. Wir sind mit unserer damaligen Band CHRISTMAS im DIY-Stil durch ganz Europa getourt und haben in gefühlt jedem Schuppen und besetzten Haus von Warschau bis Marseille und von Blackpool bis Barcelona gespielt. Das war schon ziemlich cool als junger Drummer.

Nadine: Witzigerweise habe ich auch mal im Musikverein gespielt, aber nicht Schlagzeug, sondern Klarinette, haha. Ab 2004 habe ich in meiner ersten Punk-Band SUPERHORST Bass gespielt und ab und zu gesungen. Offiziell haben wir uns eigentlich nie aufgelöst, aber seit 2008 ist mit SUPERHORST nichts mehr passiert. 2010 bis 2017 war ich auch bei CHRISTMAS, wo ich, wie eben schon erwähnt, Äxel kennengelernt habe. Tommy kenne ich wahrscheinlich schon über 15 Jahre und wir waren beide schon vor Äxel bei CHRISTMAS.

N.T.Ä.Tommy: Ich habe mit Deutschpunk angefangen, dann bei CHRISTMAS gespielt und jetzt bei N.T.Ä.

Wie kam es schließlich dazu, dass Ihr 2019 als Trio – das klingt jetzt etwas kitschig – „zusammengefunden“ habt?

Äxel: Wir sind bei CHRISTMAS nach und nach ausgestiegen und auch nicht alle im Besten auseinander gegangen. Das muss man ehrlich sagen. Folglich haben wir uns dann auch etwas aus den Augen verloren. Aber es kam wie es kommen musste: Wir haben relativ schnell das gemeinsame Musikmachen total vermisst. Ich habe Nadine auf der PASCOW-Releaseshow vom Album „Jade“ getroffen. Bei der Show hat sie bei einigen Songs mitgesungen. Danach haben wir gequatscht und hatten beide irgendwie extrem Lust nochmal musikalisch was zu starten. Tommy wollten wir auch dabei haben, da wir drei einfach schon immer gern zusammen gespielt und als Team gut funktioniert haben. Folglich haben wir Mr. Crack angerufen, uns getroffen, alte Wunden versorgt, vergangene Unstimmigkeiten aus dem Weg geräumt und angefangen wieder Musik zu machen. Blöderweise kam Corona dazwischen, wodurch sich alles etwas hingezogen hat und wir dann tatsächlich erst im Sommer 2022 unsere erste Show als N.T.Ä. gespielt haben. Eine schöne Sache ist, dass auf der PASCOW-„Jade“-Releaseshow die Idee N.T.Ä.entstand die Band zu gründen und wir auf der darauffolgenden PASCOW-Releaseshow vom Album „Sieben“ im Januar 2023 als Vorband spielen durften. Allein dadurch wird PASCOW immer eine besondere Bedeutung für uns haben.

Nadine: Ich würde noch ergänzen, dass wir als Team trotz der Pause direkt wieder funktioniert haben. Unseren ersten Song „Empowerment“ hatten wir direkt nach der ersten Probe drauf. 

Welche Vorteile seht Ihr, in einer – sagen wir mal, mittelgroßen – Stadt wie Saarbrücken beheimatet zu sein? Oder würdet Ihr lieber in einer Metropole wie Berlin, Hamburg oder Köln leben?

Nadine: Im Grunde sind wir eigentlich alle drei absolute Dorfkinder und Landeier. Äxel und ich sind irgendwann nach Saarbrücken gezogen und die Größe der Stadt reicht uns allemal. Mit größeren Städten wären wir absolut überfordert. Zum Urlaub machen oder Gigs spielen sind die großen Städte natürlich immer ein schönes Erlebnis, aber dort leben wäre für uns eher nichts.

Wie ich mich selbst schon überzeugen konnte, verfügt Saarbrücken über eine ziemlich hohe Kneipendichte – angeblich eine der höchsten in Deutschland! Könnt Ihr das bestätigen und wie sieht es mit den Clubs und Auftrittsmöglichkeiten bei Euch aus?

N.T.Ä.Äxel: Ja, es gibt schon viele Kneipen, aber wie so oft bedeutet Quantität nicht gleichzeitig Qualität. Aber natürlich hat man schon so seine Lieblingskneipen und Locations.

Nadine: Meine Lieblingskneipe ist definitiv der Karate Klub Meier!

Äxel: Absolut. Ich würde vom Gefühl her sagen, dass es für die Größe der Stadt viele Auftrittsmöglichkeiten für Bands gibt, wie zum Beispiel der Meier, Horst, Studio30, Garelly Haus, Commune, kleiner Club, Garage und weitere. Generell gibt es wirklich viele Bands im Saarland. Natürlich muss man auch immer schauen was für den jeweiligen Gig passt. Viele Liveclubs bedeutet leider nicht immer coole Shows mit vollem Haus. Manchmal gibt es auch Wochenenden wo geballt mehrere Punk-Shows an einem Tag stattfinden, es sich verläuft und alle eher so mäßig besucht sind und dann gibts Wochenenden an denen gefühlt nichts geht.

Nadine: Das coole an Saarbrücken ist, dass es Konzertmöglichkeiten für Shows mit 70 bis 7000 Zuschauern gibt. Auch im Rest vom Saarland gibts tolle große und kleine Locations.

Äxel: Man muss aber auch ehrlich sagen, da wir mit N.T.Ä. so wahnsinnig oft selbst auf Tour sind, können wir viele schöne Konzerte und Veranstaltungen einfach nicht besuchen. Wir sind ja fast jedes Wochenende außerhalb der Stadt unterwegs. Das ist das Leid des tourenden Musikers. Daher gibt es definitiv Saarbrücker Kneipen- und Konzertgänger, die diese Frage ausführlicher beantworten könnten.

Welche Bands aus dem Saarland sollte man kennen? Mir fällt sofort STEAKKNIFE ein, die mich schon seit fast 30 Jahren begleiten. Und CROWD OF ISOLATED! Zwei Legenden, die es immer noch gibt. Wer war oder ist aktuell sonst noch angesagt?

N.T.Ä.Tommy: PASCOW und THE FEELGOOD McLOUDS sind aktuell sehr gefragt.

In Frankfurt wird ja gern mal über die lokale Musikszene gemeckert, was ich völlig übertrieben finde, von den mangelnden Proberäumen mal abgesehen. Gibt es in Saarbrücken eine lebendige Szene im Punkrock- und Hardcore-Bereich? Helfen sich die Bands gegenseitig oder steht mehr das Konkurrenzdenken im Vordergrund?

Nadine: Erweitert auf das Saarland gibt es schon eine lebendige Punkrock- und Hardcore-Szene. Es gibt viele Leute, die Musik machen und die Banddichte ist auf jeden Fall hoch für so ein kleines Bundesland. Ich könnte gar nicht alle aufzählen. Vermutlich ist es hier im Saarland wie überall, es gibt Bands die sich unterstützen, aber natürlich gibt es vereinzelt auch Konkurrenzdenken.

Äxel: Für mich wirkt es manchmal so, dass die saarländische Szene irgendwie wie so eine Blase ist. Es gibt so viele geile Bands von hier, die aber fast nur im Saarland unterwegs sind. Gleichzeitig berichten uns, wenn wir auf Tour sind, häufig Bands von anderswo, dass es für sie total schwierig ist an Shows in Saarbrücken oder im Saarland zu kommen.

Bei Eurem Auftritt in der Frankfurter AU habt Ihr betont, dass Ihr Euch freut, dort zu spielen. Welcher Ruf eilt der AU außerhalb des Rhein/Main-Gebiets voraus? Wir können das hier ja schlecht beurteilen…

Tommy: Die AU ist für uns einer der legendärsten Punk-Schuppen der Republik, hat reichlich Geschichte und ist in seiner Art definitiv einzigartig.

Nadine: Absolut. Ich fand den Laden schon klasse, lange bevor ich selbst Musik gemacht hab. Und als ich dann damit angefangen hab, wollte ich dort unbedingt spielen.

Äxel: Für mich auch ein legendärer Laden mit guten Leuten. Die AU ist vor der Bühne als Zuschauer, aber auch auf der Bühne als Musiker einfach immer wieder schön. Außerdem mag ich Euren Äppler, den gibts in Saarbrücken nicht.

Bei Euren Shows steht stets ein Schild mit der Aufschrift „IT’S A DRESS NOT A YES“ (Es ist ein Kleid, nicht ein Ja.) auf der Bühne. Habt Ihr in Bezug auf Sexismus selbst schon schlechte Erfahrungen gemacht oder wolltet Ihr einfach ein allgemeines Statement abgeben?

Nadine: Sowohl als auch. Ich hab leider, ich denke wie fast jede Frau, schon häufig schlechte Erfahrungen machen müssen. Die gehen von sexistischen „Scherzen“ und Sprüchen über Beleidigungen zur Oberweite oder Figur bis hin zu ganz klaren körperlichen Grenzüberschreitungen. Ich kenne beispielsweise auf einem Konzert den Unterschied zwischen versehentlichen Berührungen, die beim Pogo passieren können und einem gezielten Griff unterhalb der Gürtellinie. Vorsätzliche Grenzüberschreitungen, verbal und körperlich, können schon in der Jugend anfangen und ziehen sich dann durch das weitere Leben durch. Ich denke gerade in der Jugend, wenn Frau noch in der Findungsphase ist, kann sowas schlecht eingeordnet und falsch bewertet werden. Ich zum Beispiel dachte

N.T.Ä.

damals auch „ja das is halt so… so sind sie, die Jungs“. Leider ist ja die Gesellschaft nicht dafür bekannt Frauen ein anderes Gefühl zu vermitteln. Dieses Narrativ, dass Frauen selbst Schuld tragen, wenn sie angetatscht werden – oder schlimmer -, weil sie etwas „freizügiger“ angezogen sind, ist so tief verwurzelt, dass Frau denkt, dass sie wirklich die Schuld trägt. Damit werden Männer natürlich schnell aus der Verantwortung gezogen und Mann muss sich keine Gedanken über sein Verhalten machen. Das Schild, gerade nach dem Song „BOYS“ umgedreht, soll hier ein wenig für das Thema sensibilisieren. Es soll verdeutlichen, dass ein Kleidungsstück kein Freifahrtschein ist und gleichzeitig auch Frauen darin bestärken, dass sie tragen sollen, was sie wollen und dass ihre Kleiderwahl keiner Schuldzuweisung gleichkommt.

Auf Eurer aktuellen Platte „Stories That Pave the Way to Hell“, die Anfang 2024 veröffentlicht worden ist, singt Ihr vor allem über gesellschaftliche Missstände und persönliche Probleme. Greift doch bitte jeder von Euch als Beispiel mal ein Lied heraus und erklärt, worum es geht.

Nadine: Puh, das ist echt schwer. Da ich die meisten Texte schreibe und Tommy die Musik schreibt, würde ich mal zwei raussuchen und kurz vorstellen. Ich denke, ich entscheide mich für „Rain“ und „Dryland“.

Im Song „Rain“ geht es darum, dass es Freunde gibt, mit denen man früher super eng war, alles geteilt hat und die verrücktesten Sachen erlebt hat und die man dann während des „Erwachsenwerdens“ aus den Augen verliert. Bei manchen steht dann scheinbar die Familie im absoluten Fokus und ich habe manchmal das Gefühl, dass es Menschen gibt, bei denen es den Anschein hat, als würden sie ab Hochzeit oder Geburt des Kindes ihre eigene Identität abgeben. Zumindest lässt die ein oder andere Erzählung das vermuten.

Der Song „Dryland“ ist Viva con Agua und deren Arbeit gewidmet. Für alle, die die Organisation nicht kennen: Viva con Agua verfolgt das Ziel “Wasser für Alle – Alle für Wasser!” und unterstützt Wasserprojekte auf der ganzen Welt. Mit Spenden, zum Beispiel durch das Sammeln von Pfandbechern auf Konzerten, Festivals oder Fußballspielen – vielleicht habt ihr schon mal die blauen Tonnen und Fahnen gesehen – können dann die WASH-Projekte – Wasser, Sanitär, Hygiene – in Ländern wie Uganda, Äthiopien, Südafrika, Tansania, Nepal oder Indien unterstützt werden und beispielsweise Brunnen gebaut werden. Davon handelt der Song.

Äxel: Den Text zu „Empowerment“ habe ich noch zu meinen Uni-Zeiten in Landau geschrieben. Auslöser war eine Geschichte unseres Professors über ein Wohnheim für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung. Das Thema des Seminars war Selbstermächtigung, Autonomie und Selbstbestimmung gegenüber Bevormundung und Unterdrückung. Die Geschichte ging so: Ein erwachsener Bewohner wollte sich in der Cafeteria von seinem eigenen, in der Werkstatt verdienten Geld zum Mittagessen eine Flasche Cola dazu kaufen. Die Wohnheimleitung meinte allerdings Cola wäre nicht gut für ihn, er bekäme keine N.T.Ä.und solle Tee trinken. Das Ende vom Lied war, dass er machen musste, was die Leitung wollte. Auf der Grundlage dieser Story behandelten wir das Thema Empowerment. Das gerade beschriebene Spannungsfeld zwischen Unterdrücker und Unterdrücktem durch ungleiche Machtverhältnisse zieht sich im Prinzip ja durch alle Ebenen der Gesellschaft und findet sich in fast allen Bereichen des sozialen Miteinanders. Es ist eines der zentralen Themen unserer Punk-Subkultur. Glaubt man George Orwells „Farm der Tiere“ werden alle Revolutionen letzten Endes ja nur eine Verschiebung im Kaleidoskop der Macht herbeiführen, aber die Grundstruktur der Gesellschaft immer die Gleiche bleiben. Es gibt aber auch die Strategie der vermeintlich Schwächeren, die sagt: Reguläre verlieren wenn sie nicht gewinnen, Irreguläre gewinnen wenn sie nicht verlieren. Empowerment versteht sich als „Push“ für alle Randständigen zusammenzuhalten und soll zur Selbstermächtigung beitragen ohne auf die Hilfe der Mächtigeren und gesellschaftlich vermeintlich Höhergestellten zu warten. Der Grundgedanke ist sich diesen entgegenzustellen und durch Selbstbestimmung, Selbstregulierung und Zusammenhalt die bestehenden Verhältnisse zu ändern. Auch wenn es wahrscheinlich immer ungleiche Machtverhältnisse bleiben werden. Gleichzeitig spricht es sich gegen die so populäre Vermarktung – „We’re not your brand! – N.T.Ä.des Anti-Mainstreams aus. Häufig fühlt sich ja gerade die gefestigte Norm so unglaublich hip und revolutionär, wenn sie sich mit Slogans und Shirts der Subkultur schmückt, in deren Stadtteile zieht oder weitere Aneignung betreibt.

Würdet Ihr Euch als politische Band bezeichnen?

Alle: Ja, definitiv! Wir sind nicht nur gemeinsam als Band politisch, sondern selbstverständlich auch jeder von uns als Person auf ganz vielen Ebenen.

Ihr scheint eine Vorliebe dafür zu haben, Euren Songs Titel zu verpassen, die nur aus einem Wort bestehen. In meiner Generation war man ja traumatisiert, weil man ellenlange Titel in Mikroschrift auf Cassetten-Inlays schreiben musste. Das wird bei Euch kaum der Fall sein. Welcher Gedanke steckt bei N.T.Ä. dahinter?

Äxel: Ehrlich gesagt hat sich das anfangs einfach so ergeben und wir haben gemeinsam entschieden das zu unserem Markenzeichen zu machen. Wir konzentrieren uns auf das Wesentliche. Wenn ich mir das so überlege, könnten wir das Konzept erweitern und auf unseren Live-Shows einfach auch nur noch Ein-Wort-Ansagen machen, haha.

Nadine: Dein Trauma kann ich teilen. In den 80ern und 90ern wären wir wahrscheinlich die Lieblinge der schreibfaulen Kassettenüberspielerinnen gewesen, haha.

Nadine, Deine Stimme scheint prädestiniert für Punkrock zu sein. Jemand kommentiert auf Eurer Bandcamp-Seite, dass Deine Stimme klingt, als würdest Du täglich zwei Päckchen Kippen rauchen und zwei Flaschen Whisky trinken. Mal ehrlich: Wie gesund oder ungesund lebst Du wirklich?

Nadine: Whisky mag ich nicht so wirklich, aber das mit dem Rauchen stimmt zum Teil. Ich habe tatsächlich 25 Jahre lang geraucht und im Dezember 2023 aufgehört, weil ich durch einen fiesen Husten, Nachwirkungen einer schlimmen N.T.Ä.Grippe, beim Singen stark eingeschränkt war. Glücklicherweise hatten wir zu dieser Zeit kein Konzert anstehen, aber die Proben waren hart und da hab ich mir überlegt, was ich lieber mache, rauchen oder singen. Die Entscheidung war klar und ich wollte mal testen, wie lang ich es ohne Zigarette aushalte… Das ist bis heute noch so.

Ansonsten esse ich seit fast zehn Jahren kein Fleisch und seit vier Jahren gar keine tierischen Produkte mehr, womit es mir körperlich auf jeden Fall viel besser geht! Aber leider muss ich gestehen, dass ich trotzdem viel zu gern und wahrscheinlich auch zu oft Süßkram und Junk-Food esse und zu wenig Sport mache. Also ist auf der Gesundheitsskala wohl auf jeden Fall noch Luft nach oben, haha.

Wenn ich das richtig gehört habe, gibt es bei Euch – bis auf ein paar Zeilen im Song „Scream“ von Eurer „Dark Stories“-EP – nur Englisch gesungene Lieder. Könnt Ihr Euch vorstellen, auch mal deutsche Texte zu schreiben?

Äxel: Diese Frage bekommen wir tatsächlich öfter gestellt. Witzigerweise sind wir zurzeit gerade Teil eines wirklich coolen Tribut-Samplers von einem Label aus Hamburg, bei dem viele verschiedene Bands jeweils einen Song einer für uns wirklich wichtigen und coolen Deutschpunk-Band covern. Für uns ist das eine schöne Sache. Der Song ist schon fertig aufgenommen, abgemischt und das Cover ist auch fertig, mehr können wir dazu aktuell noch nicht verraten. Aber N.T.Ä.abgesehen von Coversongs für bestimmte Anlässe oder hin und wieder mal eine deutsche Textzeile um bestimmten Intentionen besondere Aussagekraft zu verleihen, wie zum Beispiel „Fick die AFD“, werden wir wahrscheinlich eher bei englischen Texten bleiben und keine kompletten Songs auf Deutsch schreiben, oder, Nadine?

Nadine: Vermutlich eher nicht. Meine Texte werden wohl auf Englisch bleiben, weil mir Deutsch zum Texte schreiben irgendwie nicht so liegt. Das klingt dann entweder wie ein Kinderlied oder eine wissenschaftliche Abhandlung, haha. Ich denke die Texte, beziehungsweise die anfänglichen Textfragmente auch nur in Englisch, weil ich die Sprache schöner finde, besonders für Lieder.

Äxel: Wenn wir mal auf Deutsch singen wird das eher die Ausnahme oder wenn wir was mit deutschem Text covern. Wir haben zum Beispiel ja auch mal ganz zu Beginn eine Coverversion von „Generation im Arsch“ gemacht.

Auf Eurer Facebook-Seite habt Ihr die amerikanischen Streetpunks THE CASUALTIES als Eure Jugendhelden bezeichnet. Mit welcher Musik seid Ihr sonst noch aufgewachsen und welche Bands beeinflussen Euren Stil heute?

Nadine: Meine erste große musikalische Liebe war David Hasselhoff, haha! Den hab ich tatsächlich 2005 in Frankfurt auch live gesehen, war der Hammer! Danach bin ich, wie für die Zeit recht typisch, an diversen Boybands und der KELLY FAMILY nicht vorbei gekommen, letzteres war auch mein allererstes Konzert, an der Loreley. Unvergessen. Aber ich hatte auch seit der Grundschule schon „härtere“ Musik in meinem Walkman, nämlich die „Keep the Faith“ von BON JOVI und die „Bestie in Menschengestalt“ von den ÄRZTEN – beides N.T.Ä.übrigens als Original-MC! Die ÄRZTE-Doppelkassette war damals ganz neu draußen, da war ich elf Jahre alt und fasziniert, dass der einfach so „Arschloch“ auf der Kassette singt. Die Popschiene hab ich dann, ich glaub in der achten Klasse, verlassen und zu den ÄRZTEN gesellten sich die TERRORGRUPPE und WIZO. Die drei Bands höre ich heute noch gern, aber mit 16 zog es mich in die Gothic-Szene, in der ich bis 19 unterwegs war. Ich bin heute zwar nicht mehr so oft auf Partys oder Konzerten, aber die Musik begleitet mich weiterhin. Die letzten besuchten Konzerte dazu waren SISTERS OF MERCY und THE CURE. Mit 19 tauchte ich dann, dank den zwei Mixtapes meines damaligen Freundes, tiefer in den Punk Rock ein und bin seitdem nicht wieder davon losgekommen. Meine alltime Top 5 Punk-Bands sind, in nicht nummerierter Reihenfolge: THE WEAKERTHANS, DESCENDENTS, OMA HANS, bzw. jede Jensen-Band, EA80 und THE DISTILLERS. Aber wie gesagt höre ich immer noch Dark Wave und so, denn meine Seele ist weiter schwarz, haha. Übrigens haben wir auf Spotify Playlisten mit unserer Lieblingsmusik zusammengebastelt. Die sind in unserem Bandprofil abgespeichert und Ihr könnt ja mal reinhören, was wir so mögen.

N.T.Ä.

Tommy: Aufgewachsen bin ich mit Deutschpunk, dann gings weiter mit THE CASUALTIES und LEFTOVER CRÄCK und heute höre ich nur noch GHOST oder „Sister Christian“ von NIGHT RANGER. Bei allem anderen halte ich mir die Ohren zu.

Äxel: Ich hab da echt einige wilde Mischungen durchgemacht. Meine erste Lieblingsband war definitv VAN HALEN, die hat mir mein Vater gezeigt als ich noch ziemlich klein war. Wir haben auch viel anderen AOR zusammen gehört: FOREIGNER, JOURNEY, BOSTON, usw. 2006 waren wir zusammen auf einem IRON MAIDEN-Konzert und ab dann gabs nur Heavy Metal. Die komplette frühe Jugendphase war bei mir definitiv nur Metal. Aber nicht so Mainstream-Zeug, sondern richtig undergroundige New Wave Of British Heavy Metal-Bands: SATAN, DIAMOND HEAD, ANGEL WITCH, GEDDES AXE, etc. Aber auch MERCYFUL FATE und so ein Kram. Das war voll mein Ding, am liebsten hab ich N.T.Ä.Bands gehört die sonst niemand gehört hat oder nur wenige kannten. Da konnte man bei YouTube so viel Neues entdecken. Dann kam Punk. Härtere Bands wie THE CASUALTIES haben da bei mir den Übergang vom Metal zum Punk gebildet. Aber dann hab ich ganz schnell eigentlich alles gehört was mit Punk zu tun hatte. Meine Favoriten waren RAMONES und OXYMORON, der ganze Ami-Kram mit THE CASUALTIES, alles aus dem BLACK FLAG-, CIRCLE JERKS-, OFF!-Umfeld, ADOLESCENTS, DEAD KENNEDYS, D.I., T.S.O.L., MDC, MISFITS, REAGAN YOUTH, SNFU, GORILLA BISCUITS, teilweise viel englische Bands wie BLITZ, SUBHUMANS, CONFLICT, UK SUBS, THE RESTARTS. Aber natürlich auch der ganze deutsche Kram mit TON STEINE SCHERBEN, TOXOPLASMA, SLIME, KNOCHENFABRIK, PASCOW, DRITTE WAHL, TERRORGRUPPE, usw. Nur der ganz stumpfe UffDa-UffDa-Dosenbier-Punk ging nie so richtig an mich. So ziemlich genau diese Mischung beeinflusst mich heute immer noch, wobei ich über die Jahre stetig offener für viele weitere Musikrichtungen außerhalb des N.T.Ä.Punk-Kosmos geworden bin. Ich höre auch oft mal im Pop, Singer-Songwriter, bei den golden Oldies, im Psychedelic- und Stoner Rock oder Weiterem Elemente, bei denen ich dann schon so denke, irgendwie cool gemacht, das könnten wir mal für einen N.T.Ä.-Song klauen, das merkt bestimmt keiner, haha. Und da ich mir auf Tour ja vom letzten Backstage-Schokoriegel über Bühnenparfüm bis notfalls zur Zahnbürste – fast – alles mit unserem Gitarrengott Tommy Cräck teile, darf natürlich an dieser Stelle die gemeinsame Liebe für MCC-, GHOST- und SUBVISION-Sounds und alles weitere was diese verrückten Schweden an Musik so machen nicht unerwähnt bleiben.

Nun habt Ihr gerade eine Tour als Support der CASUALTIES absolviert, insofern hat sich da also ein Kreis geschlossen. Wie ist es gelaufen und was könnt Ihr von alten Fahrensleuten wie den US-Boys noch lernen?

Äxel: Die Tour ist wirklich gut gelaufen. Es waren tolle Shows, wir haben viele neue Leute kennengelernt und wichtige Erfahrungen gesammelt. Von den CASUALTIES, einer Band die seit 30 Jahren weltweit unterwegs ist, kann man natürlich noch so einiges lernen. Als erstes muss man aber sagen, dass die komplette Tour von MBC Tourbooking gut und sehr professionell gebucht wurde. Mitch, der Booker, bucht seit über 40 Jahren Punk-Shows und weiß ganz genau was er da tut und worauf es ankommt. Mani, der Tourmanager, hatte N.T.Ä.immer alles im Griff und hat das wirklich klasse gemacht. Wir waren mit insgesamt zehn Leuten unterwegs, da muss man zusammenhalten, sonst entsteht Chaos. Das ist wohl das Wichtigste: Auf solchen Touren geht es nicht um Ego-Trips, besoffen jedem auf die Nerven gehen und eine „Alles scheißegal“-Einstellung. Auf so einem Trip muss sich jeder etwas zurücknehmen, damit die ganze Truppe voran kommt. Die CASUALTIES waren da richtige Gentlemen! Wir haben viel gemeinsam gemacht, aber jeder hatte auch seinen Freiraum wenn er gebraucht wurde, sei es im Backstage, bei den Übernachtungen, beim Catering oder dem Aftershow-Beisammensein. Für die Jungs stand immer die gemeinsame Show für die Fans im Vordergrund, alles andere war zweitrangig. Man muss sich mal vorstellen, die waren drei Monate auf Tour und haben es selbst beim letzten Block, bei dem wir dabei waren, geschafft, sich immer wieder neue Showeinlagen für das Konzert einfallen zu lassen und haben jeden Abend 110 Prozent abgeliefert. Das hat mich sehr beeindruckt. Ebenso ist es wichtig jeder Person mit Anstand zu begegnen und sich anständig zu benehmen, von den Zuschauern über den Kellner, dem Tonmischer bis hin zum Koch. Jeder trägt seinen Teil dazu bei, dass so etwas N.T.Ä.möglich ist und das sollte auch immer gewürdigt werden.

Nadine: Ich schließe mich Äxel an. Wir hatten ja schon letztes Jahr ein paar Konzerte supporten dürfen und deshalb hatte ich mich sehr auf die Tour gefreut, auch weil alle Vier super nett waren. Auch dieses Mal war das so, aber zusätzlich haben wir mehr Zeit teilen können und es war super cool und auch mega witzig mit den Vieren! Ich muss sagen, dass ich sie schon ein wenig vermisse, haha.

Tommy: Die sind alt, aber herzlich.

Eure Konzerte sind keine Butterfahrten, sondern es ist immer einiges los. Welche Erlebnisse bei Euren Gigs, das können gute oder schlechte sein, sind Euch besonders im Gedächtnis haften geblieben?

Äxel: Wenn wir unterwegs sind passieren immer die geilsten Sachen. Allein über die CASUALTIES-Tour könnte man ein halbes Buch schreiben. Da es am ersten Tag so unglaublich heiß war, bin ich mit Badelatschen in den Tourbus gestiegen und habe erst in Kassel gemerkt, dass ich gar keine richtigen Schuhe eingepackt habe. Gott sei dank hat Mani, der Tourmanager, die gleiche Schuhgröße wie ich und hatte zwei paar Schuhe dabei, haha. Grundsätzlich genieße ich immer die Gespräche die unterwegs N.T.Ä.entstehen, sei es mit anderen Musikern, Veranstaltern, mit Leuten nach der Show am Merchstand oder an der Theke. So haben wir uns ja auch in Frankfurt kennengelernt, Stefan. Auch die Orte an die man mit der Band auf Tour kommt sind natürlich oftmals was ganz Besonderes, von der Stadiontour am Millerntor über wunderbare Bauwagenplätze mitten in Berlin und Hamburg, besetzte Häuser oder alte Fabrikhallen. An solche Orte kommt man sonst eher selten hin. Als kulinarisch sehr interessierter Mensch freue ich mich natürlich auch immer an den verschiedensten Orten das leckere Essen und lokale Bier auszuprobieren, haha.

Nadine: Gute, aber schwere Frage. Für mich war natürlich das allererste N.T.Ä. Konzert sehr besonders. Auch deswegen, weil ich zuvor in meinen Bands „nur“ Bass gespielt hab und eher an der Seite stand. Bei N.T.Ä bin ich die Sängerin, auf die automatisch vermehrt geschaut wird. Das hat mich anfangs schon sehr verunsichert. Unvergessen sind natürlich auch die Konzerte, bei denen das N.T.Ä.Publikum die 1000er-Marke knackt. Das war der Support der Release Party von PASCOW in Saarbrücken, das Pod Parou Festival in Tschechien und natürlich dieses Jahr unsere Show beim Ruhrpott Rodeo. Ich denke das war auch unser Größtes. Aber mindestens genauso unvergessen ist auch unsere Release-Party im Karate Klub Meier! Da waren zwar unter 100 Menschen, aber es war ausverkauft, eng, heiß und alle hatten Spaß! <3

Ich habe das Gefühl, in letzter Zeit geht es für Euch stetig aufwärts. Setzt Ihr Euch als Band Ziele, zum Beispiel nächstes oder übernächstes Jahr selbst eine Headliner-Tour zu bestreiten?

Tommy: Ich warte was da kommt und nehme alles mit was geht.

Äxel: Ehrlich gesagt eher nicht. Wir haben natürlich Wünsche und Hoffnungen, wo die Reise mit N.T.Ä. noch hingehen könnte. Allerdings sind wir als Band auch noch zu frisch um wirklich ernsthafte Ziele zu nennen und als Menschen haben wir zu viel erlebt um uns an utopischen Träumen festzuklammern und Sachen zu erzwingen. Das ist nicht unser Ding. Wir schauen einfach wie sich das N.T.Ä.Ganze entwickelt, genießen wie es aktuell läuft und hoffen dass wir noch viele weitere Jahre gemeinsam Konzerte spielen und gemeinsam Songs schreiben und aufnehmen können, gute Menschen auf Tour kennenlernen und schöne Orte mit der Band bereisen können. Ob das als Hauptband, Vorband oder was auch immer ist, ist für uns eher zweitranging. Ich denke wenn wir weiterhin das machen was uns Spaß macht, fleißig bleiben und das was wir zu dritt haben respektvoll behandeln werden wir als Band unseren Weg gehen.

Nadine: Ich glaube mein Wunsch wäre es, dass ein kleiner Laden wegen uns ausverkauft wäre und alle bei den Songs mitsingen oder dass wir eine meiner vorhin genannten Lieblingsbands supporten könnten.

Jetzt kommen wir zum Ende: In unserer berüchtigten Rubrik „berühmte letzte Worte“ könnt Ihr noch etwas loswerden, was unsere Leserinnen und Leser unbedingt über Euch oder die Welt wissen müssen…

Tommy: Finanziert uns bitte die Rente, haha.

Äxel: Unity! Versucht Euch nicht wegen Nichtigkeiten gegenseitig kaputt zu machen und zu spalten sondern versucht als Szene zusammenzuhalten und das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren. Im Prinzip wollen wir alle das Gleiche. United we stand, divided we fall!

Nadine: Fick die AfD!!!

Nadine, Tommy, Äxel, vielen Dank für das Interview!

Links: https://www.facebook.com/N.T.A.PunkBand/,
https://ntapunk.bandcamp.com/,
https://www.instagram.com/n.t.a._punk/,
https://www.last.fm/music/N.T.Ä.

Interview: Stefan
Fotos: Boris, http://www.borisschoeppner.de/

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