Zoom, Frankfurt, 15.06.2014
Es war gegen 21 Uhr, als ich den gut gefüllten, wenn auch nicht ganz ausverkauften Frankfurter Club Zoom erreichte und feststellte, dass mein Plan, die Vorgruppe zu verpassen, aufgegangen war. Die deutsche Combo ODIUM ist nämlich ganz und gar nicht mein Fall. Es gibt Konzerte, bei denen es keiner Vorgruppe bedarf. OBITUARY gehören zur zweiten Welle extremer Musik-Gruppen, die sich Ende der Achtziger Jahre formierten. Nachdem VENOM bereits im Jahr 1981 mit „Welcome to Hell“ eine Scheibe veröffentlichten, die einen nie zuvor gehörten Höllenlärm enthielt (der Titel des Albums passte perfekt zur Musik), zogen 1984 HELLHAMMER und VOIVOD und 1985 MORSÜRE, BULLDOZER und POSSESSED mit ähnlich extremen Alben nach. Das Debüt von POSSESSED nannte sich „Seven Churches“ und enthielt unter anderem einen Song namens „Death Metal“. Dieser definierte ein neues Genre, das kurze Zeit später Acts wie DEATH, AUTOPSY und OBITUARY hervor brachte. Das Erstaunliche dabei ist, dass viele Death Metal- Bands nicht etwa von der eisigen Ostküste der USA stammen, sondern aus freundlichen und sonnigen Regionen wie Kalifornien oder, wie im Falle von OBITUARY, Florida.
Ich weiß noch genau, wie ich anno ’89 das Erstlingswerk der Amerikaner auf meinen Plattenteller legte und erstmals der Stimme von Sänger John Tardy lauschte – nie zuvor hatte ich ein derart extremes Organ gehört. Tatsächlich sind es die Stimme von Tardy und die gelegentlichen Doom-Anleihen, die OBITUARY so unverwechselbar machen. 1997 löste sich die Formation auf, reformierte sich aber 2003 wieder und hat seither drei neue Alben eingespielt, wobei die letzte Veröffentlichung „Darkest Day“ bereits fünf Jahre zurückliegt. Noch in diesem Jahr soll ein neues Album erscheinen.
Dass OBITUARY gestern im Zoom gastierte, war der Tatsache geschuldet, dass das Legacy Open Air abgesagt wurde, auf dem sie eigentlich hätten spielen sollen. Gegen 21:30 Uhr ging schließlich das Licht aus und die Metalheads vor der Bühne forderten mit lauten „Obi, Obi, Obi…“-Rufen (es waren auch vereinzelte „Hagebaumarkt“-Rufe zu hören) das Erscheinen der Death Metal-Legende. Und die ließ sich nicht lange bitten. Mit dabei waren immerhin noch drei Gründungsmitglieder: Sänger John Tardy, dessen Bruder Donald Tardy an den Drums und Rhythmus-Gitarrist Trevor Peres. Außerdem mit von der Partie: Death Metal-Urgestein Terry Butler am Bass, der bereits bei DEATH und SIX FEET UNDER spielte und aktuell auch in den Diensten von MASSACRE steht sowie der junge Gitarrist Kenny Andrews, der vor zwei Jahren dazu stieß. Auffallend waren zunächst einmal die extremen Mähnen der Band, die nur selten einen Blick auf die Gesichter der einzelnen Musiker zuließen. Entweder wirkt sich das Klima in Florida positiv auf den Haarwuchs aus oder die Jungs sind alle mit Vetter It aus der Addams Family verwandt. Falls die erste Theorie zutrifft, erwäge ich eine Auswanderung.
Los ging’s mit „Stinkupuss“ vom Erstling „Slowly We Rot“, der nicht der einzige Song des Debüts blieb. OBITUARY spielte ausschließlich Lieder der ersten drei Alben sowie drei neue, bisher unveröffentlichte Tracks. Warum die restlichen fünf Werke komplett ignoriert wurden, entzieht sich meiner Kenntnis, für die Anwesenden war es indes ein Traum, denn die ersten drei Scheiben zählen zu den herausragenden Werken des Genres. Die Band hatte sichtlich Spaß an der Performance und den begeisterten Fans, die sich vor der Bühne austobten. Shouter Tardy brüllte sich die Seele aus dem Leib, Gitarrist Peres schaute meist wie ein psychopathischer Serienmörder drein und Basser Butler wirkte wie ein Fels in der Brandung, wobei diese durch die wehenden Haare auf und vor der Bühne stilisiert wurde. Kurzum, an diesem Abend stimmte alles, Songsauswahl, Motivation und Sound, eine perfekte Werbung für das Genre. Ansagen gab es so gut wie keine, lediglich einige in der Nähe stationierte GIs, die sich im Publikum befanden, wurden gegrüßt. Zudem ließ Peres verlauten, wie wichtig es doch sei, dass Amerika mit seiner Armee die Welt vor dem Bösen beschützt. Eine Aussage, die deutlich machte, warum die Jungs Musiker und keine Geschichtsprofessoren geworden sind.
Zum Schluss noch ein Wort zum Zoom: Ich mag den Laden, zumindest für Konzerte ist es eine der besten Frankfurter Locations, da man das Geschehen auf der Bühne aus unterschiedlichen Blickwinkeln optimal beobachten kann und der Sound fast immer gut ist. Allerdings habe ich mich gefragt, ob ich beim Kauf eines Äpplers für 5,50 Euro (inklusive Pfand) gleichzeitig Aktienanteile am Club erwerbe. Ich weiß, die Zeiten sind hart, gerade für Clubbetreiber, aber irgendwo gibt es auch Grenzen.
Links: http://www.obituary.cc/, https://myspace.com/obituary, http://www.reverbnation.com/obituary, http://www.lastfm.de/music/Obituary
Text & Fotos (14): Marcus / Fotos: Markus Lang (10)
Clip: aufgenommen am Konzertabend von VodkaViolator
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