Dreikönigskeller, Frankfurt, 23.03.2015
Es tut sich etwas im Frankfurter, respektive Sachsenhäuser Nachtleben. Nicht nur, dass die „Alte Liebe“, die traditionell regelmäßig Rock’n’Roll- und Punk-DJs beherbergt, demnächst neue Räumlichkeiten bezieht, auch im kultigen Dreikönigskeller (kurz DKK) gab es eine Veränderung. Seit Beginn des Jahres wird der Club von einem neuen Kreativteam, das unter dem Namen „Das Kaos Kollektiv“ (ebenfalls DKK) agiert, betrieben. Seither finden DJ-Events, Lesungen, Filmvorführungen und Konzerte statt, die ein weitaus breiteres Spektrum liefern, als dies zuvor der Fall war, da der Keller in erster Linie als Rock’n’Roll- und Rockabilly-Location bekannt war.
Am gestrigen Abend beispielsweise gastierte im DKK mit ÓDIO SOCIAL ein Hardcore-Punk-Act aus Brasilien, den man eigentlich eher im Exzess oder der Au erwarten würde. Bevor die Südamerikaner die Bühne enterten, mussten die etwa 50 Anwesenden allerdings erst einmal die Vorgruppe über sich ergehen lassen. Die stammte aus North Carolina, USA, hörte auf den Namen WOLVES & WOLVES & WOLVES & WOLVES (kein Witz!) und lieferte radiotauglichen Emo-Rock, der wie eine softere Variante von GREEN DAY daherkam und nicht nur dem Autor dieser Zeilen ein Kopfschütteln abnötigte, sondern auch den drei Brasilianern, die wohl selten zuvor einen unpassenderen Opener erlebt hatten.
Doch wir hatten Glück im Unglück, denn bei den Amerikanern steht erst eine Veröffentlichung zu Buche und so war der Spuk relativ schnell vorüber. Der folgende Auftritt von ÓDIO SOCIAL blies den Schleim, der sich zuvor in den Boxen gesammelt hatte jedoch druckvoll aus selbigen und wirkte ob des starken Kontrastes zum ersten Act umso brachialer. Das Trio aus São Paulo blickt bereits auf eine 15-jährige Bandgeschichte und diverse Alben zurück und schlägt musikalisch in eine ähnliche Kerbe wie die Landsleute von AGROTÓXICO oder RATOS DE PORÃO.
Geboten wurde schneller, dreckiger Hardcore-Punk, der im Vergleich zu den oben genannten Bands noch etwas ungestümer und wüster aus den Boxen krachte. Vor allem die Lautstärke war beachtlich, meine Gehörgänge wurden selten bei einem Gig im DKK mehr beansprucht. Gitarrist Leandro und Basser Fábio brüllten abwechselnd ins Mikro, wobei man nur mutmaßen konnte, worüber die Jungs sangen, denn die Lyrics präsentierten sich allesamt in Portugiesisch, was wiederum recht exotisch klang.
Wie mir Drummer Douglas nach der Show via Dolmetscher erklärte, dreht es sich in den Texten um allerlei Dinge, die die einzelnen Bandmitglieder persönlich bewegen: Soziale Ungerechtigkeit, Rassismus, Arbeitslosigkeit und vieles mehr, klassische Themen des Punk eben. Obwohl man den Jungs ansah, dass sie in den vergangenen zwei Wochen, die die Tour bereits andauert, kaum geschlafen haben, gaben sie auf der Bühne alles und scheuten sich dabei auch nicht, fleißig mit dem Publikum in einer Mischung aus gebrochenem Englisch und Portugiesisch zu kommunizieren. Nach etwa einer Dreiviertelstunde war der Ofen dennoch aus, da half auch die Pulle Schnaps nichts mehr, die die Musiker auf dem Podest leerten. Die Südamerikaner waren körperlich am Ende und der Flieger zum letzten Tourgig nach Lissabon wartete bereits am Frankfurter Flughafen.
Unterm Strich war’s ein ungewöhnlicher Abend. Und dass nicht nur wegen des unpassenden Openers, sondern auch weil es recht skurril anmutete, das lärmende Krawall-Trio vor einer glitzernden Kulisse, über der zudem eine Discokugel schwebte, zu sehen. Das Ganze war aber eine extrem kurzweilige Erfahrung, die vermutlich einer Abrissbirne gleichkommt, die den Zuschauer mit voller Wucht erfasst – ein kurzes, aber intensives Erlebnis. Im Gepäck hatte die Band übrigens weder Vinyl noch CDs, sondern die guten, alten Musik-Cassetten, die noch dazu jeweils auf einhundert Exemplare limitiert waren. Mehr old school geht wohl kaum. Adeus Amigos!
Links: https://www.facebook.com/odiosocialpunkrock, http://www.lastfm.de/music/Odio+Social
Text & Fotos: Marcus
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