Centralstation, Darmstadt, 28.10.2016
Heimspiel in der Centralstation Darmstadt. Mal wieder. Zum dritten Mal seit dem Beginn der „Tales of Transit City“-Tour am 17. Mai 2013 (Bericht hier). Und zum zweiten Mal nach dem Ende derselben Tournee am 5. Juni 2014 auch ausverkauft. Dazwischen eine kleine Rundreise in den USA (mit Auftritten in der New Yorker Knitting Factory und dem „South By Southwest“ in Austin/Texas). Nicht schlecht, OKTA LOGUE. Auch das Konzert im Wiesbadener Schlachthof vor zwei Wochen war ausverkauft. Es läuft. Kein Wunder. Verdient.
So richtig passt die Musik des Quartetts aus Darmstadt (bzw. Griesheim) und Frankfurt nicht in diesen Blog. Höchstens insofern, dass Rockmusik gespielt wird. Mit einem gewissen Retrobezug, auch. Aber anders als sonst hier. Vor allem ohne jeglichen Rockismus, sondern angenehm entspannt. Dabei aber trotzdem immer spannend. Interessant, welche Musikblätter der Formation mehrseitige Features spendierten und welche nicht.
Lieblingsband von Anfang an waren sie beim Visions, was mir mehr als passend erscheint. Schließlich umfasst deren Indie-Selbstverständnis ein Spektrum zwischen Britpop und Postrock, zwischen linkem Black Metal bis zum Stoner Rock, vom politischen Hip Hop zur düsteren Wandergitarre. Unter anderem. In der Musik von OKTA LOGUE sind Anklänge mindestens dreier dieser Referenzen spürbar.
Dann Eclipsed, das Magazin mit eindeutigem Prog- Schwerpunkt aus dem nahen Aschaffenburg. Berichtet wird hier über fast alles mit Gitarre, geliebt werden hier nur die, die sich aus der Masse an Bands mit gleichgeschaltetem Sound hervorheben. Passt? Aber hallo.
Dann wäre da noch das Classic Rock. Naja, OKTA LOGUE haben für Neil Young eröffnet, beim Gitarristen Philipp Meloi hört man (allerdings weit weniger als früher) den Einfluss von David Gilmour. Außerdem covern sie schon mal was von früher. Passt also auch.
Merkwürdig erscheint mir in diesem Zusammenhang die fast vollständige Absenz in den vom Springer-Verlag okkupierten, aber trotzdem noch durchaus lesbaren Fachblättern Rolling Stone und Musik Express – kommt vielleicht noch. OKTA LOGUE machen die Hütten auch so voll.
Seit dem Ende der letzten Tour hat sich bei OKTA LOGUE eine Menge getan. Eine neue Platte wurde eingespielt (die im April erschienene „Diamonds and Despair“), es gab außerdem eine Umbesetzung und eine Veränderung im Sound. Der ehemalige Mann am Synthie und an der Trompete, Nicolai Hildebrandt, spielt nicht mehr mit – an seiner Stelle sitzt nun Max Schneider an den Keys. Und doch stand da gestern eine Trompete auf der Bühne, wie meine Begleitung strahlend bemerkte.
Die hätte jedoch auch zum Support-Act ΩRACLES aus Berlin gehören können, der „Indie-Lieblinge“ der Stunde, wie es in einer Review bei Regioactive.de heißt. Mir war die Formation bisher fremd, die halbe Stunde mit ihr empfand ich als sehr ambivalent. Auch hier geht es um eine moderne Verquickung älterer, vor allem im Krautrock vorherrschender Töne mit modernen Sounds, allerdings oft mit einer käsigen Funk-Schlagseite, die man so im bundesdeutschen Muckertum eher vorfindet als in den US-Charts der 70er oder 80er. Oder einfacher: Es swingt nicht. Zumindest nicht für mich. Sorry.
Dabei fing das Quintett ziemlich eingehend an, mit repetetiven Klängen – Wiederholungen, die meine Begleiterin nervten, aber mir Großes versprachen. Krautrock, Ragas, Afrobeat, Sufismus – was für den einen „immer wieder das Gleiche“ ist, ist für den anderen der Weg zur Ekstase. Nur leider wurden die Versprechungen nicht gehalten, der anschließend folgende Pop-Rock langweilte mich und wurde fast zum Ärgernis, bis die Buben und die Dame an den Keys nochmal kurz vor Schluss die Kurve bekamen und ein psychedelisches Fest eröffneten, dass so auch gut zu BLACK MOUNTAIN oder CRIPPLED BLACK PHOENIX; zumindest zu den ebenfalls aus Berlin stammenden SUNS OF THYME passen würde. Doch ach, die Zeit war um. Ein bisschen Ekstase gab es dann doch noch in Form von im Liegen gespielter Gitarre und halb verschlucktem Effektgerät. Nice. Aber nicht zu Hause wiederholbar, das Album „Bedroom Eyes“ saugt in meiner Welt beträchtlich. Aber klar, Geschmackssache. Und nein, die Trompete war wohl nicht von der Vorband.
Nach 30 Minuten Umbaupause kamen dann die Lokalhelden angeschlurft. Bassist/Sänger Benno Herz freute sich, wieder in der Centralstation vor so vielen Leuten zu spielen und in der Heimatregion so viel Zuspruch zu haben. Bitte sehr. „One Way Ticket to Breakdown“ eröffnete – einer der tollen, neuen Songs, die bei jedem Hören größer werden im Herz und an denen kein Mangel auf dem Album herrscht. Obwohl, zumindest bei mir, „Diamonds And Despair“ nicht auf Anhieb zündete. Aus den netten Klängen im Hintergrund werden aber von Durchlauf zu Durchlauf kleine Edelsteine, die von Großem künden. Eine Frühlingsplatte, nannte sie meine kluge Begleiterin, im Gegensatz zur Herbstplatte vorher. Von der kam als drittes „Transit“ und die Erinnerung daran, wie die OKTA LOGUE vor zwei Jahren noch an dieser Stelle klang.
Der Neue, Max Schneider, wirkte im Bandkontext wie schon immer dabei gewesen. Ein weiterer Max spielte ab und an stehend eine zweite Gitarre, obwohl er sich schon zum Tourstart den Fuß brach, wie Benno Herz anerkennend zu Protokoll gab. Herz tänzelte bei jedem Instrumentalteil zu seinen Mitstreitern – zu Schneider, zu Meloi, zu seinem trommelnden Bruder Robert, lächelnd und integrierend. Hier hatte jemand Spaß, nicht nur am Sound, sondern auch an den Mitmenschen. Auch der entfleuchte Nicolai Hildebrandt, der sich immer noch um die Videos der Band kümmert und dem die Trompete eindeutig zuzuordnen war, wurde breit grinsend auf der Bühne empfangen, als, angeblich seit Langem erstmals wieder, mit „Decay“ das Song- Monster vom Debütalbum gegeben wurde (bei setlist fm steht, dass das Stück auch in Köln gespielt wurde). Böses Blut sieht anders aus, ein bisschen Wehmut konnte man aber schon in Hildebrandts Antlitz interpretieren, als er die Bühne verließ und wenige Minuten später wiederkam, um noch ein wenig weiter zu blasen.
Als nach zwei Stunden (und einer unfassbar guten Version des EAGLES-Klassikers „Hotel California“, bei der Schneider den Bass übernahm, Herz eine dritte Gitarre spielte und alle einen Harmoniegesang zum Niederknien zustande brachten) die Band für eine weitere Zugabe aus der Garderobe geklatscht wird, versprach Herz noch „5 bis 25 Biere am Merchtisch“ mit den Leuten zu trinken, nachdem eine weitere Viertelstunde gespielt wurde. Ein Merchtisch, an dem nicht nur die Platten und Poster verkauft wurden, sondern auch Honig vom Imker Robert Herz. Schreit nach Berichterstattung in der Food-Presse. Großartiger Abend.
Links: http://www.oraclesparadise.com, https://www.facebook.com/grouporacles, https://soundcloud.com/oraclesparadise, http://www.oktalogue.com/, https://www.facebook.com/oktalogue, http://www.last.fm/de/music/Okta+Logue
Text, Fotos & Clips: Micha
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