Das Bett, Frankfurt, 8.06.2015
Vier Europa-Touren haben ORCHID bereits absolviert, doch in Frankfurt machte das Quartett aus San Francisco bisher nie Station. Umso erfreuter war ich, als im Rahmen der fünften Tour auch ein Gig im Club „Das Bett“ angekündigt wurde. ORCHID, das ist nicht nur ein Song von BLACK SABBATH’ „Masters of Reality“-Album, sondern auch eine Band, die derzeit von der Presse gern als der Primus des Psychedelic- und Doom-Rock-Revivals bezeichnet wird. Die Jungs selbst sind trotz des Hypes und einem Plattendeal mit Europas größtem Indie-Label stets auf dem Boden geblieben. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Acts des Genres, die krampfhaft versuchen, den Sound der Siebziger möglichst originalgetreu zu reproduzieren, gehen ORCHID recht unbedarft an die Sache heran und klingen vielleicht deshalb weitaus authentischer als viele andere.
Da ich diesmal ausnahmsweise zu früh im Club erschien, hatte ich Gelegenheit, mit Sänger Theo und Gitarrist Mark ein paar Worte zu wechseln. Dabei fiel mir auf, dass die beiden nicht nur zu den angenehmsten und sympathischsten Künstlern zählen, die ich bisher kennenlernen durfte, sondern auch, dass sie ihren plötzlichen Ruhm noch immer nicht richtig fassen können. „Eigentlich“, so Theo, „haben wir die Band nur ins Leben gerufen, weil wir alle auf eine ähnliche Musik abfahren und uns dachten, dass wir vielleicht umsonst trinken können, wenn wir hin und wieder in einer Kneipe auftreten. Mehr wollten wir gar nicht, zumal wir ja alle feste Jobs haben. Und nun touren wir bereits zum fünften Mal durch Europa und unsere Alben werden ständig neu aufgelegt, weil die Nachfrage so groß ist. Das ist unglaublich.“ Ob die Kalifornier auch bei ihren Auftritten diese Lässigkeit an den Tag legen, wollte ich am gestrigen Abend herausfinden.
Zunächst aber gehörte das Podest dem heimischen Quartett DAMAGE, dessen Namen ich bereits mehrfach in Konzertkalendern wahrgenommen hatte, jedoch bis dato keine Gelegenheit hatte, die Jungs live zu sehen. Und wie sich herausstellte, ist da tatsächlich etwas an mir vorbeigegangen. DAMAGE spielen schnörkellosen Hardrock alter Schule, bei dem mir spontan die frühen Werke von Bands wie SCORPIONS, KROKUS oder auch AC/DC in den Sinn kommen. Damit liegen die Frankfurter im Trend, denn derzeit werden Acts wie NIGHT DEMON, AMULET oder DEAD LORD von der Fachpresse als die neuen Heilsbringer des Metal-Genres gefeiert. Und DAMAGE bringen durchaus das Zeug mit, es den Genannten gleich zu tun. Songwriting, Bühnenpräsenz und Spielfreude stimmen und das Publikum zeigte sich vom Auftritt begeistert. Es ist zu hoffen, dass DAMAGE am Ball bleiben und der gerade erschienenen 3-Song- EP schon bald ein komplettes Album folgt. Ich bin auf jeden Fall wieder gern dabei, wenn DAMAGE das Haus rocken.
Dann war es schließlich Zeit für die seit 2006 aktive US-Formation, die mit „Helicopters“, einem Song der demnächst erscheinenden EP „Sign of the Witch“, ihren Gig eröffnete und damit die Zeitreise in die Siebziger Jahre startete. Stimme, Sound und Songstruktur klangen alle nach der ersten BLACK SABBATH-Scheibe und auch die Art und Weise, wie ORCHID sich präsentierten – gänzlich ohne Show-Attitüde und Allüren – weckte Erinnerungen an frühe Auftritte von SABBATH. Sogar Keith Nickels Bass-Spiel wies eine erstaunliche Nähe zu dem von Geezer Butler auf. Dennoch hatte man nicht den Eindruck, dass hier ein Plagiat auf der Bühne stand, sondern, dass das Quartett gar nicht anders kann, als diese Art von Musik zu spielen. Das Zusammenspiel wirkte so harmonisch und homogen, wie ich es selten bei einer anderen Combo gesehen habe. Im Lauf des Konzerts nahm mich die Mischung aus klassischem Psychedelic- Rock, Doom und Hardrock immer mehr gefangen, fast als ob eine gewisse Magie davon ausging. Ein Gefühl, das bei mir bisher nur die Doom- Könige SAINT VITUS ausgelöst hatten.
ORCHID sind noch eine relativ junge Truppe, blicken erst auf zwei Longplayer und einige EPs zurück, haben aber dennoch bereits einige hochkarätige Songs geschaffen. Tracks wie „Capricorn“, „He Who Walks Alone“, „Black Funeral“ oder „Sign of the Witch“, die alle gestern dargeboten wurden, überzeugen durch doomige Riffs, die auch von Tony Iommi stammen könnten, die hypnotisierende Stimme von Theo und eine schaurig-schöne Grundstimmung.
Zudem gehören ORCHID zu denjenigen Bands, die sich live nicht scheuen, auch mal zu improvisieren, so geschehen beim Song „He Who Walks Alone“, der als letzter des offiziellen Sets gespielt wurde. Als Zugabe gab’s schließlich noch das Stück „Wizard of War“ (Soundfile dazu weiter oben) von der gleichnamigen EP, das die Show der Amerikaner stimmungsvoll ausklingen ließ. Für mich war’s ein herausragender und zudem sehr atmosphärischer Auftritt einer Formation, von der man sicher noch viel hören wird. Und wer schon immer mal wissen wollte, wie sich ein BLACK SABBATH-Gig in den frühen Siebziger Jahren angefühlt hätte, dem sei eine Live-Erfahrung mit ORCHID in einem kleinen Club wärmstens ans Herz gelegt.
Links: https://www.facebook.com/damagerocks, http://www.backstagepro.de/damage, http://www.orchidsf.com/, https://www.facebook.com/orchidsf, http://orchid.bandcamp.com/
Text: Marcus / Fotos & Clips: Micha
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