Frankfurt, 15.12.2021
2021 oder 2020 2.0: Ebenso wie im Vorjahr mussten Musikfreund*innen pandemiebedingt auf Live-Darbietungen größtenteils verzichten. Veröffentlicht wurden dagegen tonnenweise interessante Tonträger aus allen Genres in diversen Formaten. Häufig Digital-Only; aber auch unser geliebtes Vinyl ist nach wie vor am Start – und zwar so sehr, dass die Presswerke ausgelastet und zuweilen sogar überfordert sind. Ebenfalls auf der guten alten Cassette wird wieder (meist limitiert) Neues herausgebracht – und die CD ist auch noch nicht ganz tot. Welche Form Ihr auch immer bevorzugen mögt: In diesem Post geht es um die Lieblingsalben 2021 der Autoren und Fotografen dieses Blogs. Wieder mit anschließenden Spotify-Playlisten zum Anchecken, auch das kennt Ihr ja aus den vergangenen Jahren. Viel Spaß dabei.
*****
Marcus:
BLACK TOTEM – II: Shapeshifting
Mein Lieblingsalbum des Jahres stammt von der finnischen Formation BLACK TOTEM, die eine illustre Mischung aus Hard Rock, Metal, Post Punk, Blues und einer gehörigen Portion DANZIG-Verehrung darbietet. Hingewiesen sei auch auf die skurrilen Videoclips, die den Sound des Quartetts imposant untermalen.
THE STRANGLERS – Dark Matters
Nur wenige können nachvollziehen, warum die STRANGLERS zu meinen Lieblingsbands zählen. Die Gründe sind der markante Bass-Sound, die melancholisch-finsteren Vocals und die einzigartige Stimmung, die die Engländer schaffen. Dies ist auch beim 17. Album so, das wieder einige grandiose Songs enthält.
CARCASS – Torn Arteries
CARCASS liefern mit „Torn Arteries“ zwar ihr „erst“ siebtes Album ab, dafür waren alle bisherigen Werke herausragend. Die neue LP setzt diese Tradition eindrucksvoll fort und kann gegenüber den beiden Vorgängeralben sogar noch eine Schippe drauflegen. Für mich die beste Metal-Scheibe des Jahres.
THOSE POOR BASTARDS – Old Time Suffering
Das Dark-Folk-Duo aus Wisconsin präsentiert sich auf seinem elften Album von der ruhigen Seite. Das Werk enthält zwölf schaurig-schöne Balladen, die den Hörer aufgrund des exaltiert-schrägen Gesangs in eine finstere Scheune im amerikanischen Hinterland entführen.
SLOKS – A Knife In Your Hand
Das italienische Trio beschreibt seinen Sound als Super-Raw-Power-Noise-Garage-Punk und diese Bezeichnung passt recht gut zum rauen, primitiven Punk der Band. Ähnlich wie THE DEVILS sind auch die SLOKS beim Kultlabel Voodoo Rhythm untergekommen, liefern im Gegensatz zu diesen aber ausgereiftere Songs.
DJ MUGGS – Dies Occidendum
Muggs ist DJ und Produzent von CYPRESS HILL und außerdem ein großer Horrorfilm-Fan. Dieser Leidenschaft frönt er nun auf einem Instrumental-Album. Eine sphärische Melange aus Trip-Hop, Horrorfilm-Samples, Lounge und Drone, die zum Kopfkino anregt.
KNIFE – s/t
Die Newcomer des Jahres sind für mich die aus Marburg stammenden KNIFE, die herrlich aggressiven Thrash/Speed-Metal alter Schule zelebrieren. Das Ganze wurde mit einem gehörigen Schuss Punk-Attitüde angereichert und macht vom ersten bis zum letzten Song tierischen Spaß.
BOBBY RAMONE – Rocket To Kingston
Diese Scheibe liebt man oder hasst man, denn die französische Formation adaptiert Bob Marley-Songs im typischen RAMONES-Sound. RAMONES-Puristen dürften sie als Frevel betrachten, Freunden von Experimenten wird sie ein Schmunzeln ins Gesicht zaubern. Das witzigste Mash-up seit DREAD ZEPPELIN.
SPIRITWORLD – Pagan Rhythms
Bandleader Stu Brundy ist Amerikaner mit indianischen Wurzeln und betrieb in den 2000ern die Hardcore-Band FOLSOM. Mit SPIRITWORLD geht er nun neue Wege und liefert eine finstere Mischung aus Hardcore, Death Metal und Noise. Als INTEGRITY-Fan ist dieser Sound genau nach meinem Gusto.
NINE POUND HAMMER – When The Shit Goes Down
NPH sind eine der besten Live-Bands dieses Planeten und bereits seit 1985 aktiv. Und sie haben noch kein einziges schwaches Album abgeliefert. Auch das neunte Werk verfügt über alle bekannten Stilmerkmale des Quintetts aus Kentucky – Hillbilly-Dampfhammer-Punkrock at it’s best!
*****
Jan:
RED HOT RIOT – Forget Me Not
Großartiges Debütalbum der drei jungen Spunde aus dem Forest of Dean (mittlerweile sind es sogar vier). Puristen werden sich vielleicht fragen, ob das wirklich Rockabilly oder doch eher Indie oder sogar Pop ist. Sehr eingängig, cleveres Songwriting, einwandfreie Produktion von Western Star Recordings.
THE COURETTES – Back in Mono
Das brasilianisch-dänische Duo hat 2021 einen Zahn zugelegt und sich trotz des bewussten Verzichts auf Stereo stilistisch weiter entwickelt. Hier klingt mehr Bubblegum-Pop durch, zu Gitarre und Schlagzeug gesellen sich plötzlich Glockenspiel und verschiedenste Tasteninstrumente. Wall of Mono-Sound?
DAN SARTAIN – Arise, Dan Sartain, Arise!
Ein elementares Album! Vor Dans tragischem Tod im März aufgenommen und posthum auf Wunsch seiner Familie veröffentlicht, wie von Dan geplant ohne jegliche Veränderungen. Zum Abschied bietet der Troubadour noch einmal genial rootsige Songs voll Melancholie, Humor und Lebensfreude. RIP Dan.
THE MONSTERS – You’re Class, I’m Trash
Ja, das ist wirklich klasse Trash. In den über drei Jahrzehnten ihres Bestehens sind die Schweizer nicht leiser geworden. Auch hier wird wieder gelärmt und geschrien, bis die Ohren bluten. Durch Experimentierfreude aber das wahrscheinlich abwechslungsreichste Werk der Monsters bislang.
WANDA JACKSON – Encore
Im Alter von 83 Jahren hat die „Queen of Rockabilly“ ihr nach eigener Aussage letztes Album veröffentlicht. Produziert von Joan Jett, die auf zwei Songs auch mit musiziert/singt. Noch immer weiß Wanda Jackson durch ihre ehrliche und trotzige Stimme zu überzeugen. Nicht viele Musiker*innen schließen ihr Lebenswerk mit so viel Attitude ab.
*****
Eric:
STEVEN WILSON – The Future Bites
Auf seinem siebten Soloalbum nimmt der Engländer Steven Wilson die Hörer*innen mit in eine Welt der Süchte des 21. Jahrhunderts: Konsum, Massenware und Mainstream. Und die Musik? Hier werden Krautrock-Grooves vermischt mit elektronischer Musik, dazu gesellen sich einige akustische Songs.
NESTOR – Kids In A Ghost Town
Das Debüt der Schweden schlug in der AOR/Hardrock-Szene ein wie eine Bombe. Endlich gelang es einer Band den Geist und den Klang einer längst vergangenen Dekade aufleben zu lassen. Hair Metal vom Feinsten, mit Melodien für die Ewigkeit.
THE CUTTHROAT BROTHERS & MIKE WATT – Devil In Berlin
Gleich zwei Werke veröffentlichten die Brüder im Geiste, das streng limitierte Record Store Day-Album „The King is Dead“ und „Devil in Berlin“. Auf beiden geht die Mischung aus Punk, Garage, Blues und Swamp wieder ab wie Schmidts Katze, und wird wie gewohnt rasiermesserscharf vorgetragen.
HOLY DEATH TRIO – Introducing…
Das Debüt des Trios aus Texas haut mal so richtig rein. Klassischer Hardrock und Stoner wie man ihn kennt und liebt von Bands wie BLACK SABBATH, FU MANCHU oder ALICE COOPER aus den frühen Siebzigern. Wer die frühen Alben von KADAVAR mag, wird auch diese Platte gern auflegen.
GOV’T MULE – Heavy Load Blues
Das erste echte Blues-Album des Quintetts um Gitarrenlegende Warren Haynes. Klassiker und eigene Stücke der Band wechseln sich ab. Man sollte das Werk eigentlich auf Vinyl hören, aber dann verpasst man einige fantastische Tracks auf der Bonusdisc der Deluxe CD-Version. Eine ärgerliche Verkaufsstrategie.
IDLES – Crawler
Der vierte Langspieler der Post Punk-Band aus Bristol braucht etwas Zeit, aber dann schlägt er ein. Sänger Joe Talbut kann nicht nur schreien, es gibt sogar einem richtigen Soul-Song auf dem Album! Auch der spacige Eröffnungstrack lässt aufhorchen.
BERNIE MARSDEN – Kings/Chess
Mit „Kings“ und „Chess“ spielte der legendäre Blueser gleich zwei Werke für seine neue Serie „Inspirations“ ein. Auf „Kings“ gibt er herrlich entspannten Blues mit Songs von BB, Freddy und Albert King zum Besten; für „Chess“ interpretiert er einige Highlights aus dem Katalog des Chicagoer Labels Chess.
IRON MAIDEN – Senjutsu
Maiden geht immer. Auch wenn das 17. Album der Briten namens „Senjutsu“ (frei übersetzt: Taktik und Strategie) mit einer Spielzeit von knapp unter 82 Minuten einige Längen hat, bietet es über weite Strecken den typischen Maiden-Sound. Bestens geeignet für lange Autofahrten!
SLEAFORD MODS – Spare Ribs
Die einzigartige Verbindung aus elektronischer Musik, Punk und Rap funktioniert auch auf „Spare Ribs“. Das Duo aus Nottingham meckert über alles, was im Brexitland passiert. Dabei sind insbesondere die „Hits“ mit Amy Taylor (AMYL AND THE SNIFFERS) und Billy Nomates empfehlenswert.
CLAW BOYS CLAW – Kite
Ein Album aus dem Nachbarland muss ja in die Bestenliste rein! Die Niederländer CLAW BOYS CLAW sind bereits seit 1983 unterwegs und haben sich den Ruf als „Beste Liveband des Landes“ erspielt. 16 Songs bieten die Veteranen der niederländischen Rockszene auf „Kite“ und keiner davon ist langweilig!
Honorable Mentions:
BILLY NOMATES – Emergeny Telephone // DEEP PURPLE – Turning to Crime // JOE BONAMASSA – Time Clocks // THE COLD STARES – Heavy Shoes // DEE GEES – Hail Satin
*****
Micha:
In meiner Welt gab es mal wieder extrem viel Feierbares in einigen Genres. Eine Wertigkeit bei meiner Liste existiert eigentlich nicht (bis auf einen Spitzenreiter). Ich habe mich dieses Mal bei den hier aufgeführten Scheiben auf solche beschränkt, die geneigte Lesende dieses Blogs vielleicht weniger auf dem Schirm haben könnten. Die anschließenden „Honorable Mentions“ sind ebenso in der Playlist und meist weitaus Rockstage-konformer. Komplettiert wird die Playlist durch eine Spätveröffentlichung 2020 sowie zwei beeindruckende Singles, deren komplette Alben es nicht in meine subjektive Liste schafften.
LITTLE SIMZ – Sometimes I Might Be Introvert
Das letzte Werk der Londonerin Rapperin wird auf vielen Top-Listen des Jahres auftauchen. Extrem originär mit Sounds, die man auf Hip Hop-Scheiben praktisch nie hört (Fanfaren, Chöre, Harfen) und Texten, die nichts von szenetypischer Selbstbeweihräucherung bieten.
BILLIE EILISH – Happier Than Ever
Zweites Album und schon Neu-Erfindung. Der vibrierende Soundoverkill des Debüts ist nur noch vereinzelt spürbar und weicht nun entspannteren, oft verstörenden Klängen. Ein Manifest zum Umgang einer jungen Frau mit Einvernahme oder Ruhm sowie ein weiterer Schritt einer großen Künstlerin.
TIRZAH – Colourgrade
Speaking Of Weirdness: Eine Scheibe, die mich von Takt 1 an fesselte. Die Mama zweier Kinder präsentiert einen looplastigen LoFi-R&B und speist ihre Erzählungen aus ihren familiären Erfahrungen, totally DIY. Nicht mehr, nicht weniger.
HALF WAIF – Mythopoetics
Themen wie Einsamkeit, Sucht oder Krankheit sowie die Suche nach Autonomie; illustriert von einem sehr warmen Synth-Pop oder melancholischen Pianosounds: Sowas herrscht vor auf dem fünften Album von Nandi Rose Plunkett aka HALF WAIF. Ein stiller Grower, schöner bei jedem Durchlauf.
EMMA-JEAN THACKRAY – Yellow
UK-Jazz herrscht weiterhin – tanzbar sowie offen in Richtung aller anderen musikalischen Auswüchse. Die Multi-Instrumentalistin Emma-Jean Thackray spielt auf ihrer Spiritual-Jazz-Scheibe fast jedes Instrument selbst und bringt den inneren Hippie in uns allen zum Vorschein. Groß.
ARLO PARKS – Collapsed In Sunbeams
Ein frühes Highlight in 2021 war dieses Album der Südlondoner Singer/Songwriterin. Warme Sounds und Texte über die persönlichen Dinge menschlichen Zusammenseins, die in der Isolation noch viel bedeutsamer werden. Eine Klang gewordene neue, beste Freundin.
HAIYTI – Mieses Leben
Fünf Monate nach dem Vorgängerwerk eine neue Songsammlung der lebenslustigen Soundverarbeiterin zwischen Party und Katerstimmung. Etwas egozentrisch vielleicht auf Dauer, aber klanglich in kleine Diamanten gepresst, die Permanentbeschallung fordern. Das trifft auch auf den kürzlich erschienenen Nachfolger „Speed Date“ zu. Talentoverkill.
박혜진 PARK HYE JIN – Before I Die
Nach einer EP erschien im September dieses Debüt der jungen Sängerin, Rapperin, DJ und Produzentin, die alles in Eigenregie aufnahm und uns Songs beschert, in denen sie auf englisch oder koreanisch einen „magischen Sog aus Anziehung und Abwehr“ erzeugt (Missy Magazin). Tanzbar, witzig, verletzlich, stark.
JOAN AS POLICE WOMAN, TONY ALLEN, DAVE OKUMU – The Solution Is Restless
Die letzte Aufnahme der nigerianischen Drum-Legende Tony Allen entstand nach einer Jam-Session kurz vor Pandemie-Beginn. Daraus bastelte Joan Wasser aka Joan As Police Woman diese superbe Song-Kollektion. Lässig dargebrachter Edelrock, exzellente Rhythmik.
SMERZ – Believer
Okay, DAS hier ist unbestritten mein Album des Jahres. Was die Norwegerinnen Henriette Motzfeldt und Catharina Stoltenberg darauf zelebrieren ist atemberaubend – faszinierend für die einen, anstrengend für Andere. Letzteres ist für mich kaum nachvollziehbar, umarmen sich hier doch Einflüsse aus Klassik, Post-Rock, Indie, House oder Singer-Songwritertum zu einer dynamischen Melange voller Kleinode, die gar nicht genug Aufmerksamkeit verdienen.
Honorable Mentions:
WOLVENNEST – Temple // DREAD SOVEREIGN – Alchemical Warfare // KING WOMAN – Celestial Blues // THY CATAFALQUE – Vadak // CLEOPATRICK – Bummer // THE RUINS OF BEVERAST – The Thule Grimoires // DESIRE MAREA – Desire // RED RIBBON – Planet X // EMMA RUTH RUNDLE – Engine Of Hell // NALA SINEPHRO – Space 1.8
*****
Todde:
CIVIC – Future Forecast
Das Debütalbum der Band aus Melbourne bietet kraftvollen und melodischen Punk-Rock (wobei die Betonung auf Rock liegt). Das Quintett zaubert auf einem satten Sound-Fundament locker-flockige Melodiebögen aus dem Gitarrenärmel, die erhöhtes Hitpotenzial und stellenweise Ohrwurmcharakter haben.
KOMINTERN SECT – Des Jours Plus Durs Que D’Autres
KOMINTERN SECT sind zurück und vielleicht besser als je zuvor: Hymnenhafter Streetpunk mit jeder Menge Chören und Sänger Carls markantem, kehligen Gesang. Zehn flotte Nummern voller Esprit und Melodie. All Killer, no filler und das auf vinyle rouge.
KONTROLLE – Zwei
Aus der Klingenstadt Solingen stammt die Band KONTROLLE. Wohl deshalb schafft sie es, auch auf „Zwei“ wieder rasiermesserscharfe Lyrics zum ganz normalen Alltag(swahnsinn) auf den Punkt zu bringen. Und das in einem kraftvollen, teils synthetischen Sound, der Post Punk, Dark Wave und Noise verbindet.
CUIR – Album
Synthie-Punk aus Frankreich, Solo-Projekt des Sängers COUPE GORGE an der Nahtstelle zwischen Oi, Punk und Hardcore. Im Prinzip ist das hier ähnlich, nur dass die Sounds von Synthies, Keyboards und Rhythmusschachtel erzeugt werden. Dance to the Punk Revolution.
MANIC HISPANIC – Back In Brown
Wenn Cover-Songs, dann bitte so: Ganz dicht am Original, aber mit einer gehörigen Portion Eigenständigkeit. Die O.C. Chicano Super Group hat es wieder getan und zum fünften Mal Punk- und Hardcore-Klassiker u. a. von 7 SECONDS, DEAD BOYS, CIRCLE JERKS und den MISFITS ins Chicano-Gewand gepresst. Scharf wie ’ne Handvoll Jalapenos.
STIFF RICHARDS – State Of Mind
In Australien geht gerade dermaßen der Punk ab. Garagiger Midtempo-Punk aus Melbourne mit der einen oder anderen Noise-Attacke, treibend und kraftvoll vorgetragen, ehrlich und roh. Im Geiste der COSMIC PSYCHOS, aber mit dem angepissteren Gesang.
C.O.F.F.I.N – Children Of Finland Fighting In Norway
Die dritte Lieblingsplatte von Down Under ist die abwechslungsreichste: Midtempo-Punk-Nummern wechseln mit Hardrock-Stompern, Trash-Attacken, Hardcore-Gebolze und psychedelischem Doom-Blues. Ziemlich durchgeknallte Mischung, über der noch der eigenwillige Gesang des Drummers thront.
SHARP/SHOCK – Casual AS
Einseitig bespielte LP, die sich langsam und sicher in die Hirnwindungen frisst. Punkrock der alten englischen Mod-Schule, der etwas Nachhilfe im kalifornischen Melodycore erhalten hat, gepaart mit Singalong-Chören und jeder Menge Powerpop-Appeal.
SHIP THIEVES – Irruption
Nebenprojekt des HOT WATER MUSIC-Gitarristen Chris Wollard. In die gleiche Richtung geht dieses Album: flott gespielter, melodischer Punk im Vorwärtsgang. Sicher Everybody’s Darling und die Scheibe mit dem höchsten Konsensfaktor. Der Soundtrack zu einem herrlichen Sommertag.
TURNSTILE – Glow On
Die BAD BRAINS lieferten mit ihrem zweiten Album die Blaupause für den 90er-Crossover, bis der dann in der Versenkung verschwand. TURNSTILE erwecken den Crossover wieder und packen noch eine Schippe oben drauf: Mal klingt’s wie SHELTER zu den besten Zeiten, mal groovt’s, dann wird losgebolzt oder es geht experimenteller zur Sache, eben wie einst bei den BAD BRAINS.
*****
Stefan:
Wenn es auf einem Album so viele gute Stücke gibt, dass man lange abwägen muss, welche die Scheibe auf einer Playlist am besten repräsentieren, dann handelt es sich ohne Zweifel um eine der „Platten des Jahres“. Im Folgenden seht Ihr aus meinen favorisierten Genres die Werke, die sich 2021 bei mir einen Wolf rotiert haben. Die ersten drei stellen die Spitze meines Eisbergs dar, der Rest folgt mit etwas Sicherheitsabstand.
HARLEY POE – 7 Inches Of Hell
Die Band aus dem Städtchen Kokomo, Indiana, ist meine Entdeckung des Jahres. Wild, chaotisch, tolles Songwriting, klasse Texte und eine Originalität sondergleichen zeichnen die Horror-Folk-Punk-Rocker aus. Sie haben 2021 gleich zwei Langspieler rausgehauen, dieser führt meine Bestenliste in diesem Jahr an.
MÄKKELÄ – Dog & Typewriter
Der Singer/Songwriter Mäkkelä legte im September ein neues Album vor. Sparsam instrumentiert mit u. a. Violine, Cello, Banjo und Harmonika werden darauf meist düstere, mitunter bizarre, aber immer atmosphärisch dichte Geschichten im passenden Sound-Gewand dargebracht. Folk Noir vom Feinsten.
MINISTRY – Moral Hygiene
Ballert ordentlich, die neue Scheibe von Al Jourgensen und seinen Kollegen, auf der u. a. Trump und Covid-19 thematisiert werden. Es gibt diverse Killer, mein Highlight ist der von Gast Jello Biafra gesungene Song „Sabotage is Sex“. Ich rate ausnahmsweise zur Anschaffung der CD, da zehn Stücke statt acht auf der LP.
THE THE – The Comeback Special
Ende Oktober erschienen als Dreifach-LP und Doppel-CD: Ein Konzert der legendären THE THE um Mastermind Matt Johnson 2018 in der Londoner Royal Albert Hall. Auf dem knapp zwei Stunden dauernden Mitschnitt finden sich (fast) alle Songs, die den Ruhm der Band begründen.
TEENAGE BOTTLEROCKET – Sick Sesh!
Ähnlich wie bei den Motiven auf den Plattencovern, die bei den vier US-Boys (bis auf wechselnde Farben) stets identisch sind, weiß man auch musikalisch, was da alle zwei Jahre wieder anrollt: Fröhlicher, ramonesker Bubblegum-Punkrock, wie immer dargeboten in Schallgeschwindigkeit. Sick!
KING BUFFALO – The Burden Of Restlessness
Oberfettes Brett der drei Psych-Stoner-Rocker aus Rochester (US-Staat New York). Die im Juni veröffentlichte Scheibe stellt den ersten Teil einer Trilogie dar und ich bin jetzt schon gespannt auf die Folgewerke. Schickt Eure Nachbarn ins Kino und dreht die Anlage auf!
THE ROUTES – Shake Five
Surf-Monster aus Japan, aufgenommen in Mono. Es müssen nicht immer die MESSER CHUPS sein – Stücke wie „Wasabi Attack“ oder „Yeti Spaghetti“ zeigen, dass das Trio aus Fernost durchaus auf Augenhöhe rasanten, instrumentalen Surf spielen kann. CD mit zwei lohnenswerten Bonus-Tracks.
THE ESTABLISHMENT – II
Auch auf ihrem zweiten, schlicht „II“ betitelten Album macht die niederländische Hardcore-Formation keine Gefangenen. Wer‘s etwas lauter und aggressiver haben möchte, wird mit dem 28-minütigen Dauerfeuer sicherlich gut bedient. Fantastisches Artwork, Hochglanz-Klappcover, schwarzes oder weißes Vinyl.
LYGO – Lygophobie
Auch für Emo habe ich zu gewissen Zeiten zwei offene Ohren. Kann man nicht immer hören, zugegeben. Aber wenn Sound und Texte solche Intensität haben wie bei dem neuen, dritten Langspieler des Trios aus Bonn, kommt man schwer daran vorbei. Einzige deutschsprachige Platte dieser Auswahl.
VARIOUS – One City One Crew
Der Erlös aus dem Verkauf des Samplers von 18 Frankfurter Bands unterstützte zwei durch die Corona-Krise gebeutelte Szenekneipen unserer Heimatstadt. Alle Beteiligten verzichteten auf Gage, bzw. Lohn. Eine tolle und erfolgreiche Aktion: Die Erstauflage von 550 Exemplaren war recht schnell ausverkauft. Nicht auf der Playlist, checkt Bandcamp!
*****
Das waren die 55 Platten-Empfehlungen der Rockstage Riot-Autoren und -Fotografen. Welche herausragenden, im Jahr 2021 erschienenen Scheiben haben wir vergessen? Welche sind Eure Favoriten? Gebt uns ein Feedback und nutzt die Kommentarfunktion gleich hier drunter!