Unsere Lieblingsplatten 2024

Frankfurt, 22.12.2024

Plattentipps 2024In den vergangenen zwei Jahren mussten wir aus Gründen mit der Wahl unserer Plattenempfehlungen leider pausieren. Doch nun galt es endlich wieder, die besten Alben aus einem Wust an Neuerscheinungen herauszufiltern, die Nadeln im Heuhaufen zu suchen, sozusagen. Oder bestand der Haufen nur aus Nadeln? Nein, das kann man wirklich nicht sagen. Auch viel Mist oder schon x Mal Dagewesenes und nur lauwarm Aufgekochtes drang an unsere Ohren. Die folgende Auswahl – wieder mit Playlisten zum Reinhören – lässt allerdings nur wenige Wünsche offen. Wer in den nächsten Tagen und Wochen Zeit und Muße findet, vertiefe sich gerne in unsere Tipps, denn für fast jeden Musikgeschmack sind Highlights dabei. Viel Spaß wünscht die Rockstage-Crew.

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Micha:

Auch 2024 gab es wieder großartige Veröffentlichungen in allen möglichen Genres. Folgende 10 (ohne Ranking) haben es mir, ebenso wie die „Honorable Mentions“ danach, allerdings ganz besonders angetan:

ROSA ANSCHÜTZInterior
Album Nummer Drei der Singer/Songwriterin aus Berlin, die weit mehr Aufmerksamkeit verdient als sie aktuell erhält. Weniger opulent im Sound als die ebenso famosen Vorgänger, evoziert Anschütz eine spirituelle Reise ins Selbst zwischen elektronischem Kraut und dunklem Wave.

ANTILOPEN GANGAlles muss repariert werden
Rap meets Punk auf zwei separaten Scheiben dieses Doppelalbums. Das ist was Besonderes und macht Lust auf die Liveshows. Alles wird jedoch überstrahlt vom Übersong „Oktober in Europa“, der durch die Bearbeitung Sophie Hungers besonders veredelt wird.

TRIBULATIONSub Rosa In Æternum
Vom hammerharten schwedischen Death Metal zu einem Death/Black-Hybriden, anschließend zum pechschwarzen Gothic-Metal und nun zum fast growlfreien Gothrock: TRIBULATIONs Entwicklung ist stimmig und wird von enormer Catchyness unterstützt.

KING HANNAHBig Swimmer
Beeinflusst von einer USA-Reise entfernen sich Hannah Merrick und Craig Whittle auf ihrem zweiten Album etwas vom Dream Pop und lassen noch mehr Americana zu. Zum Niederknien ist die betörende Mischung aus Whittles Gitarre und Merricks lakonischem Gesang nach wie vor.

WHISPERING SONSThe Great Calm
Die belgische Post-Punk-Truppe perfektioniert ihren Sound von Album zu Album. Frontfrau Fenne Kuppens wirkt dabei immer selbstbewusster und liefert weniger destruktive Lyrik als zuvor ab. Bei aller neuen Hoffnung sorgen die Instrumentalisten jedoch für die adäquate Schwärze.

VERA SOLAPeacemaker
Die Tochter eines BLUES BROTHERS (Dan Aykroyd) macht cineastischen Indie-Rock mit kleinen Schwenkern in Richtung Americana, Folk und Desertrock. Ein absolutes Grower-Album, das mich nach Erscheinen zuerst kalt ließ, nun jedoch in Dauerschleife läuft.

CHELSEA WOLFEShe Reaches Out to She Reaches Out to She
Noch eine Singer/Songwriterin, die in ihrem Werk Americana verabeitet – aber eben auch Doom Metal, Gothic Rock, Trip Hop und Krautrock integriert. Ihr letzter Longplayer ist sehr elektronisch geprägt – nachfolgende EPs zeigen, dass die Songs auch sparsam arrangiert funktionieren.

AMELI IN THE WOODSThrow My Fears Into The River
Franziska Ameli Schuster war mir bisher nicht bekannt, auch nicht ihr Elektronik-Duo AMELI PAUL. Ihr erstes Album als AMELI IN THE WOODS bezeichnet sie selbst als ihr Herzensprojekt. Meins hat sie damit erobert. Gab wenig Schöneres zu hören 2024.

NALA SINEPHROEndlessness
Außer das hier. Definitiv das kitschfrei-schönste Album 2024. Ihr Vorgängerwerk „Space 1.8.“ war schon Dope, „Endlessness“ setzt noch mal einen drauf. In der Tradition des Spiritual Jazz spielt Sinephro hier fast alles, produziert auch noch und beweist damit, dass Musik heilende Wirkung hat.

EBOWFC Chaya
Die Berliner Rapperin war schon immer eine mit Haltung und spannenden Erzählungen – auf „FC Chaya“ verarbeitet sie verstärkt ihre R&B-Einflüsse und ihre Queerness. Mit einer Lyrik voller Herz, die auch mich alten, weißen, heterosexuellen Cis-Mann zum Heulen bringt.

Honorable Mentions:
BLOOD INCANTATIONAbsolute Elsewhere // NICK CAVE & THE BAD SEEDSWild God // SILKROAD ENSEMBLE WITH RHIANNON GIDDENSAmerican Railroad // I HÄXAI Häxa (Pt. I, II, III, IV) // TRELLDOM…By The Shadows… // VERIFIZIERTbulletholes // NUBYA GARCIAOdyssee // BILLIE EILISHHit Me Hard And Soft // BEYONCÉCowboy Carter // FABERAddio

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Stefan:

Es war meines Erachtens ein sehr gutes Jahr, was die Veröffentlichungen neuer Tonträger betrifft. Es gab wesentlich mehr „Bewerber“ für meine persönlichen Top Ten als Plätze, sodass einige Platten herausfielen, die in anderen Jahren sicher einen vorderen Platz belegt hätten. Meine Auswahl (die Reihenfolge stellt kein Ranking dar) ist möglicherweise schräger geraten als gewöhnlich und damit vielleicht charakterisch für das abgelaufene Jahr, in vielerlei Hinsicht.

HARLEY POELittle Joey and the Psychophallic Sex Brain
Dem HP-Mastermind Joe Whiteford gehen die Ideen nicht aus – auch 2024 erschien ein wundervolles, skurriles Album, wie immer nicht ganz jugendfrei. Ein No-Skip-Trip durch den Kosmos der Horror-Folk-Punk-Rocker aus Kokomo, Indiana, USA.

THE BRIDGE CITY SINNERSIn the Age of Doubt
Neues Werk der Folk-Punker THE BRIDGE CITY SINNERS aus Portland, USA. Sie stehen weit oben auf der Liste der Bands, die ich mal live sehen möchte. Wer diese Scheibe hört (oder YouTube-Videos anschaut), der weiß warum. Es muss ein grandioses Spektakel sein.

DION LUNADONMemory Burn
Kann man diesen noisigen Gitarrenrausch gut finden, auch ohne vor seinem geistigen Auge das bizarre Bild des Konzerts zu sehen, wie der gebürtige Neuseeländer Mister Dion Lunadon sein Instrument mit einer riesigen, stählernen Kette malträtiert? Ja, man kann. Sechs Kracher auf dieser EP.

GUSTAFPackage Pt. 2
Begeisterten 2024 live genauso wie auf Platte: GUSTAF aus Brooklyn, New York City, USA. Post-Punk, reduziert auf das Wesentliche, und dargeboten von charismatischen Künstlern mit selten gesehener und gehörter Intensität. Eine der Entdeckungen des Jahres, ebenso wie:

TRAMHAUSThe First Exit
In die gleiche Post-Punk-Kerbe hauen die Niederländer von TRAMHAUS, allerdings deutlich schrammeliger und mit mehr Noise-Elementen. Erster Langspieler des Quintetts aus Rotterdam nach zuvor diversen 7″- und 12″-Veröffentlichungen. Auch auf der Bühne eine Klasse für sich.

CARTER THE UNSTOPPABLE SEX MACHINEUp Pompey!
Zum Record Store Day erschienenes Doppelalbum mit dem Live-Mitschnitt eines Konzerts in Portsmouth 1993. Vermittelt einen guten Eindruck, was Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger bei den exzessiven Shows des Indie-Elektro-Punk-Duos ablief.

THE DEVILSLet The World Burn Down
Ein weiteres abgefahrenes Duo: Das Priester- und Nonne-Pärchen aus Neapel wird immer besser, weg vom bloßen Trash-Geballer, hin zu tollen Rock‘n Roll und Blues-Nummern. Die im Februar veröffentlichte Studio-LP Nummer Vier stellt den Höhepunkt des bisherigen Schaffens dar.

WOLFWOLFTotentanz
Und noch ein abgedrehtes Duo: WOLFWOLF aus Luzern. Die Schweizer trashen sich auf ihrem vierten Langspieler durch jede Menge Songs mit Ohrwurm-Qualitäten. „The Devil Knows“, „Vampire Love“ oder „It‘s Hot in Hell“ – Ihr wisst, wo die Reise hingeht. Garage-Rock vom Feinsten.

MÄKKELÄSkoda Blue and the Black Legged Jesus
Hätte die Crowdfunding-Kampagne nicht zum Erfolg geführt, wäre dieses Album vielleicht nie (oder erst viel später) erschienen. Der deutsch-finnische Singer/Songwriter MÄKKELÄ liefert nach drei Jahren Pause wieder ein in Musik und Texten starkes, emotionales Werk ab.

HIGHEST PRIMZAHL ON MARSError Not Found
Fettes Doppelalbum des Psychedelic Rock-Quartetts vom Mars, äh.., aus Frankfurt/Main. Außerirdisch ist der Sound allerdings schon. Psych mit Einflüssen von Shoegaze, Space- und Krautrock. Nicht bei Spotify und daher nicht auf der Playlist. Checkt Bandcamp!

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Jan:

THE PEACOCKSAnd Now What?
Was lange währt, wird endlich gut. Wahrscheinlich das beste Album der Schweizer Punkabillys bislang. Und da steckt viel mehr drin als Punk und Billy. Durchaus auch gefälliger Pop, und vor allem anspruchsvolles Songwriting mit prima Produktion und manchen Überraschungen.

JENNY DON’T & THE SPURSBroken Hearted Blue
Wer sie live gesehen hat, weiß was JENNY DON’T musikalisch drauf haben. Auf dieser Scheibe wurde das perfekt eingefangen. Alternative Country mit ordentlich Ohrwurm-Potential, diesmal eine Spur rockiger als auf vorherigen Aufnahmen.

THE MYSTERY LIGHTSPurgatory
Die New Yorker Band bietet hier einen nahezu eklektischen Mix aus Garagepunk, Psychedelia, Artrock und einem kleinen bisschen Country. Dieses abwechslungsreiche und eingängige Werk wächst einem bei jedem Abspielen mehr ans Herz.

RAY COLLINS‘ HOT-CLUBThe Book of the Golden Age
Achtung! Diese Scheibe ist nicht für einen Dry January geeignet. Jedes Lied vermittelt das Gefühl, in einer Bar oder einem Club zu hocken und stilvoll an etwas zu nippen. Swing, früher Rock’n’Roll, Rhythm’n’Blues, Lounge und mehr. Aber alles ohne Kitsch. Hot!

SARAH SHOOK & THE DISARMERSRevelations
Mit ihrem vierten Album bietet die Band aus North Carolina eine Power-Mischung aus Country, Indie-Rock und Punk, wobei die Hauptzutat River Shooks unglaubliche Stimme ist, mit der die emotionalen Themen der Songs in eindringlicher Intensität vermittelt werden.

HENRY & THE BLEEDERSGone to Pot
HATB durften 2024 ihr zwanzigjähriges Bestehen feiern. Auf „Gone to Pot“ beweisen sie erneut, dass sie zum Besten gehören, was Großbritannien in puncto Rockabilly und Psycho zu bieten hat. Partysongs mit Aggressivität und netter Fuck-Off-Attitüde.

THE HILLBILLY MOON EXPLOSIONBack in Time
Der/die geneigte Leser*in schaue sich das Video der HME zu „Knocked Down“ an, in dem Bassist Oliver seine Tanzkünste zur Schau stellt. Zu derartigen Bewegungen, mal schnell, mal langsam, regt „Back in Time“ bei allen, die Rootsmusik mögen, hundertprozentig an! That’s Entertainment.

THE CAEZARSThe Caezars
Endlich gibt es von THE CAEZARS ein Album auf Vinyl. Bei „Welcome to the Mainstream“ ist das leider nicht passiert. Aber das Warten hat sich gelohnt. Imelda May beschreibt das Ergebnis zutreffend als 70 Prozent Rockabilly mit einer ordentlichen Dosis Post-Punk und vor allem Elektrizität.

CHARLEY CROCKETTVisions of Dallas
Schon das vierzehnte Album seit 2015 des unaufhaltsamen Troubadours aus Texas. Und bereits das zweite im Jahr 2024. Wieder verspürt man seine tiefe Leidenschaft für die Kultur, die er besingt, und für echte Country-Musik eben. Sechs Originalsongs und sechs Cover. Perfekt.

BONES SHAKEPurge
Nach eigenem Bekunden lagen der Band die Songs der LP im Magen, sodass sie sich zwei Finger in den Hals steckten, um die acht Titel auszukotzen. Stimmt, das hört sich auch so an. Gift und Galle, schonungslos mit stampfendem Schlagzeug, verzerrter Bluesgitarre und Geschrei serviert.

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Marcus:

COUCH SLUTYou Can Do It Tonight
Mein Album des Jahres ist die vierte Scheibe der New Yorker Noise-Rocker COUCH SLUT, die mit verstörenden, nihilistischen Sound-Collagen auf akustische Weise die Tore der Hölle öffnen und den Zuhörer in die Abgründe des menschlichen Daseins entführen.

HAMMERHEADNachdenken über Deutschland
24 (!) Jahre nach der letzten LP beschert uns Deutschlands wichtigste Punkband ein neues Album, das mit Songs wie „Alle pissen an den Dom“ und „Autofahrerhose“ ein brachiales Hardcore-Feuerwerk internationaler Güte bietet.

FRIENDS OF HELLGod Damned You to Hell
Beim zweiten Werk der All-Star-Doom-Band ist erstmals Hellbutcher von NIFELHEIM als Shouter mit von der Partie, der den Sound des Quartetts in eine schaurig-schöne Hommage an 80s-Oldschool-Acts wie WITCHFINDER GENERAL verwandelt.

XSmoke & Fiction
Die aus Los Angeles stammende Punk-Band X gibt es bereits seit 1977, 1980 erschien das legendäre Debüt „Los Angeles“. Bis heute spielt das Quartett in Originalbesetzung und hat noch kein schlechtes Album veröffentlicht. Dies gilt auch für das finale Werk „Smoke & Fiction“.

THE CHISELWhat a Fucking Nightmare
Die Engländer durfte ich bereits mehrmals beim Rebellion Festival erleben, wo sie in Manier einer brachialen Dampfwalze ihre Gigs performten. Da es den Jungs aus London auch gelingt, ihren No-Bullshit-Hardcore adäquat im Studio einzuspielen, gehört das aktuelle Album zu meinen Jahreshighlights.

EINSTÜRZENDE NEUBAUTENRampen: apm
Als langjähriger Fan der Berliner freute mich, dass es 2024 mal wieder ein neues Album gab. Und das ist herausragend und kombiniert alte wie jüngere Elemente des Bandschaffens mit den stets aufs Neue überraschenden lyrischen Ergüssen eines Blixa Bargeld. Chapeau.

SQUID PISSERDreams of Puke
SQUID PISSER besteht aus Mitgliedern der Acts CANCER CRIST und STARCRAWLER, liefert in dieser Inkarnation aber eine kakophonische-psychedelische Mischung aus Grindcore, Acid-Jazz und Tintenfischkotze. Musik für die besinnlichen Tage des Jahres und ideal zum Autofahren!

MIDNIGHTHellish Expectations
MIDNIGHT sind so etwas wie die neuen MOTÖRHEAD des Metal-Genres und wenn die Jungs ein neues Album raushauen, dann läuft es bei mir auf Heavy Rotation. Dies ist auch beim sechsten Werk der maskierten Madmen nicht anders. Für mich die Party-Scheibe des Jahres.

THE EFFIGIESBurned
Die EFFIGIES sind eine 1980 in Chicago gegründete Punk-Band, die 2024 nach 17-jähriger Pause ihr fünftes Album veröffentlichten, das über das Prädikat „all killer, no filler“ verfügt. Leider verstarb Frontmann John Kezdy während der Aufnahmen bei einem Fahrradunfall.

AMIGO THE DEVILYours Until the War is Over
Das vierte Album des US-Singer/Songwriters und Dark-Folk-Artist bietet einmal mehr eine Mischung aus makabren Erzählungen und finsteren Moritaten, die sich bestens für einsame oder zweisame Abende am Kamin bei einem Glas Rotwein eignen.

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Das waren die 40 Platten-Empfehlungen der Rockstage Riot-Autoren. Welche herausragenden, im Jahr 2024 erschienenen Scheiben haben wir vergessen? Welche sind Eure Favoriten? Gebt uns ein Feedback und nutzt die Kommentarfunktion gleich hier drunter!

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