Das Bett, Frankfurt, 5.12.2016
Also: Ein Pflichttermin war das gestern für mich mit Sicherheit nicht. Wie üblich bei PRO-PAIN, die mit dieser Tour ihr 25-jähriges Jubiläum feiern, kannte ich überhaupt keine der immerhin drei Vorbands, dem Namen nach nur die lokalen Opener MEIN KOPF IST EIN BRUTALER ORT (ab jetzt MKIEBO). Liegt wohl daran, dass ich mich im Hardcore selten zu Hause fühle. Bei PRO-PAIN geht das aber auch anderen HC-Fans oft so: Die New Yorker um den Bassisten und Shouter Gary Meskil haben Freundschaften mit ein paar Combos geschlossen, die man außerhalb ihrer Touren oft nicht wahrnimmt. In Frankfurt ist das ein wenig anders, ihre Kumpels aus Mainhattan kennt man auch ohne sie: PRO-PAIN sind gern gesehener Support der BÖHSEN ONKELZ, auch bei den fetten Abschieds- Festivals auf dem Lausitzring. Stephan Weidner gab auch schon mal ein Gastspiel auf einem PRO- PAIN-Album und Meskil eines bei Weidners Solo- Platte in den gefühlten fünf Minuten zwischen Bandauflösung und Wiedervereinigung. Aber um die ONKELZ geht es hier nicht. Die haben schon ganz andere Lieblingsacts von mir im Vorprogramm auftreten lassen.
1991, vor 25 Jahren, war New Yorker Hardcore eine ganz große Nummer, zumindest Underground- spezifisch. Härte zwischen Punkrock, Metal und große Sympathien zum Hip Hop wurde von Formationen wie AGNOSTIC FRONT, BIOHAZARD, MADBALL oder eben PRO-PAIN fabriziert, deren damalige Veröffentlichungen sind zeitlose Perlen des Straßensounds. Während der Straßenkötercharme von den ersten drei Bands jedoch immer von einem unglaublich netten und sozialen Gebaren konterkariert wurde, waren PRO-PAIN bzw. Meskil die Gestalten, denen man besser nicht blöd kommt, wenn man im Besitz seiner Zähne aus der Szene heimwärts stolpern will. Sogar Billy Milano von S.O.D. bzw. M.O.D., der nach Angaben von laut.de ursprünglich für den Gesang bei PRO-PAIN vorgesehen war, ist ein Charmebolzen gegen den meist mies gelaunt wirkenden Meskil, der vor seiner aktuellen Truppe bei den einflussreichen CRUMBSUCKERS nur den Bass bediente. Aber wer weiß – vielleicht ist er auch nur schüchtern. Im Interview mit dem Twilight-Webzine kann er sich seinen „Ruf als Choleriker“ jedenfalls nicht erklären (Artikel dazu hier).
Nun zum Abend in „Das Bett“ (welches mich nach knapp sechsmonatigem Fernbleiben im Übrigen lichttechnisch und optisch schwer beeindruckte): Die Frankfurter MKIEBO eröffneten und spielten knapp 30 Minuten Material ihres Drehers „Brutalin“, plus einem Song namens „Ikarus“. Von einem Heimvorteil merkte man bei den Herren mit den zwei Shoutern Christian Schmidt und Patrick Schuch nicht so viel – die Anwesenden standen reserviert im hinteren Drittel und ließen sich auch nach Aufforderung kaum nach vorne locken. Merkwürdig – vom Energie-Level her war das nämlich durchaus headlinerwürdig.
Beim Schlaumachen vor dem Gig konnte ich schon feststellen, dass sich MKIEBO von sogenannten „Grauzonenbands“, sprich Combos ohne klare Abgrenzung nach Rechts, distanzieren (sie sagten einen Auftritt auf einem Festival in Sailauf ab, weil einige andere Mitspieler bei ihnen ein „Grummeln“ auslösten) – und das Shirt Schmidts und der Button an der Gitarre von Ralf Zimmermann sprachen Bände über die Einstellung des Sextetts. Gut. Alles klar gemacht auch für solche PRO-PAIN-Fans, die das mit den Einwanderern vielleicht ein wenig anders sehen könnten. Musikalisch erinnerte mich das auch ein wenig an BIOHAZARD, von den Texten verstand und kapierte ich aber nichts. Auch nicht, als ich die CD zu Hause hörte und die Texte mitlas. War trotzdem erlesen und eine Empfehlung für einen weiteren Konzertbesuch – die Jungs sind ja häufiger auf hiesigen Bühnen zu erleben.
Kommen wir jetzt zum internationalen Support der Tour, aka die Bands, die eh keine Sau kennt. Oder? UNDIVIDED stammen ebenfalls aus New York. Ihr Sänger trug ein DARKHAUS-Shirt – eine Art moderner Gothrock-Combo, die vom Legacy in die Nähe von AMORPHIS gerückt wird und von mir eher in die Nähe des blanken Schlagers mit E-Gitarre. Obwohl böse Zungen das auch bei AMORPHIS tun. Und: Gary Meskil spielt bei denen. Vor knapp zwei Monaten standen sie noch auf der Bühne des Frankfurter Nachtlebens.
Beeindruckt war ich bei UNDIVIDED vom Gitarristen Nick Koykas, der mich mimisch und spieltechnisch an Carlos Santana erinnerte und unfassbar geiles Zeug spielte, welches man bei HC-Shows weder erwarten kann noch häufig präsentiert bekommt. Also: Innerhalb formidabler Auf-die Fresse-Arrangements richtige Spielkunst, nicht nur Geschredder. Obwohl Geschredder durchaus ausreicht und ebenfalls geboten wurde. Ich war verzückt, komplett, fand die Band super und wollte sie sofort noch mal sehen. Knapp eine halbe Stunde war echt zu wenig. Aber wir hatten ja noch was vor.
KOMAH zum Beispiel. Aus Belgien. Gedacht wurde von den Menschen, mit denen ich sprach (und von denen keiner die Truppe kannte), dass die vielleicht aus Griechenland kämen oder anderswo aus dem Süden. Hier jetzt erstmals richtig Bewegung im Pit, es wurde, je nach Lesart, unangenehm oder atmosphärisch. Knallte auf jeden Fall exquisit und erinnerte mich an die Sorte Thrash/ New-Metal, die ich mag, also an MACHINE HEAD zum Beispiel, allerdings ohne deren progressive Schlenker. 45 Minuten lang ging das, ich kriegte mich vor Begeisterung kaum ein. Vielleicht hatten aber auch die fortgeschrittene Stunde oder die bereits vernichteten Gerstensäfte etwas damit zu tun, denn zu Hause, beim Abhören der im Eifer der Ekstase gekauften Tonträger, war von der Begeisterung nicht mehr so viel da. Ja, schon ganz fein, aber muss man das zu Hause haben? Ich eher nicht. Kam an diesem Abend live dennoch sehr überzeugend.
Und dann der Headliner, das Urgestein, der Grund des Anwesendseins: PRO-PAIN spielten 90 Minuten Songs aus allen Schaffensphasen und von 16 Studioalben. Wurde 2011 im Nachtleben das 20-jährige noch mit dem kompletten Nachspiel des Debüts „Foul Taste Of Freedom“ (das gab es gestern als erste Zugabe) gefeiert, so wurde 2016 bunt gemischt und der gesamten Historie Respekt gezollt. Leadgitarrist Adam Phillips turnte während seines Spiels besonders exzessiv herum – die meisten vor der Bühne taten es ihm gleich, außer den Stoikern, die durch ihren Bierkonsum beschäftigt genug waren, ihr Umfallen zu vermeiden. Eine HC-Show vom Allerfeinsten, Mr. Meskil schien ebenfalls angetan und mit sich im Reinen. Glück gehabt.
Unterm Strich war das ein großartiger Party-Montagabend, der einem den Arbeitsdienstag durchaus versauen konnte. Also alles richtig gemacht. Dass ausgerechnet die Frankfurter Band jedoch diejenige ist, die mir im Nachhinein beim Zuhause-Hören am meisten Spaß macht, überraschte mich am Ende doch ein wenig. Das nächste Mal mit MKIEBO wird dann wohl ein Pflichttermin.
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Text, Fotos & Clips: Micha
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