Schlachthof, Wiesbaden, 31.07.2014
Zwölf Jahre ist es her, seitdem ich PRONG das letzte Mal gesehen habe (damals in der Batschkapp mit den großartigen, inzwischen aufgelösten Lokalmatadoren HARMFUL im Vorprogramm), dabei war das eine Zeit lang echt eine Lieblingsband von mir. Seit ihrem Gig 1989 im Frankfurter Negativ ließ ich jahrelang keine Show aus und sah dabei immer andere Inkarnationen des New Yorker Dreizacks. Einzige Konstante und absoluter Chef im Ring ist Tommy Victor, der Rest scheint mittlerweile relativ austauschbar. PRONG waren immer mehr als eine Metal-Band: Viele ihrer Scheiben haben einen ziemlichen Post-Punk-Einschlag (Ex-SWANS-Drummer Ted Parsons sowie die verstorbene Basslegende Paul Raven, u. a. bei KILLING JOKE, waren lange Zeit Mitglieder der Formation; außerdem coverten PRONG Songs von den STRANGLERS und CHROME). Von PRONG-Tracks gibt es ganze Remix-Alben und trotzdem sind sie von der Attitüde und ihrer Live-Kraft auch eine HC-Band, irgendwie.
Googelt man den Namen PRONG jedoch, liest man als Genre-Bezeichnung zuerst „Groove-Metal“ und macht das Trio mitverantwortlich für New-Metal- Acts wie KORN und andere Gruppen, die mit ihrem abwechselnden Gegrowle und Klargesang die Bestenlisten vom Metal Hammer und Rock Hard verstopfen. Die Geister, die ich rief? Wahrscheinlich liegt es an meinem Alter, dass ich Vorreitern wie PRONG, MACHINE HEAD oder SOULFLY mehr oder weniger etwas abgewinnen kann, beim buntbehaarten Jungvolk aber eher draußen, weil extrem gelangweilt bin.
In meiner PRONG-losen Zeit ruhte die Band auch eine Weile. Victor wurde 2005 bis zum Schluss Mitglied bei MINISTRY und schaffte es sogar, mit Unterbrechungen, seit 1996 regelmäßig mit DANZIG aufzutreten. Nach zwei weniger einschlagenden Alben in den Nullerjahren zeigen PRONG seit 2012 mit der Scheibe „Carved Into Stone“ wieder mehr Präsenz in den Medien und den Bühnen; aktuell waren sie gerade auf dem Weg nach Wacken, als sie kleine Zwischenstopps in Weinheim und Wiesbaden einlegten. So klein, dass sie Victor noch nicht einmal einen Tweet oder Eintrag auf seiner Facebook-Seite wert waren.
Sah es zwei Tage vor der Show noch nach einem Abend aus, der mangels Support früh zu Ende gehen würde, so rieb ich mir überrascht die Augen, als ultrakurzfristig die Wiesbadener SCARSCAB auf dem Billing auftauchten. Mir sagte die Combo nichts, dabei gibt es sie schon seit 2002 und hat bereits drei Alben veröffentlicht. Da ich mich vor dem Gig in unmittelbarer Nachbarschaft der Musiker und einiger ihrer Kumpels befand, kam mir zu Ohren, dass der gestern aufspielende Bassist Moe ein ehemaliger war, der wiederum kurzfristig aushelfen musste weil der Bassspieler vorher irgendwie verloren ging oder gegangen wurde. Alle freuten sich aber, wie schnell der Mann wieder in der Materie drin war („Eine Probe!“) und waren überhaupt guter Dinge, es jetzt vor einer Band krachen zu lassen, die durchaus Einfluss gewesen sein kann. Stichwort „die Geister, die ich rief“, siehe oben. SCARSCAB spielten beseelt und energiegeladen ihren Stoff, hängten sich richtig fett rein und überzeugten nicht nur ihre anwesenden Fans und Freunde, sondern auch mich, der, wie gesagt, gar nicht mehr so auf diese Art Metal steht. Aber wie das auch immer so ist: Mach was mit Leidenschaft und Du steckst an. Zu Hause gab ich mir später noch den Tonträger von 2010 und bin zwar nicht zum Fan mutiert, mein positiver Eindruck blieb aber. Nach der halben Stunde Spielzeit gab der Sänger Sebel seinen Kumpels springend zu Protokoll, wie geil das doch gewesen sei. Stimmt schon.
Nach knapp einer weiteren halben Stunde kam wieder Leben auf die Bühne. Ein Roadie betrieb Feinschliff und klebte die Setlist an die dunkle Seitenwand: Wer das entziffern konnte hatte Grund zur Freude, versprach das Blatt doch das gleiche Programm wie einen Tag vorher in Weinheim, eine Aneinanderreihung von Hits. Von allen relevanten Alben die Highlights, dazwischen die neue Single „Turnover“, die durchaus ihre Reize hat. Ich stand mittig hinter einer Kollegin mit ebenso dicker Kamera wie meine und fand mich zu Beginn des Auftritts eingekeilt zwischen mehreren Testosteron verspritzenden Aggro-Bolzen, die mich innerhalb kürzester Zeit zum Rückzug an die Seite nötigten.
Besonders eine Gestalt verschaffte sich mit seiner Vorstellung von Feierabendparty jede Menge Feinde im Pit und wurde auch das eine oder andere Mal von Tommy Victor ermahnt oder sogar mal raus zitiert, was ihn aber auch nicht weiter juckte, da er nach ein paar Einheiten Schnappatmung wieder quer durch den Pulk nach vorne prollte, sich weiter Feinde machend. Ein zunehmend gereizter Mitarbeiter der Band erblickte mich bei einem weiteren Versuch, den Störer zur Ordnung zu rufen und brüllte mir „No professional equipment!“ entgegen und meinte damit meine Kamera, danke auch; immer schön, wenn man Prioritäten zu setzen weiß. Hoffe, die Kollegin blieb unentdeckt; bei mir war es das aber dann leider mit der fotografischen Berichterstattung.
Wäre das Programm nicht solch erste Sahne gewesen, hätte mich das erbost den Heimweg antreten lassen, so aber genoss ich „Beg To Differ“, „Unconditional“, „Broken Peace“ oder „Who’s Fist…“ von weiter hinten und hatte auch so meinen Spaß. Der Qualität der Darbietung hat die Aggressivität vor der Bühne sicherlich ebenfalls nicht geschadet. Und auch wenn das von mir verpasste PRONG-Konzert auf der letzten Tour besser gewesen soll: Geschenkt. Das sind Songs für die Ewigkeit, egal ob New-, True-, Industrial- oder sonstwas für Metal. Im Herbst nochmal zu hören als Special Guest von OVERKILL. Wir sehen uns.
Links: http://www.scarscab.com/, http://www.reverbnation.com/scarscab, http://www.lastfm.de/music/Scarscab, http://prongmusic.com/, https://myspace.com/prong, http://www.lastfm.de/music/Prong
Text, Fotos & Clip: Micha
Alle Bilder: