Stadthalle, Langen, 30.10.2013
Auf Metal-Konzerten bin ich nicht grade selten anzutreffen – in die (neue) Stadthalle Langen hat es mich bisher aber noch nicht verschlagen. Das liegt daran, dass (meines Wissens) dort bisher ausschließlich Bands spielten, die mit meinen metallischen Vorlieben nicht viel zu tun haben. Auch von QUEENSRYCHE bin ich nicht grade der größte Fan, war es aber mal. Ganz kurz. 1984. Damals veröffentlichte und betourte der metallische Sangesgott schlechthin, Ronnie James Dio, mit seiner neuen Band DIO sein zweites Album namens „The Last In Line“. Egal, in was für Subsphären des Metal man sich heute aufhalten mag: Wer damals dabei war, weiß: Diese Scheibe ist die Macht. Und die dazugehörende Tour war es auch.
Eröffnet haben damals ein paar Knaben aus Seattle, die grade erst eine EP draußen hatten, selbstbetitelt, wie man so schön sagt: QUEENSRYCHE. Vier Tracks. Der erste davon lautete: „Queen of the Reich“. Das, was da zusammengezimmert und beseelt beschrien wurde, war wegweisend und mit seiner Klasse und Wirkung nur noch mit dem Debüt von METAL CHURCH zu vergleichen (und den ersten Scheiben von MANOWAR vielleicht). Dieselben Sounds, die heute oft klischeehaft, kommerziell, gestrig und veraltet wirken, waren damals etwas, was zumindest in dieser Perfektion ebenso einzigartig wie großartig war.
Ich weiß, Progfans sehen das mit dem „veraltet“ anders. Für jemanden wie mich jedoch, für den BLACK SABBATH und MOTÖRHEAD das Maß aller Dinge darstellen und nicht DREAM THEATER, war es mit QUEENSRYCHE, METAL CHURCH (und MANOWAR sowieso) irgendwann auch wieder vorbei. Genauso steil ging ich noch auf „The Warning“, 1984 zur Tour mit
DIO veröffentlicht. Dann, noch bevor der unbestrittene QUEENSRYCHE-Klassiker schlechthin, „Operation Mindcrime“ 1988 erschien, war ich schon wieder weg. Bis vor kurzem.Gegenwärtig (aber nicht mehr lange) ist der geneigte Hörer in der Lage, nach einem heftigen Streit über die musikalische Ausrichtung der Formation, gleich zwei Bands diesen Namens zu goutieren, die fast zeitgleich neue Alben
auf den Markt warfen. Sangesmeister Geoff Tate tourt gemeinsam mit hochklassigen Lohnsklaven wie Rudi Sarzo oder Simon Wright, die schon in allen möglichen fetten Hardrockbands gespielt haben wie WHITESNAKE, THIN LIZZY, UFO, AC/DC, DIO, etc. und erfindet sich und QUEENSRYCHE im „progressiven“ Sinne immer neu; die Gründungsmitglieder Michael Wilton (Gitarre), Scott Rockenfield (Drums) und Eddie Jackson (Bass) sind mit dem CRIMSON GLORY-Sänger Todd la Torre unterwegs und lassen sich das Singen der Klassiker nicht verbieten. La Torre ist QUEENSRYCHE-Fan und kann, selten genug, Geoff Tate durchaus das Wasser reichen. Also ab nach Langen, solange diese Formation noch als QUEENSRYCHE durchgeht – im November klärt sich, welche der beiden Formationen in Zukunft auf den Namen verzichten muss.Blöderweise war in allen mir bekannten Rockmagazinen vermerkt, dass QUEENSRYCHE am 30. in München spielen. Das ließ eine leere Location in Langen befürchten, was erst mal nicht so schlimm ist, da man die moderne neue Halle leicht verkleinern kann. Beim Opener GLORYFUL aus Gelsenkirchen war
dann auch noch eine Menge Luft zwischen den Zuschauern, obwohl diese meines Erachtens gar nicht angekündigt waren und man gleich mit dem Support ALPHA TIGER hätten rechnen müssen. Mir schwante bei GLORYFUL erst mal Schlimmes: Der Name schon. Und überhaupt: Wenn QUEENSRYCHE für mich 2013 schon eine Kompromiss-Band sind, was ist dann von einer deutschen Band zu erwarten, die in deren Gefilden fischt? Und dabei hatte ich das klischeetriefende CD-Cover noch gar nicht gesehen…Vielleicht sollte ich ja mal an meiner Einstellung arbeiten. Tatsache ist: GLORYFUL haben mich von Song zu Song mehr begeistert. Der Frontmann Johnny la Bomba singt, äh, mehr als bombig, dabei souverän und eigen in Sound und Gebaren und ohne rumzuposen wie schon etliche vorher – die Gitarren rasiermesserscharf und trotz Power Metal-Attribute mit spürbaren
Blues-Roots – Herrschaften, Ihr habt einen neuen Fan. Als ich in der Pause die CD für’n lächerlichen Zehner erstand, tat ich das um die Band zu unterstützen; ging aber davon aus, dass die Songs auf dem Tonträger (wie so oft bei Debütalben) steril produziert sind und nicht mal ansatzweise an das Live-Geschehen erinnern. Stimmte auch nicht. Tolle Scheibe, traditionell, aber mit Spielfreude und guten Ideen.Das Cover finde ich immer noch scheiße, aber man soll ein Buch ja auch nicht nach dem Cover beurteilen. Treffender als in der last fm-Bio kann ich nach diesem Konzert GLORYFUL nicht beschreiben: „It might not appear to you as the next important musical progression, but Gloryful will definitely leave you with a smile!“ Aber sowas von!
Bei ALPHA TIGER (Foto unten) wurde es schon merklich voller – und meine frisch erworbene neue Einstellung trat langsam, aber sicher den Rückzug an. Die Band ließ mich (im Gegensatz zum Gros der Anwesenden, zugegeben)
ziemlich kalt, zumindest die ersten zehn Minuten lang. Dann gab ich ihnen keine Chance mehr – auf solchen Events wollen schließlich auch soziale Kontakte gepflegt werden. Und das tat ich dann, bis QUEENSRYCHE auf die Bühne kamen. Die, die ihr aktuelles Album mit dem neuen Sänger einfach mal nur „Queensryche“ nennen. Und die, nach dem Intro, loslegten mit „Queen Of The Reich“. Wenn das keine Ansage ist, dann weiß ich auch nicht mehr weiter.Das begeisterte Publikum, dass größtenteils im selben Jahrzehnt seine Metal-Sozialisation erfahren haben dürfte wie ich, ging komplett steil bei einem Programm, das bis auf zwei oder drei Stücke vom aktuellen Album nur Klassiker bis „Empire“ (1990) enthielt. Gegiftet gegen den Mitbewerber auf den Bandnamen wurde zum Glück nicht, La Torre blamierte sich nicht bei den Vorlagen und dem Rest der Musiker merkte man an, dass sie richtig Spaß hatten an diesem Abend. So wie ich.
Auch hier galt also, dass Innovationen woanders passieren – im Fall QUEENSRYCHE war solch eine Rückbesinnung anscheinend jedoch überfällig; und manchmal ist es einfach ein großes Fest, die Vergangenheit zu zelebrieren, zumal eine so wegweisende. Schauen wir mal, wie es weiter geht.
Links: http://www.queensrycheofficial.com, http://www.reverbnation.com/queensrycheofficial, http://www.lastfm.de/music/Queensryche, http://www.alphatiger.de/, https://myspace.com/alphatigerband, http://www.reverbnation.com/alphatigerband, http://www.lastfm.de/music/Alpha+Tiger, http://www.gloryful.net/, https://myspace.com/gloryful, http://www.reverbnation.com/gloryful, http://www.lastfm.de/music/Gloryful
Text & Fotos: Micha
Clips: am Konzertabend aufgenommen von zusatzadresse
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