Frankfurt, Juni 2024
Dass eine Band auf einem Wochenmarkt auftritt, ist ja schon mal ungewöhnlich. Und wenn diese dann auch noch die Klassiker der Rock-, Pop- und NDW-Geschichte in ein Punkrock-Gewand mit Ukulelen kleidet, schrillen für unseren Musikblog erst recht die Alarmglocken. Die fünfköpfige Frankfurter Formation RAKETEN JUNGS, bestehend aus Marc (Gesang), Sven (Ukulele), Kevin (Bass), David (Ukulele) und Tobias (Cajon) war Anfang Juni beim Marktplatzkonzert im Stadtteil Preungesheim zu sehen. Neben den Ständen mit feil gebotenem Käse, Fleischwaren, Gemüse, Obst, Bier und Bratwurst wurde das Quintett mit seinen Interpretationen legendärer Songs von MOTÖRHEAD und STEPPENWOLF bis hin zu den ÄRZTEN und der SPIDER MURPHY GANG schnell zur Attraktion für die großen und kleinen Marktbesucher. Nach dem Gig saßen wir mit drei der RAKETEN JUNGS für ein Interview zusammen.
Stellt die Band bitte mal kurz vor. Wie seid Ihr zusammengekommen?
Kevin: Also, zusammengekommen sind wir 2018. Das war noch lange vor dem ganzen Mist mit Corona. Wir hatten alle vorher schon in Bands gespielt, Death Metal, Thrash Metal, Punk, Hardcore, auch Dixieland und so. Die ganzen Bands sind irgendwie in die Brüche gegangen und wir waren musikalisch alle ein bisschen heimatlos. Wir waren alle miteinander befreundet und so kam die Idee auf, einfach gemeinsam Musik zu machen. Aber mit einem Konzept, das sich irgendwie rentiert. Also nicht mit einer Band, wo man mit einem vollgestopften Auto zu einem Gig fährt, wo dann kein Mensch ist. Genau deswegen haben wir die kleinen Instrumente gewählt, auch damit es im Auto nicht so voll ist.
Das hört sich sehr vernünftig an!
Kevin: Wir versuchen, den alten Musikerwitz umzudrehen, wonach man mit 5000 Euro-Equipment in einem 500 Euro-Auto zu einem 50 Euro-Gig fährt. Wir haben 50 Euro-Equipment in einem 500 Euro-Auto und würden gern zu einem 5000-Euro-Gig fahren. Wir arbeiten daran.
Sven: Und es gab heute Freibier. Das ist doch schon mal ein Anfang. Zumindest während des Gigs wurden wir prima versorgt. Wie es sich für eine Rockband gehört.
Eure Besetzung ist aber nicht unbedingt die einer klassischen Rockband.
David: Wir sind eigentlich eine klassische Rockband, nur halt mit Ukulelen.
Sven (empört): Natürlich sind wir eine klassische Ukulelen-Rockband, wenn man so will! Wo ist unsere Besetzung nicht klassisch? Wir haben zwei Ukulelen, die Rhythmus- und die Solo-Ukulele, die die zwei Gitarren einer normalen Rockband ersetzen. Zudem haben wir einen klassischen E-Bass und unser Schlagzeuger spielt eben die Cajon, die das so oft völlig überdimensionierte Schlagzeug von anderen „klassischen“ Rockbands minimalistisch ersetzt.
David: Siehst Du, klassischer Rock’n’Roll!
Kevin: Aber halt mit Ukulelen!
Wie seid Ihr eigentlich auf den Namen RAKETEN JUNGS gekommen? Der Name lässt nicht auf Ukulelen schließen, wie es zum Beispiel bei den meiner Meinung nach großartigen HULAPUNK aus Hamburg der Fall war.
Sven: Wir hatten einen Kasten Astra Rakete getrunken, als wir uns gegründet haben. Wir lassen uns übrigens auch sehr gerne sponsern.
Kevin: Die eigentliche Geschichte ist aber eher sentimental. Der Släsh (David, die Red.) und ich waren vor 20 Jahren mal in einem Surfcamp in Frankreich und haben abends immer mit unseren Ukulelen vor uns hin gespielt. Bei dem sehr emotionalen Abschied wurden uns die Worte: „Macht‘s gut ihr Raketen! Ihr seid so geil, tragt die Message der Ukulele in die Welt!“ hinterher gerufen. Als wir die Band dann gegründet haben, dachten wir uns, „Raketen“ muss irgendwie im Namen vorkommen. Die erste Geschichte ist aber viel marketingtauglicher, vor allem wenn uns die Astra-Brauerei gerade zuhört.
Seht Ihr Euch als Coverband?
Sven: Was heißt denn Coverband? Wir sind eine Cover-Punkband! Unsere Wurzeln sind im Punk und wir covern halt, da verfahren wir aber ähnlich wie andere „normale“ Rockbands.
Kevin: Wir scheißen auf alles, inklusive der Reputation. Also, wir machen die Arrangements selber. Wir spielen die Songs wie wir es wollen. Wir spielen eigentlich nur Songs, die wir geil finden. Und zwar so, wie wir sie noch geiler fänden. Okay, manche Songs sind auch schon so geil, dass wir sie so spielen, wie sie sind.
Sven: Unsere Songs gehen von Grindcore bis Neue Deutsche Welle. Alles kann man irgendwie dem Punk zuordnen. Und da wir alle generell mit der härteren Gitarrenmusik mehr zu tun haben, lag es nahe, eine Punkband zu gründen.
Das hört man hier und da auch raus. Was auch immer als Punk oder Punkrock definiert wird. Ich glaube, zum Beispiel GREEN DAY sind nicht mehr wirklich Punkrock zu nennen.
David: Wir versuchen aus Green Day in unserer Version wieder Punkrock zu machen.
Bei Eurem Gig heute gab es leider kein Merchandise. Ich hatte eigentlich erwartet, dass hier auf dem Wochenmarkt zumindest signierte Tomaten angeboten werden, mit denen man Euch bewerfen kann.
Kevin: Die standen auch lange Zeit hoch im Kurs, waren aber sehr schnell ausverkauft. Du warst schlicht zu langsam.
Ich habe aber auch keine Tomaten fliegen sehen. Da habt Ihr wohl doch zu gut gespielt.
David: Das ist richtig. Zum Werfen sind Tomaten auch zu schade. Wir sollten, wenn überhaupt, dann überreife Tomaten verkaufen.
Euer Sound klingt durchaus etwas hawaiianisch beeinflusst. Wie kommt man eigentlich von Hawaii nach Preungesheim auf den Wochenmarkt?
David: Wir sind mit dem Frachtschiff aus Panama gekommen. Wir sind in Panama gesuchte Straftäter und haben uns als blinde Passagiere versteckt. Man merkt uns unseren Akzent nicht an! Wir haben drei Wochen lang viel geübt und sind letzte Woche in Hamburg eingereist. Und inzwischen sind wir in Frankfurt.
Für nur drei Wochen sprecht Ihr aber schon ganz gut hessisch.
Kevin: Wir sind halt Sprachtalente.
Habt Ihr Euch schon an Handkäs und Äppelwoi gewöhnen können?
Kevin: Wir haben da in Panama so eine Delikatesse. Die heißt „Endquista“ und ist dem Handkäs recht ähnlich. Geht uns gut rein, lecker. Empfehlen wir auf jeden Fall weiter. Und Apfelwein kann man sehr gut dazu trinken!
Wo seht Ihr Euren Auftrag? Die Reputation der Ukulele wieder gerade zu biegen, der Entertainer Stefan Raab ja eher geschadet hat?
Kevin: Wir erteilen der Interpretation Raabs auf jeden Fall eine Absage. Also, diese Raabigramme! Unfug. Das ist nicht das, was wir machen. Wir behaupten stolz, dass Du mit Ukulelen, sprich mit kleinen Gitarren, große Rockmusik machen kannst.
David: Wir spielen auch nicht die sonst eher übliche, hawaiianische Stimmung. Wir spielen hier die amerikanische Stimmung.
Warum spielt Ihr amerikanische Stimmung? Weil Ihr mehr aus dem kalifornischen Surf kommt und heimlich Skater seid?
David: Nein, schlicht und ergreifend, weil die amerikanische Stimmung der klassischen Gitarrenstimmung näher ist und wir dadurch die Arrangements der Songs einfacher umsetzen können.
Auf dem Wochenmarkt zu spielen ist ja ein eher ungewöhnlicher Spot. Was habt Ihr sonst noch Skurriles erlebt, wo habt Ihr gespielt?
Kevin: Wir erleben dauernd Skurriles. Einfach, weil wir eine Punkband sind. Wir feiern gerne, sind open minded und dann gerät man einfach in funny Sachen rein. Etwa, als wir von einem Kneipenwirt nach unserem Gig noch in eine, in einem Wohnhaus untergebrachte Dorfdisco mitgenommen wurden, die nur freitags offen hat. Grüße an Lars an dieser Stelle! Oder in einem Naturfreundehaus im tiefsten Taunus stockbesoffen und verkatert aufzuwachen, und glaubt sich an Sachen zu erinnern, die aus einem skandinavischen Horrorfilm stammen könnten. Wir haben auch schon vor Trinkhallen gespielt. Was soll ich noch sagen? Wir leben am Limit. Wir sind eine Punkrockband.
Seid Ihr in der Ukulelen-Szene drin? Kennt Ihr zum Beispiel ISO Hedwigs? Das ist der singende, dänische Ukulelenspieler aus Frankfurt. Wird auch gern mal der Lümmel-Däne genannt.
Kevin: Nein.
Sven: Ich würde auch sagen, wir sind nicht mit drin.
Kevin: Auf dem Was?
Dem Ukulelen-Festival Obermoosen.
Kevin: Nein, aber wenn das Festival in Obermoosen von uns hören sollte, dann würden wir auf jeden Fall gern mal vorbeikommen und spielen. Jetzt kommt der Werbeblock: Wir spielen für einen Schlafplatz, Spritgeld und Verpflegung. Wobei die Verpflegung bei uns nicht günstig kommt, da die ja auch den Alkohol beinhaltet!
Gibt es eine Homepage von Euch?
Kevin: Wir haben Facebook und Instagram, wie man das halt im 21. Jahrhundert hat. Und ein paar Videos auf YouTube. Aber wir sind vor allem eine klassische Liveband, dass muss jetzt hier wirklich nochmal gesagt werden.
David: Da wir nur covern, sind Aufnahmen ein bisschen redundant.
Kevin: Studioaufnahmen wird es vorerst auch nicht geben.
Sven: Besser nicht…
Was wäre denn für Euch der geilste Auftritt überhaupt?
David: Wacken ist schon seit dem Tag der Bandgründung unser Ziel. Wir wollten schon immer in Wacken spielen und erzählen immer allen Leuten: Wenn ihr jemanden kennt, der jemanden kennt, der uns nach Wacken bringen kann, ruft uns an. Wir wollen auch nur auf der kleinen Biergartenbühne spielen. Für mich als Solokünstler hat es zumindest mal für einen Kurzauftritt vor einem Supermarkt in Wacken gereicht, bei dem ich mir einen Teil meiner Getränke mit Ukulelen-Coverversionen von Motörhead, Manowar und so weiter erspielen konnte.
Sven: Auf welcher Bühne in Wacken ist egal. Da sind wir ganz bescheiden.
Kevin: Wir spielen auch auf dem Campingplatz. Aber Hauptsache, wir stehen auf dem Wacken-Shirt!
Sven: Wir wollen nur die Shirts.
David: Und danach lösen wir uns natürlich auf!
Wie seht Ihr die aktuelle Musikszene in Frankfurt? Habt ihr was mit Radio X, dem Kick e.V. oder anderen Leuten zu tun, die ja versuchen die Frankfurter Musikszene zu supporten?
Kevin: Ich glaube, die haben uns leider noch nicht richtig wahrgenommen. Aber das ist nicht schlimm. Ändert sich vielleicht noch. Man kann ja seine Augen und Ohren nicht überall haben.
Dann wird es mal langsam Zeit.
David: Ich mag Radio, aber die Frankfurter Rockmusikszene finde ich als Fan handgemachter Musik leider noch ein bisschen zu schwach. Wir sind halt seit den Neunzigern immer noch eine elektronische Musikhochburg. Da sind wir in Frankfurt, im Gegensatz zu anderen Städten, etwas hinterher geblieben. Es gibt aber mittlerweile wieder mehr handgemachten Punkrock und so Sachen wie Metal und Hardrock. Es wird aber auch immer schwerer an bezahlbare Proberäume zu kommen. Da ist die Stadt in Zugzwang wie lauthals auf der Stadtverordnetenversammlung 2022 von ALLEN Parteien großmundig versprochen. An dieser Stelle: Steht auf! Nervt die Stadtverwaltung! Es ist unsere Stadt! Wer weiß was über den Fortschritt des Umbaus des Bunkers in Fechenheim? Nur eine Anmerkung meinerseits, aber wie ich hoffe, im Namen ALLER Musiker Frankfurts. Okay, ich schweife ab. Da geht der Anarcho in mir durch!
Wann sehen wir uns wieder?
Kevin: Das nächste Mal im Rhein/Main-Gebiet sind wir am Sonntag, 21. Juli, beim Flörsheim Open Air. Da dürfen wir den Frühschoppen verunstalten und spielen schon um 12 Uhr! Beim Bunkerfest des Höchster Kulturbunkers am 31. August sind wir auch dabei. Da dürfen wir sogar als Headliner spielen.
Sven: Die haben uns tatsächlich als Headliner gebucht. Keine Ahnung, was die geritten hat.
David: Also wenn ihr die Raketen Jungs entweder sehr früh oder sehr spät sehen wollt, wären das die nächsten zwei Termine in der Gegend.
Sven: Ansonsten versuchen wir mehr überregional aktiv zu werden.
Kevin: Wir wollen ja nach Wacken. Deshalb spielen wir auch nicht so oft in Süddeutschland, sondern lieber in Norddeutschland.
Ihr seht Euch als Punkband, das heißt alles ist DIY. Wie kommt Ihr an Gigs wie zum Beispiel den heutigen? Habt ihr ein Management?
David: Wir sind sehr freizügig mit unseren Kontakt- und Kontodaten.
Kevin: Wir machen alles, alles selber. Also man ruft uns an, man schreibt uns auf WhatsApp. Wir haben auch schon in Clubs gespielt oder in Läden, die uns auf Instagram gefunden haben. Wir geben nicht so viel auf Datenschutz. Da sind wir ziemlich offen.
Ich bedanke mich ganz herzlich für Eure Zeit und wünsche Euch viel R’n’R für die Zukunft!
Kevin: Wir bedanken uns.
Alle: Danke an Euch!
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Interview: Ramon
Fotos (aufgenommen am 7.06.2024 auf dem Wochenmarkt Preungesheim): Kai