Mousonturm, Frankfurt, 1.02.2016
„Wer sind die RESIDENTS?“ ist eine Frage, die Fans, Musikhistoriker und Verschwörungstheoretiker bereits seit Dekaden beschäftigt. Zwar ist bekannt, dass sich die Band Ende der 1960er Jahre in San Francisco gründete und bis heute über 60 Veröffentlichungen vorzuweisen hat. Doch wer sich hinter den Masken verbirgt, mit denen die Amerikaner seit jeher auftreten, weiß bis heute kaum jemand. Vermutungen, dass es sich um Mitglieder der BEATLES oder der ROLLING STONES handeln könnte, die hier ihre avantgardistische Ader ausleben, gab es bisher ebenso wie die Annahme, dass THE RESIDENTS eine okkulte Hippie-Sekte sind, deren Jünger ein paar Trips zu viel geworfen haben. Seit den Siebzigern fungiert die sogenannte „Cryptic Corporation“ als Management und Sprachrohr der Combo, von der ebenfalls vermutet wird, dass es sich um die Mitglieder der RESIDENTS handeln könnte.
Fraglich ist indes, ob überhaupt noch jemand der Musiker mit von der Partie ist, die das Projekt in den Sechzigern ins Leben riefen, da diese mittlerweile die 70 längst überschritten haben müssten. Kurzum, es ranken sich viele Mythen und Mysterien um die RESIDENTS und genauso rätsel- und wundersam ist ihre Musik. Die ungewöhnliche Mixtur aus sphärischen elektronischen Klängen, psychedelischen Gitarrensounds und dem charismatischen Sprechgesang hat bereits renommierte Acts wie DEVO, PRIMUS, WEEN und YELLO maßgeblich beeinflusst und darüber hinaus inspiriert, neue musikalische Wege zu gehen.
Anlässlich des 40-jährigen Bühnenjubiläums startete die Formation 2010 ihre dreiteilige „Shadowland“-Tour, bei der seither alte Klassiker in neuem Gewand präsentiert werden. Thematisch wurden die Touren den Themen Geister und Tod (erste Tour), Liebe und Sex (zweite Tour) und schließlich Geburt, Wiedergeburt und Reinkarnation (aktuelle Tour) unterteilt. Auftritte von THE RESIDENTS sind dabei weitaus mehr als bloße Musikdarbietungen, es sind psychedelische Rock-Opern, die nicht nur Show- sondern auch Handlungs-Elemente bieten. Anders als bei den bisherigen Malen, bei denen ich die Gruppe im Mousonturm erlebt habe, war diesmal die Tribüne im großen Saal komplett ausgefahren und der ganze Zuschauerraum bestuhlt, was das Theaterfeeling noch intensivierte.
Mit von der Partie waren diesmal nur drei Musiker, die unter den Namen Randy, Chuck und Bob firmierten, wobei Sänger Randy gleich zu Beginn verlauten ließ, dass Chuck sich mittlerweile zur Ruhe gesetzt habe und nun Rico statt seiner die Keyboards bediene. Das Trio hatte sich nebeneinander in der psychedelischen Schachbrettmuster-Landschaft platziert, über dem Frontmann schwebte zudem ein weißer Ball, auf den nach etwa jedem dritten Song ein Mensch mit Totenschädelmaske projiziert wurde, der von seinem Ableben, seinem Leben nach dem Tod oder seiner Reinkarnation in einen anderen Körper erzählte.
Die Einspielungen waren kurz, aber stimmungsvoll und wurden meist vom Sänger mimisch untermalt. Dieser präsentierte sich zunächst mit einer Teufelsmaske, legte diese aber nach dem ersten Song mit den Worten „Surprise, Surprise“ ab, nur um darunter eine weitere Maske zu enthüllen. Überhaupt war er diesmal äußerst skurril gekleidet. Hatte man anfangs den Eindruck, dass er nur in Unterhose und weißem Frack-Oberteil auf der Bühne stehen würde, so wurde beim genaueren Hinsehen deutlich, dass er darunter einen Ganzkörperanzug mit aufgemalten Muskeln trug, mit dem er sich mal lethargisch und schleichend, mal koboldartig und sehr agil bewegte. Wie ein 70-Jähriger wirkte der Frontmann dabei nicht, doch wer weiß, vielleicht hält das Klima in San Francisco ja extrem jung.
Die Köpfe der beiden Musiker waren hinter Alien-Masken verborgen, die klassischen Augapfel-Masken mit Zylinder kamen diesmal nicht zum Einsatz. Musikalisch wurde bis auf zwei Ausnahmen das komplette „The Bunny Boy“-Album aus dem Jahr 2008 dargeboten, das eines der Highlights der RESIDENTS-Diskografie darstellt, wobei viele Songs anders arrangiert waren und man sie oftmals erst nach Minuten wiedererkannte. Der düstere Psychedelic-Jazz-Pop harmonierte perfekt mit dem Bühnenbild und dem Outfit der Musiker. Nie wurde ein Ausflug ins Wunderland musikalisch stimmungsvoller begleitet und nie war es einfacher, auch ohne wahrnehmungsverändernde Mittel eine psychedelische Erfahrung zu machen. Wenn man sich allerdings auf den Rängen umschaute, so wurde schnell klar, dass andere Zuschauer, die in sich gekehrt auf dem Sitz hin- und herwippten oder mit geschlossenen Augen und ausgebreiteten Armen auf den Sitzen lagen, wahrscheinlich doch etwas nachgeholfen hatten, um ins Shadowland zu gelangen. Nach etwa einer Stunde war der reguläre Set vorüber, dem allerdings noch eine Zugabe folgte.
Auch diesmal waren THE RESIDENTS ein Garant für ein intensives Konzert-Erlebnis, und dies akustisch wie visuell. Ich habe die Band am gestrigen Abend zum dritten Mal erlebt und wurde wie die Male davor auch diesmal wieder überrascht. Die RESIDENTS sind ein Stück Musikgeschichte, das sich auch im Jahr 2016 noch neu zu erfinden versteht.
Links: http://www.residents.com/, https://www.facebook.com/TheOfficialResidents/, https://myspace.com/theresidents, https://residents-the.bandcamp.com/, http://www.last.fm/music/The+Residents
Text & Fotos: Marcus
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