Das Bett, Frankfurt, 15.03.2014
Es waren gewiss keine Kirchgänger, die am gestrigen Abend dem Ruf eines Schweizer Predigers in den Frankfurter Club „Das Bett“ gefolgt waren, um dessen Rock’n’Roll-Messe beizuwohnen. REVEREND BEAT-MAN ist sowohl Kopf der Band THE MONSTERS als auch Betreiber des kleinen, aber feinen Voodoo Rhythm-Labels und steht als Solokünstler für eine skurrile Mischung aus Trash-Kabarett, Graveyard-Gospel, Garage- Blues und Besessenheit. Und auch wenn es musikalisch sicherlich vergleichbare One-Man-Acts gibt, so hat der BEAT- MAN doch seine ganz eigene Nische gefunden. Während HAUNTED GEORGE beispielsweise als singender Crypt-Keeper durch die Lande tourt und DEAD ELVIS den auferstandenen Leichnam des Kings mimt, schlüpft der Eidgenosse in die Rolle eines Predigers, der die Botschaft seiner Blues Trash Church verkündet.
Angefangen hat alles im Jahre 1986, als BEAT-MAN die besagten MONSTERS ins Leben rief, 1994 und 1998 folgten zwei Alben unter dem Namen LIGHTNING BEAT-MAN, die thematisch vom mexikanischen Lucha-Libre-Wrestling beeinflusst waren. 1999 fand der Mann aus Bern schließlich seine wahre Berufung, legte Soutane und Kollar an verkündet seither mit Songs wie „Fuck You Jesus, Fuck You, Oh Lord“ und „I’ve Got the Devil Inside“ den Gospel des Leibhaftigen.
Etwa 150 Gläubige hatten sich im „Bett“ eingefunden, der Saal war gut gefüllt, platzte aber dennoch nicht aus allen Nähten, wie es bei den letzten Konzerten im Dreikönigskeller und im Ponyhof der Fall war, bei denen REVEREND BEAT-MAN zwar prima zu hören, aber in den hinteren Reihen nicht unbedingt gut zu sehen war. Dieses Problem ergab sich diesmal nicht. Er thronte auf der ohnehin hohen Bühne zusätzlich noch auf einem Drum- Podest und schaute daher wie von einer Kanzel auf seine Schäfchen nieder. Die zeigten sich bunt gemischt: Neben Rockabilly- und Garage-Fans fanden sich Punks und sogar einige Gothic-Anhänger im Publikum wieder, was aber der Tatsache geschuldet sein mochte, dass nach dem Konzert die schwarze DJ-Veranstaltung „Nacht der Maschinen“ stattfinden sollte.
Die Stimmung war gut, die Halle präsentierte sich in schummriger, roter Beleuchtung und als Chopins Trauermarsch vom Band erklang, betrat der charismatische Wanderprediger schließlich in standesgemäßer Robe seine Kanzel und eröffnete mit dem Song „Get On Your Knees“ die Messe. Der
Rock’n’Roll-Veteran betätigte fortan gleichzeitig Kick-Drum und Hi-Hat, spielte E-Gitarre und sorgte mit seinen Reibeisen-Vocals dafür, dass die rote Beleuchtung vor den Augen der Besucher zu den Feuern der Hölle wurde.Die nachfolgenden Songs rekrutierten sich überwiegend aus den bisherigen vier REVEREND BEAT-MAN-Alben, die ihre musikalische Inspiration aus dem Werk von Künstlern wie Howlin‘ Wolf, Carl Perkins und Screaming Jay Hawkins ziehen, wobei der BEAT-MAN-Sound ob seiner primitiven und originären Art sogar vermeintlich harte Punk-Bands vor Neid erblassen lassen dürfte.
Doch treibende Blues-Riffs und der manische Gesang machten nur einen Teil der Klasse seiner Performance aus. Im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern, besonders aus dem Rockabilly- und Psychobilly-Genre, die sich allzu ernst nehmen, ließ der Berner eine gehörige Dosis Humor in seine Darbietung einfließen. Ob mit Ansagen wie „Das, was Ihr hier seht, ist ADHS in Person!“ und „Ich finde es immer wieder erstaunlich, wieviel Leute kommen, um sich solchen Krach anzuhören!“ oder mit dem Inzest- Blues „I See the Light“ und mit der skurrilen Interpretation von Carl Perkins‘ „Blue Suede Shoes“, die halb pantomimisch vorgetragen wurde – es wurde zu keiner Zeit langweilig und der BEAT-MAN überraschte stets mit neuen, wahnsinnigen Facetten seiner Persönlichkeit.
Wegen seiner teuflischen, nahezu fratzenhaften Gesichtsausdrücke hatte man nicht selten den Eindruck, dass der
Teufel persönlich Besitz von ihm ergriffen hatte und nun durch ihn sprach. Exorzismus-Experten des Vatikans hätten vermutlich umgehend ein Ritual der Austreibung durchgeführt. Höhepunkt der Show war für mich einmal mehr der Song „The Beat-Man Way“ vom ersten „Surreal Folk Blues Gospel Trash“-Album, der quasi die gesamte Lebens- und Leidensgeschichte des Predigers erzählt.Ich hätte dem Mann auf der Kanzel noch lange zuhören können, doch wie erwähnt sollte im Anschluss noch eine Disco-Veranstaltung stattfinden, sodass der Auftritt wohl etwas kürzer ausfiel als beim Rest der Tour. Die Setlist wies immerhin noch gut zehn Songs auf, die nicht gespielt wurden. Es war dennoch ein erleuchtendes Erlebnis, den sympathischen Schweizer mal wieder live zu erleben.
Bei Bedarf konnte man den BEAT-MAN übrigens auch mit nach Hause nehmen. Am Merchandise-Stand – und außerdem neben ihm auf der Bühne – stand ein geöffneter, etwa 75 Zentimeter großer Holz-Sarg, der neben der aktuellen 10-Inch-EP „Poems from the Graveyard“ auch eine eindrucksvolle Beat-Man- Figur in Gartenzwerggröße enthielt. Mit stattlichen 25 Kilogramm
Gewicht dürfte das eine der schwersten Special-Editions aller Zeiten sein. Die auf nur 100 Stück limitierte Auflage hatte allerdings auch ihren Preis: 225 Euro mussten die Jünger der Blues Trash Church für ihren ganz persönlichen Beat-Man-Altar hinlegen. Dennoch sah man nach dem Ende der Show einige Sünder den Saal mit Kindersarg unterm Arm verlassen. Wenn ich das nötige Kleingeld dabei gehabt hätte, hätte ich auch zugegriffen, auch wenn sich der Transport auf dem Fahrrad sicher schwierig gestaltet hätte. Doch auch ohne Sarg-Souvenir war es ein großer Abend eines Predigers, dessen Kirche ich jederzeit gern wieder unterstütze.Links: http://www.voodoorhythm.com/reverend.html, https://myspace.com/reverendbeatman, http://www.reverbnation.com/reverendbeatman, http://www.lastfm.de/music/Reverend+Beat-Man
Text: Marcus / Fotos & Clip: Kai
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