Elfer Music Club, 28.06.2013
Ich muss gestehen, dass es nicht die Band war, die mich am gestrigen Abend in den Elfer Music Club zog. Es war die Tatsache, dass dessen Kneipe am morgigen Tage für immer ihre Pforten schließen würde. Und da ich an diesem Ort viele Leute getroffen, viele Biere getrunken und vor allem gut ein Dutzend Mal den 23. Dezember – den Tag des traditionellen PETER AND THE TEST TUBE BABIES-Auftritts in der Batschkapp – dort verbracht hatte, wollte ich einer der schönsten Club-Kneipen Frankfurts noch einmal die letzte Ehre erweisen und dies mit einem Konzertbesuch verbinden. Glücklicherweise finden im kleinen Keller noch einige wenige Shows statt, bevor der gesamte Laden im September in Sachsenhausen neu eröffnet.
Von RISE OF THE NORTHSTAR hatte ich ehrlich gesagt nie zuvor gehört, der obligatorische Blick auf die Website lieferte aber immerhin die Erkenntnis, dass es sich um eine Hardcore-Band aus Frankreich handelte. Hardcore
und Frankreich? Das ist ungefähr so wie Black Metal aus dem Vatikanstaat, machte die Sache aber umso reizvoller. Im Elfer angekommen fiel zunächst auf, dass meine Begleiter und ich den Altersschnitt des Publikums deutlich nach oben pushen würden. Im Club hatten sich etwa 50 bis 60 Kids versammelt, von denen kaum eines die 30 überschritten hatte, die meisten dürften zwischen 17 und 25 gewesen sein und offensichtlich ein Abo im Piercing-Shop abgeschlossen haben, denn Plugs in den Ohrläppchen gehörten zum Pflichtprogramm. Zudem fiel mir auf, dass wir die einzigen waren, die mit Alkohol ausgerüstet waren, bei allen anderen war Wasser angesagt. Und da sage einer, die Jugend habe ein Alkoholproblem.Doch nun zur Band. Die hatte inzwischen die Bühne erklommen und war am Wüten, wobei das Ganze äußerst seltsam anmutete. Die Franzosen lehnten sich nämlich optisch an SUICIDAL TENDENCIES (Bandanas, Baseballmütze, kurze Hosen und weiße Thrombose-Strümpfe) an, lieferten musikalisch aber eher ein New York-Hardcorebrett Marke BACKTRACK oder WISDOM IN CHAINS ab. Damit nicht genug, beschreibt die Gruppe selbst als wichtigsten Einfluss die japanische (Manga-) Kultur, was sich – wenn man es weiß – ebenfalls im Kleidungsstil und den Accessoires der Band (wie z. B. dem Mundschutz des Gitarristen) widerspiegelt.
Suicidal Style, NYHC und japanische Mangas? Das klingt nicht nur wie eine Mixtur, die nicht recht zusammen passen will, es bot sich auch optisch so dar. Und so schauten wir uns denn ein ums andere Mal verdutzt und unwissend an, ob die das auf der Bühne tatsächlich ernst meinen oder ob es alles nur eine Parodie auf gängige Hardcore-Klischees ist. Ich weiß es bis heute nicht, fest steht aber, dass die Jungs die Bude rockten und sich
das junge Publikum vor ihnen in eine Horde ADHS-kranker Autisten verwandelte, die plötzlich seltsame Breakdance-Bewegungen und Besessenheitstänze vollführte. Wie man mich später aufklärte, wird dieses Phänomen mit dem Begriff „Violent Dancing“ bezeichnet – wieder etwas Sinnloses dazugelernt.Wie gesagt, musikalisch war das ein brachiales Brett, Hard- & Metalcore meets Tough-Guy-Gepose im Bruce Lee-Stil, optisch musste man sich erst an die Band gewöhnen. Und wenn Sänger Super Vegithia mal nicht brüllte, dann sorgte er mit wuchtigen Karate-Moves für Begeisterung und trieb das Publikum zu immer neuen Höchstleistungen an. Englische Ansagen, stets artikuliert mit starkem französischen Akzent, wie: „We wante ai cyrcle pit, righd now!“, wurden vom tobenden Mob umgehend in die Tat umgesetzt, so dass wir tatsächlich staunende Zeugen eines Circle Pit im Elfer wurden.
Alles in allem ein seltsamer letzter Abend, der uns aber noch lange Zeit in Erinnerung bleiben wird. Wer Hardcore und all seine Klischees mag und zudem rhythmischer Sportgymnastik nicht abgeneigt ist, dem sei diese Band, oder zumindest der Besuch eines Konzertes von RISE OF THE NORTHSTAR, dringend empfohlen. Und wenn die Jungs ihren Stil auch weiterhin so konsequent verfolgen, dann könnte ihnen dieser Exotenbonus vielleicht dazu verhelfen, mal eine ganz große Nummer zu werden. Denn sie kommen ja dummerweise aus Frankreich…
Links: http://www.riseofthenorthstar.com/, https://myspace.com/riseofthenorthstar, http://www.reverbnation.com/riseofthenorthstar, http://www.lastfm.de/music/Rise+of+the+Northstar, http://riseofthenorthstar.bandcamp.com/
Text, Fotos & Clip: Marcus
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