RÖDELHEIMER MUSIKNACHT 2016 – Ein Streifzug, Teil 1

Rödelheim, Frankfurt, 21.05.2016

B-Flexible & 1SichtAuftritte von 60 Bands und Solisten an 30 Spielstätten an einem Abend – das stellt in Frankfurt nur der Stadtteil Rödelheim auf die Beine, und zwar 2016 zum nunmehr sechsten Male im Rahmen der Musiknacht. Natürlich kann man sich nicht zerteilen und muss aus dem Füllhorn des Dargebotenen eine Auswahl treffen. Nach Studium des Programmheftes ist die Marschroute klar: Musikrichtungen von Rock bis Folk, auch Songwriter und Klangpoeten sollen es sein. Das Wort Marschroute habe ich übrigens absichtlich gewählt: Rödelheim ist zwar nicht Frankfurts größter Stadtteil, aber auch nicht so klein, dass manche Veranstaltungen nur einen Steinwurf voneinander entfernt wären. Die von mir Ausgeguckten jedenfalls nicht. Also: Schuhe frisch besohlen oder, wenn möglich, den Drahtesel satteln.

Be-PoetMeine erste Station: Die One-Man-Show von Be-Poet an der Apotheke nahe des S-Bahnhofs. Der hosenträgerbewehrte Künstler beginnt seine erste von zwei Performances an diesem Abend pünktlich um 17 Uhr. In der Folgezeit wird mir durch zahlreiche Wiederholungen unter anderem eingehämmert, dass „Frankfurt ein Durchlauferhitzer“ sei und „ein Tag mit Dir am See so schön“. Dazu klangliche Experimente am Keyboard, hier Kaosilöator genannt. Mal mehr, mal weniger rhythmisch. Im Schaufenster der Apotheke neben Be-Poet steht auf einem Werbeplakat „Blähungen, Krämpfe, Völlegefühl?“. Kriege Be-Poetich die? Brauche ich medikamentöse Behandlung? Nein, noch nicht. Die Apotheke ist eh geschlossen. Die Elektro-Soundpoetry ist zwar weniger mein Ding, hat aber skurrilen Charme und ist für Freunde lyrischer Ergüsse zwischen subtil und salopp durchaus interessant. Weiter so. Das gilt auch für mich. Der Abend ist lang und es gibt viel zu sehen auf den Straßen und Hinterhöfen von Rödelheim.

Mein nächstes Ziel ist der AWO-Jugendladen in Alt-Rödelheim. Dort stellt sich ein weiterer Einzelkämpfer dem flanierenden Fußvolk vor: Herr Ebu. Doch bevor ich mich dessen Sangeskunst widmen kann, komme ich auf dem Bahnhofsvorplatz an einem betagten Lkw vorbei, auf dessen Ladefläche sich fünf in knallrote Overalls gewandete Musiker/innen tummeln. Bei der Truppe handelt es sich, Fritz deutschland banDwie auf der umgeklappten Seitenwand steht, um die Fritz deutschland banD. Das Quintett rockt sich überwiegend durch lokale Themen, hat aber auch (etwas platte) Texte wie „Don’t forget to rock, don’t forget to fuck“ im Repertoire. Dennoch: Die Truppe im Rotmann, Hausband der Künstlerkommune Fritz deutschland e.V., kommt ganz sympathisch rüber und ihre mobile Bühne ist allemal ein Hingucker.

Dann zu Herr Ebu: Er ist einigen Musikfreunden vielleicht bekannt als Bassist der HACKE PETERS, über die wir in diesem Blog auch schon berichtet haben. Doch viel länger schon währen seine Soloaktivitäten, die er nach seinem Ausstieg bei der Band 2015 nun intensiver vorantreibt. Dabei gehen Musik und Herr EbuTexte in Richtung der klassischen Singer und Songwriter. Gespielt wird die Akustikgitarre, gesungen (mit wenigen Ausnahmen) auf Deutsch. Das Spektrum seiner Texte reicht von nachdenklich-verträumt bis augenzwinkernd-böse. Während seines Auftritts versucht Herr Ebu beim Publikum einen mehrstimmigen Kanon mit den Zeilen „Heirate nicht, das Leben ist zu schön“ ans Laufen zu bringen, was jedoch bei einem Straßenkonzert naturgemäß nur im Chaos enden kann. Woraufhin sich Herr Ebuder Entertainer erstmal der Länge nach auf das Pflaster legt, um sich von einer singenden Menschenmeute „wieder wecken zu lassen“. Richtig lustig wird es, als das Stück „Alles kurz und klein haun“ gegeben wird, das sich auch stets auf der Setlist der HACKE PETERS-Shows befindet. Auf die mehrfach vorgetragene Zeile „In Wahrheit bin ich ein Arschloch!“ darf das Publikum dem Sänger das letzte Wort entgegen brüllen, was sich insbesondere ein paar eher zufällig vorbei gekommene Schulkinder natürlich nicht nehmen lassen. Endlich mal ordinär sein, ohne gleich was auf die Finger zu kriegen… Danke, Herr Ebu, das hat Spaß gemacht.

Frankfurter BeschwerdechorNächste geplante Station: Auftritt der Rockband K.O.D. in Mike‘s Sportsbar im Zentmarkweg. Komisch, die Straße hat im Programmheft gar keine Hausnummer, und sie ist nicht gerade kurz. Naja, werd’s schon finden… Erstmal wieder rüber über die Rödelheim in zwei teilende Bahnlinie. Unterwegs fällt mir eine Menschenansammlung, bestehend aus älteren Damen- und Herrschaften, ins Auge. Vor ihr, mit dem Rücken zum Publikum gewandt, steht jemand in einem feuerroten Hemd. Frankfurter Beschwerdechor ist darauf zu lesen. Der Mann heißt, wie ich mir später anlese, Philipp Höhler und ist seit 2011 der Dirigent der heute mit Frankfurter Beschwerdechoretwa zwei Dutzend Menschen angetretenen Truppe, die nicht mehr ganz neue Probleme in der Stadt wie die Wohnungsnot ebenso aufs Korn nimmt wie überregionale, tagesaktuell politische Themen. Im vielstimmigen Chorgesang geschmetterte Zeilen wie „Mir geht’s schlecht, wenn Frau Merkel den Erdogan trifft“ lassen die Umstehenden verweilen und schmunzeln. Amüsant.

B-Flexible & 1SichtDann weiter die Westerbachstraße runter, später rechts. Vorbei an vielgeschossigen Wohnblocks, bis inmitten einer Mischung aus Parkplatz, Betonplatte und Grünanlage schließlich Mike’s Sportsbar auftaucht. Es ist in dieser etwas unwirtlich erscheinenden Gegend das einzige Gebäude, in dem etwas Anderes außer Wohnen stattfindet. Nun weiß ich, warum die Bar keine Hausnummer hat – sie braucht keine. Viele B-Flexible & 1SichtTattoofreunde warten mit Basecap- und Muskelshirt-Trägern auf die Band, ein Hund trägt ein Halsband mit der Aufschrift „Kampfschmuser“, das große Pils wird zu 1,50 Euro an die Umstehenden gebracht.

Musikalisch erwartet mich eine Überraschung: Nicht die laut Plan angesetzten K.O.D. stehen auf der Paletten-Bühne, sondern eine Hip-Hop-Formation namens B-Flexible & 1Sicht. Auf Nachfrage erfahre ich, dass beide Combos ihre Stagetime getauscht haben.

Ich kann nicht sagen, dass ich viel Ahnung von Hip-Hop habe, aber hey, was da nun kommt, das ist richtig gut. Sound und Atmosphäre passen von Anfang an, Frontmann B-Flexible trägt seine Texte über Freundschaft, Respekt und B-Flexible & 1SichtZusammenhalt die meiste Zeit des Auftritts weit vor der Band auf dem Asphalt stehend vor, während 1SICHT den perfekten Klangteppich samt zwei zusätzlichen Gesangsstimmen liefert. Da schleicht mir während des Auftritts doch tatsächlich ein ums andere Mal Gänsehaut über den Rücken – ich glaube, authentischer als in dieser Ecke B-Flexible & 1SichtFrankfurts kann man Hip-Hop nicht erleben. Kein Wunder, dass in diesem Stadtteil einst die Keimzelle für spätere Rap-Stars wie Moses P oder sein Rödelheim Hartreim Projekt lag, das über die Grenzen Frankfurts hinweg in ganz Deutschland bekannt wurde. Wer weiß, vielleicht gelingt B-Flexible & 1SICHT ein solcher Sprung ja auch. Zu wünschen wäre es Ihnen.

Der Uhrzeiger ist inzwischen auf 20 Uhr vorgerückt. Doch die Rödelheimer Musiknacht ist noch lange nicht zu Ende. Die Fortsetzung findest Du hier.

Links: http://www.bepoet.de/, http://www.fritzdev.de/fritzdeutschlandband.html, https://de-de.facebook.com/herrebu1, http://www.frankfurter-beschwerdechor.de/, http://www.bflexible.de/, https://www.facebook.com/bflexibleffm/, https://www.facebook.com/1Sicht/

Text, Fotos & Clip: Stefan

Alle Bilder:

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