Mousonturm, Frankfurt, 24.01.2014
„Who the fuck is RUMMELSNUFF?“, dürften sich einige Leser beim Sichten dieser Konzert-Review fragen. Bis vor drei Jahren ging es mir ähnlich, dann stolperte ich zufällig über eines der vielen skurrilen Videos der Fleisch gewordenen Popeye-Inkarnation und wurde neugierig. Was war es, das meine kranken Pupillen da erblickten? Ein rechter Propagandist, ein fanatischer Körperästhet oder ein Lederkerl mit Hang zum Exhibitionismus? Nichts von alledem ist richtig, am wenigsten, dass der gebürtige Sachse etwas mit Nazis am Hut hat. RUMMELSNUFF ist vielmehr eine Kunstfigur, die 2004 entstanden ist und auf inzwischen vier Alben „derbe Strommusik“ mit proletarischen Texten zelebriert. Musikalisch treibt der musizierende Muskelmann aber bereits seit 1987 sein Unwesen und spielte seither in Punk-, Dark Wave- und Avantgarde-Projekten, in denen er sich als Keyboarder, Fagott-Spieler und Sänger betätigte.
Mit RUMMELSNUFF hat der als Roger Baptist geborene Wahl-Berliner aber inzwischen seine Bestimmung gefunden. Bereits im vergangenen Jahr gastierte er im Frankfurter Club Nachtleben, damals hatte ich ihn allerdings verpasst.
Zunächst einmal konnte ich feststellen, dass ausverkauft nicht gleich ausverkauft heißt. Während man in einer ausverkauften Batschkapp – oder noch schlimmer in der Wiesbadener Räucherkammer – Platzangst und Atemnot erleiden muss, war es im Studio doch noch recht luftig, was angenehm war. Das Publikum präsentierte sich bunt gemischt: Einige waren im Unterhemd-Arbeiter-Look erschienen, andere trugen LAIBACH- und DAF-Shirts und sogar einzelne Punk- und Metal-Fans waren zu erkennen. Natürlich durfte auch die Hipster-Fraktion nicht fehlen, die vermutlich durch hippe Sendungen wie „Polylux“ oder Beiträge im Feuilleton der F.A.Z. auf den Künstler aufmerksam wurde.
Was nun folgte, sollte eines der ungewöhnlichsten und skurrilsten Konzerte sein, das ich bisher erleben durfte, wobei der Begriff „Konzert“ das Dargebotene eigentlich nur teilweise beschreibt. Das Ganze mutete vielmehr wie eine
minimalistische Electropunk-Variante der Dreigroschenoper an oder wie eine Reeperbahn-Revue, die ihrer Zeit weit voraus ist. Doch der Reihe nach: Als das Licht gedimmt wurde, betrat zunächst die zweiköpfige Mannschaft von Käpt’n Rummelsnuff die Bühne, die sich an diesem Abend aus Maat Christian Asbach, eigentlich Regisseur, Kunst- und Kulturwissenschaftler, und Häusi Eisenkumpel rekrutierte.Häusi sollte fortan den Laptop bedienen, der den Klangteppich für die einzelnen Songs lieferte und Maat Asbach fungierte als zweiter Sänger, der im Gegensatz zum sonoren Seemannsgebrumme des Kapitäns diverse höhere Tonlagen bediente. Los ging’s sehr stimmungsvoll mit dem von Asbach vorgetragenen „The Partisan“, einem
im Jahr 1943 entstandenen Stück, das den französischen Partisanen im Zweiten Weltkrieg huldigt. Folk- Rock-Fans dürften eventuell die bekannten Interpretationen von Leonard Cohen, Joan Baez oder 16 HORSEPOWER bekannt sein. Das Ganze wurde a capella vorgetragen und sorgte für eine andächtige Stille im Zuschauerraum. Im Anschluss betrat Rummelsnuff die Bühne und bedankte sich artig für das zahlreiche Erscheinen. Bereits hier wurde klar, dass die martialischen Bilder, die man von dem Muskelprotz kennt, ein ganz falsches Bild vermitteln. Der Mann ist nämlich kein aggressiver Proll, wie man vielleicht vermuten könnte, sondern ein bescheidener und äußerst sympathischer Zeitgenosse, der die Anwesenden als Kumpel, Verzeihung, Mannschaft seines Kutters betrachtete, der nun in See stach.Als Kontrast zum Opener folgte mit „Der Gerüstbauer“ ein typischer RUMMELSNUFF-Working-Class-Track, in dem er der besagten Innung huldigt, im weiteren Verlauf des Abends sollte auch „Der Schrauber“ noch zu musikalischen Ehren kommen. Doch zunächst blieb es abwechslungsreich, denn der Käpt’n sorgte, stets in dichten Küstennebel gehüllt, mit allerlei Gimmicks und immer neuen schrägen Songs für stetige Variationen. Dabei kamen neben Matrosenmützen und Kopfbedeckungen der Roten Armee auch Wolf- und Schweine-Masken zum Einsatz. Doch nicht nur optisch wurde
was geboten, auch klangtechnisch gab es einige Überraschungen. Beispielsweise schnallte sich Christian Asbach für einen Song einen Bass um, der für „ordentlich Krach“ sorgen sollte, wobei ich den Eindruck hatte, dass der Gute ihn gar nicht spielen konnte, bei einem anderen Lied agierte Rummelsnuff mit einem Horn. Weitere Highlights waren ein Robotertanz von Rummelsnuff und Häusi beim DAF- Sing-Alike „Machen wir den Tanz“ und Liegestützeneinlagen (einarmig natürlich) von Häusi.Als Coversong stand das gut interpretierte „Mongoloid“ von DEVO auf dem Programm, aber auch Stücke wie „Azzurro“ und „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“, die zum Ende des Gigs die bis dahin an bizarres Hafen- Varieté erinnernde Darbietung ein wenig auf Ballermann-Niveau sinken ließ. Das war schade, ist aber natürlich eine Möglichkeit, auch Schlager-, Sauflied- und Oberbayern-Fans für die Konzerte zu begeistern. Anders ist es nicht zu erklären, dass das neue Album „Kraftgewinn“ unter anderem Kooperationen mit Bela B., Luci van Org und dem Falco-Liederschreiber Steve van Velvet enthält. Es bleibt
zu hoffen, dass der Käpt’n nicht auf einem größeren Dampfer anheuert und fortan als Pausenclown im Privatfernsehen zu sehen ist.Mir hat das Konzert dennoch gefallen, nicht unbedingt wegen der Musik, die man als minimalistische Electro/ NDW bezeichnen kann, sondern hauptsächlich aufgrund der äußerst skurrilen Show und der Bühnenpräsenz des Käpt’ns, die jeden Freund ungewöhnlicher Auftritte, sei es von GWAR, HELGE SCHNEIDER oder THE VOLUPTUOUS HORROR OF KAREN BLACK, begeistern dürfte. Einsteigern ins RUMMELSNUFF-Universum seien der fantastische Videoclip zum Song „Freier Fall“ empfohlen, bei dem auch der kanadische Garage-Rocker King Khan zu sehen ist sowie die aktuelle Scheibe, die einer Wundertüte gleich etliche Überraschungen bereithält. In diesem Sinne: Ahoi Käpt’n, komm bald wieder!
Links: http://rummelsnuff.com/, https://myspace.com/rummelsnuff, http://www.lastfm.de/music/Rummelsnuff
Text & Fotos: Marcus
Clip: aufgenommen am Konzertabend von VodkaViolator
Mehr Bilder:
Ich hatte einige Konzertfotos geschossen und danach ein persönliches Fotoshooting-Date mit Rummelsnuff. 16 Fotos sind hier zu sehen: 16 neue Fotos mit Rummelsnuff (24.1.2014). Viel Spass beim Betrachten !