Schlachthof, Wiesbaden, 12.04.2015
Moderner Black Metal ist sicherlich nicht jedermanns Sache und selbst ich, der ich harten Klängen nicht abgeneigt bin, kann mit Acts wie MARDUK, MAYHEM und Konsorten relativ wenig anfangen, da mir ihre Musik schlichtweg zu eintönig und uninspiriert ist und die Jungs einfach zuviel Unsinn faseln. Letzteres trifft auch auf SATYRICON zu, musikalisch allerdings muss man den Norwegern eine erstaunliche Entwicklung bescheinigen. Diese begann in den frühen Neunziger Jahren mit klassischem, rumpeligen Black Metal im BATHORY-Stil und wandelte sich über die Jahre zum komplex arrangierten, finsteren Doom-Rock, der der Band viele neue Fans bescherte, ihr zugleich aber den Hass der eingeschworenen Oldschool-Black Metal-Gemeinde einbrachte.
In der dritten Ausgabe des deutschen Metal-Magazins Deaf Forever lässt beispielsweise ARCHGOAT-Gitarrist Ritual Butcherer verlauten, dass es keine Gruppe gibt, die er mehr verachte als SATYRICON, da diese kommerzielle Wege eingeschlagen habe und somit ihre alten Releases nicht mehr respektiere. Aufgrund von Aussagen wie dieser könnte man vermuten, dass die Skandinavier heutzutage nur noch mainstream-orientierten Pop darbieten, doch dem ist nicht so. Zugegeben, auf dem letzten Album aus dem Jahr 2013, das schlichtweg den Bandnamen trägt, wird ein Song vom Sänger der norwegischen Indie-Rock- Formation MADRUGADA interpretiert, zudem sind die Jungs gemeinsam mit dem Osloer Philharmonie-Orchester in der norwegischen Nationaloper aufgetreten. Dennoch dürfte noch immer jedem NICKELBACK-Fan der Schädel platzen, würde er sich auch nur wenige Sekunden dem Sound von SATYRICON aussetzen.
Live hatte ich die Norweger noch nie gesehen und machte mich mit dem Ticket meines verhinderten Kollegen Micha nach Wiesbaden auf. Allerdings entschied ich mich, die drei (!) Vorbands VREDEHAMMER, OSLO FAENSKAP und DER WEG EINER FREIHEIT zu verpassen, da mir der vierfache Terror doch etwas zuviel des Guten gewesen wäre und mich ohnehin nur SATYRICON interessierten.
Als ich etwa gegen 22 Uhr die große Halle des Schlachthofs betrat, in der wieder mal eine kleine Bühne vor die eigentliche Stage gebaut worden war, fiel zunächst der für ein Black Metal-Konzert ungewöhnlich hohe Frauenanteil des Publikums auf. Warum dem so war, sollte kurze Zeit später klar werden, als Sänger Satyr und Schlagzeuger Frost, die beiden regulären Mitglieder von SATYRICON, nach einem finsteren Intro das Podest betraten. Frost präsentierte seinen durchtrainierten Body, sehr zur Freude der weiblichen Besucher, mit freiem und sogar eingeölten Oberkörper, und auch Satyr, der inzwischen wieder lange Haare trägt, machte einen sehr sportlichen Eindruck. Zu dem Duo stießen zwei Gitarristen, ein Bassist und ein Keyboarder, dessen Spiel allerdings kaum zu hören war.
Frosts Drum-Thron war mit eindrucksvollen Metall-Dornen verziert, die sich ebenfalls am Mikro-Ständer von Satyr wiederfanden, den Hintergrund bildete ein gigantisches Banner, auf dem Krähen zu sehen waren, die in den Nachthimmel flogen. Die aufwändige Ausleuchtung trug ihren Teil zu einem stimmungsvollen Bühnenbild bei, das mal in finsteres Blau getaucht wurde, das offenbar die Dämmerung simulieren sollte und gegen Ende der Show in höllischem Rot erstrahlte.
Los ging’s mit „Rite of Our Cross“ vom „Now, Diabolical“-Album, das am gestrigen Abend die meisten Songs stellte. Die Setlist enthielt sechs der acht Tracks der Scheibe, darunter natürlich der Titelsong und die Single-Auskopplung „Pentagram Burns“. Einen weiteren Schwerpunkt lieferten Titel der „The Age of Nero“-LP, allen voran der Übersong „Black Crow on a Tombstone“, den eingefleischte Black-Metaller vermutlich in die Rubrik „Groove Metal“ einordnen würden, der live und in extremer Lautstärke aber extrem wuchtig aus den Boxen donnerte.
Das restliche Programm bot einen Querschnitt des gesamten Schaffens der Norweger, lediglich das zweite Album „The Shadowthrone“ wurde komplett ignoriert. Auch vom Magnum Opus der Band, der dritten Veröffentlichung „Nemesis Divina“, wurden nur zwei Stücke dargeboten. Die Tatsache, dass zwei Drittel der Lieder von den letzten drei SATYRICON-Outputs stammten, machte deutlich, welches Songmaterial der Formation wichtiger ist und in welche Richtung es künftig gehen wird. Weg vom Black Metal, hin zum doomigen Riff-Rock.
Dass die Band dennoch nicht im Mainstream landen wird, verdankt sie vor allem dem nach wie vor krächzenden Gesang von Frontmann Satyr, der das letzte Bindeglied zum Black Metal darstellt. Optisch erging sich der 39-Jährige in immer neuen martialischen Posen, wie man sie vom Black Metal gewohnt ist. Bei einigen Tracks griff Satyr gar zur Gitarre, sodass die Gruppe dann mit drei Gitarristen auf der Bühne stand. Mit 17 Songs und einer überflüssigen „Jam-Session“ dauerte der Gig knapp zwei Stunden, was mir für ein Konzert dieser Art deutlich zu lang war. Eindrucksvoll und atmosphärisch war es dennoch und Kracher wie „Diabolical, Now“ und „Black Crow on a Tombstone“ live zu sehen, hat großen Spaß gemacht. Gespannt darf man indes sein, wo die Reise hingeht für SATYRICON.
Links: http://www.satyricon.no/, https://www.facebook.com/SatyriconOfficial, https://myspace.com/satyricon, http://www.lastfm.de/music/Satyricon
Text & Fotos: Marcus
Clip: am Konzertabend aufgenommen von 12367416
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