SHINING, CALIGULA’S HORSE, JACK DALTON

Nachtleben, Frankfurt, 13.11.2015

ShiningEndlich Wochenende. Die Arbeit ist getan. Zeit, Dinge zu erledigen, die einen entspannen und Spaß machen. Was Feines Essen gehen, zum Beispiel. Eine coole Band besuchen. Am Morgen des gestrigen Freitags habe ich mich noch über einen Tweet aufgeregt, in dem jemand herumjammerte, dass es keine guten Konzerte mehr gibt. Klar. Immer dasselbe: Man schaltet aus Alters- oder Bequemlichkeitsgründen geistig ab und bekommt nichts mehr mit, aber schuld daran ist die Welt, die einen nicht mehr innovationsfreien, liebgewordenen Kram aus offeneren Zeiten beschert. Böse Welt. Dass das Rhein/Main-Gebiet voller reizvoller Veranstaltungen ist, kann man in diesem Blog regelmäßig lesen – und wir sind noch längst nicht überall, wohin zu gehen es sich lohnt.

ShiningDie nächsten zwei Wochen bieten für Freunde des harten Rock teilweise parallel stattfindende Konzerte (wobei man durchaus darüber diskutieren kann, ob es sinnvoll ist, was die Veranstalter da treiben – selten haben sie sich so heftig gegenseitig das Publikum geklaut wie in den nächsten 14 Tagen. Doch dazu mehr beim Jahresrückblick); auch Popfans können sich über Langeweile kaum beklagen. Es gibt Hip Hop, Folk und gegenwärtig sogar exzellenten Jazz in unserer Region. Wenn es ein Problem gibt, welches mit Livemusik zu tun hat, dann dieses: Es gibt zu wenig Publikum, das kleinere Clubveranstaltungen besucht. Und deswegen erlesene Events verpasst. Eins davon habe ich gestern Abend besucht.

Früher Start im Frankfurter Nachtleben: Der Beginn des Supports war auf 19 Uhr gesetzt, denn um 23 Uhr sollte die Disco im Club anfangen. Als ich Jack Daltonnotorischer Zufrühkommer um 18.45 Uhr den Keller betrat, sprang bereits ein Typ mit DILLINGER ESCAPE PLAN-Shirt zwischen den knapp zehn Anwesenden herum und schrie sie an, während seine Kumpels auf der Bühne einen Höllenlärm fabrizierten. Das waren eindeutig nicht die Australier CALIGULA’S HORSE, der offizielle Opener. Wüster, moderner Hardcore, wie ich ihn nur manchmal mag, aber mit enormer Überzeugungskraft in die Fressen gepustet – ein bisschen Frustverarbeitung ob der mangelnden Nasen mag da durchaus eine Rolle gespielt haben. Nach eineinhalb von mir gehörten Jack DaltonSongs war Schluss und ich bat den Sänger zwecks kompetenter Berichterstattung um den Namen der Band. „JACK DALTON“, erklärte er mir. Ich grinste erkennend, obwohl ich den Namen eigentlich blöd finde: „Soso“, meinte ich, „so wie Joe Daltons größerer Bruder“. „Actually, the name is from MacGyver“ wurde ich korrigiert. Autsch. Naja, nach Achtziger- Mucke klang das aber zum Glück nicht.

Auf die fast pünktlich um 19 Uhr startenden CALIGULA’S HORSE hatte ich, nachdem ich mir ein paar Stücke im Netz angehört hatte, mal so überhaupt keinen Bock. Einfach nur, weil es sich dabei um eine Progmetalband handelt und Caligula's HorseProgmetalbands mir ein wenig auf den Zeiger gehen (auch, wenn es mittlerweile viele gibt, die ich mag). Klar ist das, was die spielen, bestimmt höchst anspruchsvoll im Detail, aber in der Regel im Gesamtarrangement sehr vorhersehbar und laaangweilig. Diese These ließ sich beim Begutachten der Liveaktivitäten des Quintetts aus Brisbane (Australien) aber nicht aufrecht erhalten.

Caligula's HorseDie im existentialistischem Schwarz auftretenden Herren machten viel Bohei ohne dicke Hose, rockten diffizil und gefühlvoll. Sauberer Gesang mit manchmal viel Hall und viele Tempowechsel in Stücken, die locker an der Acht- Minuten-Marke kratzen. Dazu das sphärische Keyboard und ja, ich fange schon beim Schreiben wieder an, mich zu langweilen. Weil es sowas so oft gibt. Und weil die wenigsten das so gut im Sinne von eigenständig machen wie Steven Wilson oder RIVERSIDE. Aber live kam das schon ziemlich ambitioniert und fett rüber und ich kenne eine ganze Menge Menschen, die diese Band dringend auf dem Zettel haben sollten bei der nächsten Tour. Nur gehöre ich nicht unbedingt dazu.

Wenn man die Norweger SHINING in diesem Zusammenhang als Progressive- Band schimpft, so tut man ihnen damit zum Teil bitter Unrecht – auch wenn die Bezeichnung eigentlich stimmen mag, falls man „progressiv“ im Wortsinn definiert. Soundtechnisch ähneln sie CALIGULA’S HORSE kein Stück. ShiningWo diese hauptsächlich auf abgefressenen Wiesen grasen, so definieren SHINING ihre Progressivität damit, dass sie machen was sie wollen. Das kann mal nach John Zorn klingen oder wie auf dem aktuellen Album „International Blackjazz Society“ nach NINE INCH NAILS. Mal mehr nach Black Metal, mal mehr nach Industrial. Und ein ganz bisschen, wegen des exzessiven Saxophons, nach Free Jazz.

Angst, mit der schwedischen Black Metal-Kapelle SHINING (die kommende Woche in Wiesbaden spielt und meiner Meinung nach auch ziemlich gut ist) verwechselt zu werden, kann man den Norwegern nicht nachsagen, im ShiningGegenteil: Während andere musikalische Namensvetter vor Gericht ziehen, lassen die beiden (Haupt-) SHININGS sogar den gleichen Vertrieb (Soulfood) für sich arbeiten. Die Norweger um Sänger/Gitarrist und Saxophonspieler Jørgen Munkeby starteten im Jazz und wurden bis zum Klimax „Blackjazz“ (2010) so rockig, dass Shiningman von einer Synthese sprechen konnte zwischen Jazz und heftigem Rock, bzw. Metal. Seit diesem Album sinkt der Innovationsgrad zwar wieder, es bleibt aber immer noch knallharte, so nicht oft gehörte Musik mit starker Verwandtschaft zum Hardcore übrig. Ähnlich wie vorher sein Landsmann von JACK DALTON lud Munkeby Saxophon spielend zur Interaktion im Publikum ein, die Band bretterte dabei ein knapp einstündiges Set herunter, das so auch ins Vorprogramm von VOI VOD gepasst hätte. Alle glücklich gerockt im Saal, knapp 35 mögen es am Ende gewesen sein, als um 21.30 Uhr schon Schluss war. Schöner Start ins Wochenende.

ShiningEinen Start, den die Einwohner von Paris an diesem Tag nicht hatten, wie wir zu Hause später vor dem Fernseher erfahren mussten. Menschen, die das taten, was wir auch gerade gemacht hatten – Dinge, die entspannen und Spaß machen – wurden dabei von unreifen, dummen und intoleranten Schwachköpfen, die sich in ihrer Idiotie für den Nabel der Welt halten und alles hassen, was nicht so ist wie sie, niedergemetzelt. Als mir der Postbote heute morgen meine Tickets brachte für ein paar anstehende Konzerte, auf die ich mich im Normalfall extrem freue, bekam das alles einen bitteren Beigeschmack. Kurz. Bis die Einsicht kam, dass ich mir das nicht nehmen lasse von diesen Scheißkerlen. Wir sehen uns, hoffentlich.

Links: https://jackdaltonmusic.bandpage.com/, https://www.facebook.com/jackdaltonband/, https://www.reverbnation.com/jackdalton, http://www.last.fm/music/Jack+Dalton, http://caligulashorse.com/, https://www.facebook.com/caligulashorseband/, http://welkinrecords.bandcamp.com/, https://www.reverbnation.com/caligulashorse, http://www.last.fm/de/music/Caligula’s+Horse, http://www.shining.no/, https://www.facebook.com/shiningnorway, https://myspace.com/shiningofficial, https://www.reverbnation.com/shiningnorway, http://www.last.fm/music/Shining

Text, Fotos & Clips: Micha

Alle Bilder:

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